Red Bull dominiert: Webber erstmals vor Vettel
Mark Webber gewinnt die Qualifying-Soloshow von Red Bull in Barcelona vor Sebastian Vettel - Lewis Hamilton und Fernando Alonso erste Verfolger
(Motorsport-Total.com) - Nach fünf Pole-Positions hintereinander ist heute in Barcelona die Serie von Sebastian Vettel gerissen: Der amtierende Weltmeister konnte seine sensationelle Leistung vom Vormittag nicht wiederholen und musste sich seinem Teamkollegen Mark Webber um zwei Zehntelsekunden geschlagen geben. Allerdings war er diesmal vom Pech verfolgt.
Denn während Webber erstmals in dieser Saison ein problemloses Wochenende zu erleben scheint, konnte Vettel im Vormittagstraining wegen eines Elektronikproblems nur eine einzige fliegende Runde drehen. Doch das war nicht seine einzige Sorge: "Sebastian hat leider schon in Q1 KERS verloren und hatte daher in Q3 kein KERS. KERS bringt hier aber bis zu drei Zehntel pro Runde", nimmt ihn Teamchef Christian Horner in Schutz.
Teamentscheidung: Kein zweiter Run
Webber hatte in Q3 eine Bestzeit von 1:20.981 Minuten vorgelegt, die Vettel im ersten Run nicht kontern konnte. Red Bull hatte damit 0,780 Sekunden Vorsprung auf den ersten Verfolger Lewis Hamilton (McLaren). Da lag der Gedanke nahe, auf einen zweiten Run zu verzichten und Reifen zu schonen: "Es hätte keinen Sinn gemacht, einen weiteren Reifensatz zu verbrennen. Die sparen wir uns lieber für morgen auf", stellt Horner klar.
Bitter allerdings für Vettel, dass es vor den Augen des stolzen Konzernchefs Dietrich Mateschitz zunächst so aussah, als würde der Kommandostand den beiden "Bullen" einen zweiten Run erlauben, doch dann entschied man sich doch um und Vettel und Webber mussten aussteigen. Vettel kann dennoch grinsen: "Wir haben einen Satz Reifen gespart, aber ich bin trotzdem nicht ganz zufrieden, denn meine Runde hat mich jetzt nicht vom Hocker gehauen."
"Zu sagen, Mark hat die Pole-Position, weil ich KERS nicht nutzen konnte, wäre nicht fair", zeigt sich Vettel als großer Sportsmann. "Mark verdient die Pole - er hat den besseren Job gemacht. Für mich war es nicht ideal. Ich denke aber nicht, dass wir von einer großen Enttäuschung reden sollten." Was den Einsatz von KERS am Sonntag angeht, macht sich der 23-Jährige "keine Sorgen. Im Rennen sollten wir das wieder im Griff haben."
Vettel gratuliert Webber: "War besser"
"Mark war heute einfach besser", sucht er gar nicht erst nach Ausreden, und Webber spricht sich selbst Mut zu, wenn er sagt: "Heute war mein Tag!" Und vor allem ein Red-Bull-Tag: In den schnellen Kurven des Circuit de Catalunya ist der von Adrian Newey designte RB7 eine Klasse für sich, sodass sogar Teamchef Horner unverblümt Optimismus ausstrahlt: "Das war eine sehr gute Performance. Jetzt freuen wir uns schon auf das Rennen."
"Vor der Qualifikation war eigentlich schon klar, dass wir einen kleinen Vorsprung haben würden", strahlt Webber. "Es sah so aus, dass Seb und ich um die Pole kämpfen würden. Das hatten wir erwartet. Zunächst kamen wir auf harten Reifen durch. Anschließend ging es nur noch darum, eine gute Runde für Q3 hinzulegen. Meine Runde war gut und ich betete einfach, dass nach der Zieldurchfahrt die Eins hinter meinem Namen aufleuchten würde. So kam es dann auch."
Die McLaren-Stars Hamilton und Jenson Button, die genau wie Red Bull schon in Q1 gezockt und auf weiche Pirelli-Reifen verzichtet hatten, gingen auch in Q3 nur einmal auf die Strecke. Während Hamiltons früh erzielte drittbeste Zeit bis zum Schluss hielt, hatte Button allerdings weniger Glück: Der Barcelona-Sieger von 2009 wurde Fünfter, obwohl ihm nur 35 Tausendstelsekunden auf den dritten Platz seines Teamkollegen fehlten.
Hamilton sieht keine Chance
Zumindest Hamilton ist "sehr zufrieden" mit dem Qualifying: "Wie man sehen konnte, ist der Abstand zwischen uns und Red Bull etwas angewachsen. Trotzdem sind uns an diesem Wochenende einige Fortschritte gelungen. Zum Glück stehen wir vor Ferrari. Da ging es wirklich eng zu", analysiert er und sagt: "Ich denke nicht, dass wir mit Red Bull mithalten können. Der Abstand wird morgen aber geringer sein als eine Sekunde, vermute ich."
Eine der stärksten Leistungen des Nachmittags lieferte Fernando Alonso ab, dem sein Renningenieur Andrea Stella noch am Boxenfunk gratulierte: "Das war eine sehr gute Runde!" Der Ferrari-Pilot selbst jubelte über den vierten Startplatz vor eigenem Publikum wie über einen Sieg, konnte er doch überraschend die beiden McLarens splitten. Interessant auch: In Sektor eins war er um eine halbe Sekunde schneller als Hamilton und Button und gleich schnell wie die Red Bulls!
Gleiches gilt übrigens auch für Witali Petrow (Renault), der sich mit einer unauffälligen, aber effizienten Leistung den guten sechsten Startplatz sicherte. Petrow gewann damit den Hundertstelkrimi gegen Nico Rosberg (Mercedes), der sich über Rang sieben nicht freuen kann, aber erklärt: "Ich bin in Q3 teilweise mit gebrauchten Reifen gefahren. Wir haben das ganze Wochenende viel mehr auf das Rennen hingearbeitet, daher sollte morgen sicher mehr drin sein."
KERS-Probleme bei Schumacher
Sein Teamkollege Michael Schumacher sorgte in Q3 für Verwunderung, als er seine gezeitete Runde abbrach und unerwartet an die Box abbog. "Das war ein bisschen erzwungen und nicht so geplant", klärt der siebenfache Weltmeister und Barcelona-Rekordsieger auf. "Unser KERS hat leider nicht funktioniert. Bei der Dichte hätte es keinen Sinn gemacht, den Satz Reifen zu verschwenden, der uns morgen im Rennen Vorteile bringen kann."
Sportchef Norbert Haug ist überzeugt, dass "Michael ohne das KERS-Problem sicher zwei, drei, vier Plätze weiter vorne" stehen würde - also zum Beispiel vor Felipe Massa (8./Ferrari/+1,907), der sich nur mit Bauchweh überhaupt ins Top-10-Finale gezittert hatte, und Überraschungsmann Pastor Maldonado (9./Williams/+1,971). Bei Sebastien Buemi und Toro Rosso war indes die Freude über Platz elf groß, denn damit kann sich der Schweizer morgen die Reifen für den Start aussuchen.
Sergio Perez war als Zwölfter bester Sauber-Pilot, aber sein Stallgefährte Kamui Kobayashi hätte das Potenzial gehabt, Massa im Werks-Ferrari aus den Top 10 zu drängen, wäre seine letzte Runde nach Wunsch gelaufen. Noch bitterer verlief Q2 aber für Force India, denn Paul di Resta und Adrian Sutil landeten auf den letzten beiden Plätzen, P16 und P17. Damit mussten sie sich auf harten Reifen selbst dem mit weichen Pirellis attackierenden Lotus von Heikki Kovalainen geschlagen geben.
Sutil setzt auf harte Reifen
"Ich verspreche mir davon eine bessere Strategie als die anderen. Das ist die einzige Chance, die ich hatte, noch irgendetwas aus dem Rennwochenende zu machen", verteidigt Sutil die Taktik seines Teams. "Das Auto ist einfach zu langsam. Mit einem neuen weichen Reifen hat man denke ich schon einen Vorteil im Rennen. Somit haben wir morgen noch zwei neue Sätze und einen neuen Satz harte Reifen. Das könnte ganz gut sein."
Q1 war aus deutscher Sicht von gemischten Emotionen geprägt: Zwar sicherte sich Schumacher die (aufgrund der unterschiedlichen Reifen bedeutungslose) Bestzeit, doch Nick Heidfeld (Renault) konnte an der Session nicht einmal teilnehmen. "Letztendlich war nicht genug Zeit", um sein Auto nach dem spektakulären Feuer im Freien Training zu reparieren, berichtet "Quick Nick" und fügt an: "Ich hoffe, dass ich von hinten immer noch ein gutes Rennen zeigen kann."
Dadurch, dass Red Bull und McLaren in Q1 darauf verzichteten, mit weichen Reifen rauszugehen, waren die Bestzeiten um etwa eineinhalb Sekunden langsamer als erwartet. Das rettete Marussia-Virgin und vor allem HRT, die jeweils mit beiden Autos die 107-Prozent-Hürde meisterten. Heidfeld blieb ohne Zeit, die Ausnahmeregelung durch die FIA-Kommissare sollte aufgrund seiner Trainingsleistungen aber reine Formsache sein.
Red Bull nun klarer Favorit
Aufgrund eines Getriebeschadens schied übrigens mit Rubens Barrichello (Williams) ein weiteres "Schwergewicht" schon in Q1 aus, was Kovalainen die sensationelle Fahrt zu Startplatz 15 ermöglichte. Jarno Trulli rundete das solide Lotus-Ergebnis trotz anfänglicher Getriebeprobleme als 18. ab; Jerome D'Ambrosio (Marussia-Virgin) verlor diesmal das Stallduell gegen Timo Glock (20.) klar - vielleicht auch wegen eines technischen Defekts, der ihn lange an die Box zwang.
Für das morgige Rennen stellt sich nicht die Frage, wer gewinnen wird, denn die ist für die meisten Experten im Fahrerlager ohnehin schon beantwortet: "Red Bull ist im Moment für alle außer Reichweite. Der Doppelsieg steht schon fest, wenn nichts dazwischen kommt", vermutet Mercedes-Sportchef Haug. Aus deutscher Sicht wäre ein Vettel-Sieg wünschenswert, im Interesse einer spannenden Weltmeisterschaft sollte man hingegen eher Webber die Daumen drücken.
"Ich gehe heute Abend in aller Ruhe schlafen und kehre am Sonntag entspannt zurück an die Strecke. Ich freue mich auf das Rennen", lächelt der Polesetter. "Es sollte interessant werden. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren haben wir es mit einigen technischen Neuerungen zu tun, doch mit diesen konnten wir uns in den ersten Grands Prix des Jahres vertraut machen. Ich bin gespannt und bin morgen auf den Sieg aus!"