McLaren knapp geschlagen: Wieder Vettel!
Lewis Hamilton forderte ihn heraus, aber am Ende entschied Sebastian Vettel das Pole-Position-Duell erneut für sich - Nick Heidfeld guter Sechster
(Motorsport-Total.com) - Nach dem dritten Freien Training hatte es in Sepang schon ein wenig nach einer Überraschung durch McLaren gerochen, doch Sebastian Vettels Weltmeister-Überform reichte noch einmal aus, um den Angriff der britischen Chrompfeile abzuwehren. Der Vorjahressieger sicherte sich auf den allerletzten Drücker die Pole-Position für den Grand Prix von Malaysia.
Allerdings musste er sich dafür ganz schön strecken: "Es war ein herausforderndes Wochenende. Ich war mit dem Auto glücklich, aber ich fand keinen Rhythmus und es kam nicht alles zusammen", erinnert sich Vettel an die schwierigen Freien Trainings, in denen er nicht ein einziges Mal Bestzeit gefahren war. Aber: "Wir wussten, dass es im Auto steckt - und im Qualifying hat es dann auf Anhieb funktioniert. Das war auch ausschlaggebend, um am Ende nochmal einen auszupacken."
Vettel kontert auf Hamilton-Vorgabe
In der ersten Samstags-Session hatte der Deutsche wegen einer losen TV-Kamera, die die Aerodynamik störte, noch nicht sein ganzes Potenzial entfalten können. Auch in der Top-10-Entscheidung lag er zunächst nicht voran, sondern Lewis Hamilton (McLaren) hatte sich im ersten Q3-Run mit einer Zeit von 1:35.000 Minuten die Spitze gesichert. Die jeweils letzten Runs entwickelten sich dann aber zu einem dramatischen Formel-1-Thriller.
Nur McLaren und Red Bull hatten im Finale noch genug weiche Pirelli-Options, um zweimal auf die Strecke zu gehen, sodass in den letzten drei Minuten alle zehn Autos gleichzeitig unterwegs waren. Dann Hochspannung im Duell McLaren gegen Red Bull: Alle vier Fahrer (!) absolvierten Sektor eins in 24,6 Sekunden. In Sektor zwei kam nur noch Vettel auf 31,5 Sekunden, Hamilton und Mark Webber (Red Bull) auf 31,6, Jenson Button (McLaren) auf 31,7.
Unterm Strich entschied eine Zehntelsekunde für Vettel und gegen Hamilton. "Ich bin sehr glücklich", strahlt der Weltmeister und WM-Leader. "Am Ende war es knapp, aber ich bin überglücklich, dass es gereicht hat." Diesmal übrigens mit dem Hybridsystem KERS, auf das Red Bull in Melbourne noch freiwillig verzichtet hatte. Vettel: "Ich glaube, heute hat KERS den Unterschied gemacht. Ohne KERS würde ich nicht auf Pole stehen."
Hamilton kann mit Platz zwei aber gut leben: "Wir sind nicht enttäuscht", behauptet er und bedankt sich beim Team für die neuen Teile, die über Nacht eingeflogen wurden. "Natürlich wäre ich gerne auf Pole gestanden, aber sie haben immer noch einen kleinen Vorteil. Der Rückstand wird kleiner, meine Runde war nicht perfekt, aber damit kann man schon zufrieden sein. Wir haben immer damit gerechnet, dass sie noch etwas im Ärmel haben. So war es dann leider auch."
Alles wie gehabt: Vettel vor Webber
Teamintern war eigentlich Button (Bestzeit in Q2) über weite Strecken der schnellere Mann, in den entscheidenden Momenten hatte er Hamilton aber nichts entgegenzusetzen. Auch bei Red Bull war die gewohnte Hackordnung (Webber auf Platz drei) am Ende wiederhergestellt. "Die Leistung war besser als in Melbourne", meint Webber achselzuckend. Nach starken Trainingsleistungen hatte er gehofft, im Qualifying-Duell mit Vettel auf 1:1 stellen zu können.
Erst 0,6 Sekunden hinter dem Spitzenquartett und fast eine Sekunde hinter der Pole-Position landete Fernando Alonso auf Rang fünf. Ferraris Unsicherheit zeigte sich bereits in Q1, denn die Roten zogen sofort weiche Reifen auf und überließen nichts dem Zufall. Felipe Massa steht in der Startaufstellung direkt hinter seinem Teamkollegen; dazwischen reihte sich noch der zweitbeste Deutsche Nick Heidfeld (Renault) an sechster Stelle ein.
"Damit bin ich sehr zufrieden", strahlt "Quick Nick". "In Q2 war es ziemlich knapp. Ich hatte die Reifen etwas zu sehr rangenommen. Meine Runde in Q3 war dann recht gut. Ich glaube, da war nicht mehr drin." Vor dem Teamkollegen zu stehen, sei "bestimmt nicht unwichtig, aber es ist nichts, worauf ich mich konzentriere. Es ist doch immer das Gleiche: Man sollte sich darauf konzentrieren, seinen Job zu machen und möglichst schnell zu sein. Der Rest erledigt sich von selbst."
Heckflügel-Probleme bei Mercedes
Renault (Witali Petrow auf Rang acht) brachte erneut beide Autos in die Top 10 und war damit stärker als Mercedes. Michael Schumacher erwischte es diesmal nämlich schon in Q2 (Platz elf, zwei Zehntelsekunden langsamer als Heidfeld), Nico Rosberg (9.) behielt damit seine in Sepang immer noch weiße Teamduell-Weste. Dabei war Routinier Schumacher in den Trainings noch mindestens gleich schnell gewesen.
Aber: "Beim letzten Versuch ist der Heckflügel nicht mehr zurückgegangen", ärgert sich der siebenfache Weltmeister. "Das heißt: Er klappte hoch und bescherte mir auf der Geraden den gewünschten Topspeed, klappte danach aber nicht wieder herunter. Das bedeutete natürlich ziemlich viel Rutscherei." Ein Problem, das Mercedes übrigens schon in den Freien Trainings hatte und offenbar nicht rechtzeitig in den Griff bekam.
Bei Rosberg schien der Heckflügel in Q3 ebenfalls Schwierigkeiten zu machen: "Mitte des Qualifyings lief es noch in Ordnung, aber ich weiß nicht, was am Ende das Problem war. Ich hatte nicht das Vertrauen und nicht so viel Grip hinten. Vielleicht war das wieder das Problem mit dem Heckflügel, das wir im Training schon hatten", vermutet der Mercedes-Pilot, der auch für das Rennen nicht gerade optimistisch ist, denn: "Wir waren im Renntrimm nicht sonderlich stark."
Ein Top-10-Tourist war Kamui Kobayashi (Sauber), den kaum jemand im letzten Abschnitt erwartet hätte. Doch der Japaner hätte beinahe für eine Überraschung gesorgt, war nur um elf Tausendstelsekunden langsamer als Rosberg! Ebenfalls erfreulich aus Schweizer Sicht: Sebastien Buemi (12.) gewann das Toro-Rosso-Stallduell gegen Jaime Alguersuari (13.) trotz des verpassten ersten Freitagstrainings um fast zwei Zehntelsekunden.
Sutil und Glock sehr enttäuscht
Adrian Sutil (17./Force India) unterlag hingegen Paul di Resta (14.) relativ deutlich. Beim Deutschen lief es aber alles andere als rund, er kämpfte beim Runterschalten mit einem bockigen Getriebe: "Wir haben technische Probleme ohne Ende", jammert der Vorjahres-Fünfte. Noch schlimmer erwischte es Timo Glock (21./Marussia-Virgin): "Unser Auto ist einfach zu langsam. Wir müssen uns im Augenblick in Acht nehmen, dass uns HRT nicht noch näher auf die Pelle rückt."
Glock büßte in der ersten Session, die wegen eines herumliegenden Buemi-Karosserieteils zwischendurch unterbrochen war, fast zwei Sekunden auf das Lotus-Duo ein. Dafür schafften beide HRT-Piloten den 107-Prozent-Cut - Vitantonio Liuzzi mit 4,8, Narain Karthikeyan mit 5,8 Sekunden Rückstand, aber immerhin. Das war nach den teilweise peinlichen Pannen in den Trainings nicht unbedingt in dieser Souveränität zu erwarten.
Für den morgigen Grand Prix ist nun Polesetter Vettel Favorit, zumal Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko bereits vor dem Qualifying angekündigt hatte, dass man sich diesmal auf den Renntrimm konzentriert habe. Aber dann ist da noch der Pirelli-Faktor: "Die Reifen halten nicht einmal annähernd so lange wie in Melbourne", weiß Vettel. "Es wird sicher ein ganz anderes Rennen. Ich erwarte definitiv mehr Boxenstopps - die Frage ist nur wie viele."