Unterhaltsamer Auftakt: Vettel siegt in Melbourne!
Sebastian Vettel lässt beim Saisonauftakt nichts anbrennen und gewinnt vor Hamilton, Petrow und Alonso - Doppelausfall für Mercedes
(Motorsport-Total.com) - Zum erst zweiten Mal in seiner Karriere führt Sebastian Vettel die Formel-1-Weltmeisterschaft an: Im Vorjahr lag er "nur" nach dem Finale in Abu Dhabi in Führung, diesmal gleich nach dem Saisonauftakt in Melbourne. Der Deutsche lieferte nach seinem Super-Qualifying auch im Rennen eine makellose Vorstellung ab und feierte einen ungefährdeten Sieg.
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Bravo, Sebastian! In Melbourne sicherte er sich einen weltmeisterlichen Sieg... Zoom Download
22,2 Sekunden betrug sein Vorsprung nach 58 Rennrunden im sonnigen Albert-Park, und zwar auf Lewis Hamilton, dessen McLaren-Team die Red-Bull-Pace erstaunlich gut mitgehen konnte. Nur: Niemand weiß, wie viel Vettel wirklich gezeigt hat. "Wirklich kontrolliert" sei er gefahren, erklärte er nach der Zieldurchfahrt am Boxenfunk - ein Alarmsignal für alle, die glauben, dass der Weltmeister schon in Reichweite sein könnte.
Lokalmatador Webber chancenlos
Lokalmatador Mark Webber im zweiten Red Bull ging hingegen völlig unter, konnte keine Akzente setzen und wurde hinter Fernando Alonso (Ferrari) Fünfter. Die große Sensation war aber Witali Petrow, der in Abwesenheit von Renault-Teamleader Robert Kubica zum ersten Mal in seiner Karriere auf das Podium fuhr. Nick Heidfeld konnte das Auto nicht so gut nutzen und wurde 14. - und Renault schickte eine Botschaft ins Krankenhaus nach Italien: "Wir vermissen dich, Robert!"
Das erste Rätsel der neuen Saison wurde am Start gelüftet: Nach den wilden Spekulationen um ein Einmal-KERS von Red Bull nutzten auf dem Weg zur ersten Kurve weder Vettel noch Webber das Hybridsystem. Vettel hatte dies auch gar nicht nötig, kam so gut von der Linie weg, dass er die Führung problemlos verteidigte. Webber schnüffelte allerdings sehr wohl bei Hamilton rein - mit KERS hätte er den McLaren möglicherweise überholt.
Vettel baute seinen Vorsprung binnen drei Runden auf 3,2 Sekunden aus, lag aber nur noch 1,5 Sekunden vor Hamilton, als er in der 14. Runde zum ersten von zwei Boxenstopps reinkam. Danach waren es sechs, nach dem zweiten Stopp schon rund zehn Sekunden - diese Butter ließ sich der in Überform fahrende Champion nicht mehr vom Brot nehmen. Damit beendete er Red Bulls Melbourne-Fluch und holte das erste Podium für das Team auf dieser Strecke.
Vettel nicht am Limit
"Es war ein gutes Rennen", bilanziert der alte und neue WM-Leader. "Am Ende wurde es ruhiger, Lewis hat nicht mehr so gepusht. Aber einfach war es nicht. Der Start war entscheidend und ich kam von der sauberen Seite sehr gut weg. Im ersten Stint habe ich versucht, den Abstand zu halten, aber dann erreichten wir sehr schnell den Punkt, an dem die Reifen abbauten. Lewis holte auf und ich kam rein. Das war der richtige Zeitpunkt."
Nach dem ersten Boxenstopp kam Vettel ausgerechnet hinter Jenson Button auf die Strecke, der sich natürlich wehrte, um seinem kurzzeitig führenden Teamkollegen zu helfen. Doch Vettel nutzte seinen überragenden Speed und die frischen Pirellis und machte mit dem britischen Silberpfeil kurzen Prozess. "Wichtig war, Jenson gleich zu überholen", weiß er - sonst hätte er in jener Phase entscheidenden Boden verlieren können.
Ungefähr zehn Runden vor Schluss nahm Hamilton dann auf Anweisung des Teams Tempo raus, schließlich war er bei seiner verbissenen Jagd kurz zuvor auf die Wiese gekommen, wodurch sein Unterboden Schaden nahm ("Das hat Anpressdruck gekostet"). Doch der Brite geriet nicht in Gefahr, hatte nach hinten genug Puffer, um das Kind sicher nach Hause zu schaukeln - ein zweiter Platz, mit dem McLaren nach den sehr mäßigen Wintertests nicht gerechnet hätte.
McLaren deutlich verbessert
"Wir können sehr stolz sein. Die Jungs haben einen tollen Job gemacht, denn vor ein oder zwei Wochen haben wir nicht geglaubt, dass wir auch nur in die Nähe der ersten Fünf fahren können. Daher nehme ich diesen zweiten Platz gerne", strahlt der Weltmeister von 2008, der damit 18 Punkte aus Melbourne mitnimmt. "Unsere Pace ist gut, manchmal habe ich sogar auf Sebastian aufgeholt. Ich freue mich auf die nächsten Rennen."
Neben den beiden Superstars strahlte Underdog Petrow in die Kameras: "Ich bin sehr glücklich, mit diesen Jungs hier sitzen zu dürfen. Das Team hat alles perfekt gemacht und wir dürfen stolz auf uns sein", jubelt der Russe über sein erstes Formel-1-Podium. Am Ende kam es zur Neuauflage von Abu Dhabi, als Alonso mit Siebenmeilenstiefeln näher kam, aber: "Er war weit weg, ich hatte das unter Kontrolle, konnte sogar auf meine Reifen achten."
Petrow legte den Grundstein für das beste Ergebnis seiner noch jungen Karriere mit einem exzellenten Start, schob sich vom sechsten auf den vierten Platz nach vorne. Webber und Alonso schnappte er dank eines Boxenstopps weniger. Alles in allem eine runde Vorstellung des 26-Jährigen, der die vermeintliche Nummer eins Heidfeld (mit einer Runde Rückstand 14.) alt aussehen ließ - älter als die sieben Jahre Differenz, die tatsächlich zwischen den beiden liegen...
Heidfeld im Schatten von Petrow
"Das ist bitter für Nick", analysiert Force-India-Testfahrer Nico Hülkenberg. "Petrow ist super durchgefahren, hat keine Fehler gemacht. Bei Nick war zu erwarten, dass von da hinten nicht mehr viel geht." Noch dazu war der Deutsche, gestern schon in Q1 außer Gefecht und damit 18. der Startaufstellung, mit einer beschädigten Karosserie unterwegs. Wahrscheinlich wurde diese am Start in Mitleidenschaft gezogen.
Ebenfalls gleich am Start sanken die Chancen von Michael Schumacher auf null: Der Mercedes-Superstar wurde in der ersten Kurve von Jaime Alguersuari (Toro Rosso) angerempelt, sodass beide am Ende der ersten Runde an die Box kommen mussten. Diagnose bei Schumacher: Reifenschaden. Außerdem wurde "der Unterboden rechts hinten recht stark in Mitleidenschaft gezogen", berichtet der siebenfache Weltmeister, der in Runde 30 aufgeben musste.
"Wahrscheinlich war danach auch die Aufhängung ein bisschen verbogen", so Schumacher. "Ich fuhr noch weiter, doch die Unterschiede zwischen Rechts- und Linkskurven waren ziemlich gravierend. Irgendwann sagte mir das Team schließlich: 'Es hat keinen Sinn mehr.' Es wäre auch zu gefährlich gewesen, denn wer weiß, was noch alles beschädigt wurde? Insofern hörten wir vorzeitig auf, was im Hinblick auf die Sicherheit gewiss vernünftig war."
Doppelausfall für Mercedes
Wenig später konnte Ross Brawn am Mercedes-Kommandostand ganz zusammenpacken, als ausgerechnet bei Routinier Rubens Barrichello (der schon in der ersten Kurve neben der Strecke war, dann aber furios unterwegs war) die Sicherungen durchbrannten: Barrichello schoss aus unmöglicher Position vor Kurve drei neben Nico Rosberg, dessen Silberpfeil danach eine riesige Rauchwolke bildete und ausrollte.
"Das war unnötig", ärgert sich der Deutsche über den Williams-Piloten. Schwacher Trost: Barrichello wurde mit einer Durchfahrstrafe belegt, ähnlich wie zuvor schon Button. Bei Button war die Situation aber weniger eindeutig: Der Vorjahressieger duellierte sich gut zehn Runden lang beinhart mit Felipe Massa (Ferrari), hatte aber trotz KERS und DRS (verstellbarer Heckflügel oder Drag-Reduction-System) nicht genug Topspeed, um zu überholen.
In der schnellen Waite-Linkskurve setzte er sich dann neben den Ferrari, musste aber abkürzen. Button blieb vor Massa, der seinerseits binnen Sekunden von Alonso überholt wurde. "Er hat mich nach außen gedrängt und ich hatte keinen Platz mehr, also musste ich die Kurve abschneiden", schildert Button. "Dann war Alonso vor ihm und Massa kam natürlich an die Box, was ich auch getan hätte. So blieb ihnen nichts anderes mehr übrig, als mir eine Durchfahrstrafe zu geben."
Button vs. Massa: Späte Revanche
Diese warf den zweifachen Melbourne-Sieger weit zurück. Immerhin konnte er sich später mit einem blitzsauberen Manöver an Massa rächen, was ihm zumindest Rang sechs einbrachte. Massa kämpfte da aber schon mit stumpfen Waffen, musste ein drittes Mal die Reifen wechseln lassen und kam nur als Zehnter wieder auf die Strecke zurück. Bis Rennende kam er nur noch am Ferrari-Kunden Sebastien Buemi (Toro Rosso) vorbei - wenn auch keineswegs kampflos.
Apropos Buemi: Für die Schweiz war heute so etwas wie ein vorgezogener Nationalfeiertag, denn neben dem Toro-Rosso- schafften es auch beide Sauber-Piloten in die Punkte. Rookie Sergio Perez setzte mit nur einem Boxenstopp alles auf Risiko - und wurde mit dieser Taktik sensationell Siebter! Fast genau so ist vor ein paar Jahren ein gewisser Kimi Räikkönen (Sechster im Albert-Park) in die Formel 1 eingestiegen. Kamui Kobayashi landete mit zwei Stopps auf Rang acht.
Adrian Sutil duellierte sich über weite Strecken des Rennens mit seinem Force-India-Teamkollegen Paul di Resta und schrammte am Ende als Elfter um 16 Sekunden an einem WM-Punkt vorbei. Jarno Trulli (Lotus) und die beiden Marussia-Virgins komplettierten das 17 Mann starke Zielankunfts-Feld. Allerdings kam Glock nach Reparaturstopp wegen einer kaputten Radmutter mit neun Runden Rückstand nicht in die offizielle Wertung.
Vettel von neuen Regeln überrascht
Das neue Reglement erfüllte am ersten Wochenende der Saison seinen Zweck - besonders der verstellbare Heckflügel scheint sich zu bewähren. "Es ist eine Spielerei", findet zwar 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer, aber Premierensieger Vettel ist angenehm überrascht: "Sehr positiv. Und Pirelli müssen wir ein Kompliment aussprechen. Es hat nicht so viele Stopps gegeben wie erwartet", lobt der einstige DRS-Kritiker.
Vom WM-Titel will er nach dem dominanten Wochenende noch nicht sprechen: "Gestern hatten wir viel Vorsprung, aber es ist eine lange Saison. Ich sage dem Team immer: Wir müssen auf dem Boden bleiben", so Vettel. "Aber das sind gute Punkte, was wichtig ist, und es hat Spaß gemacht, was noch wichtiger ist. Wir müssen uns jetzt auf die nächsten Rennen konzentrieren und so weitermachen. Dann glaube ich, dass wir eine gute Chance haben."
In der Konstrukteurs-WM führt nach einem von (voraussichtlich) 19 Rennen Red Bull mit 35 Punkten vor McLaren (25), Renault (15), Ferrari (14), Sauber (10) und Toro Rosso (1). Weiter geht's in zwei Wochen mit dem Grand Prix von Malaysia in Sepang. Die Strecke dort gilt als repräsentativer als der Albert-Park-Circuit, insofern können sich durchaus noch Verschiebungen ergeben. Aber der Auftakt hätte aus Vettel-Sicht nicht besser verlaufen können...