WM-Drama bahnt sich an: Vettel in Abu Dhabi auf Pole!
Mark Webber (5.) patzt im Qualifying, Sebastian Vettel (1.) und Fernando Alonso (3.) machen hingegen alles richtig - McLaren im WM-Kampf Zünglein an der Waage
(Motorsport-Total.com) - Beim Saisonfinale in Abu Dhabi bahnt sich ein absolutes WM-Drama an: Sebastian Vettel sicherte sich heute unter Flutlicht erwartungsgemäß die Pole-Position und wahrte damit seine Titelchancen. Red-Bull-Teamkollege Mark Webber hingegen patzte und hat als Fünfter der Startaufstellung einen äußerst schwierigen Rennsonntag vor sich.
"Das war kein sehr gutes Qualifying", ärgert sich Webber. "Ich war heute nicht schnell genug. So ist das leider, aber wir werden morgen trotzdem unser Bestes geben." Das war heute noch nicht gut genug, denn wenn die vier WM-Anwärter im Rennen in der heutigen Reihenfolge über die Ziellinie fahren sollten, wäre Fernando Alonso (Ferrari) Weltmeister. Der Champion von 2005 und 2006 sicherte sich heute in letzter Minute den dritten Platz.
Vettel nach Pole mit Rückenwind
Doch die Euphorie ist zunächst mal auf Vettels Seite: "Ich bin natürlich sehr zufrieden mit der Pole-Position heute", jubelt der Deutsche. "Zehn Pole-Positions in einem Jahr, das ist eine hervorragende Leistung, auf die wir stolz sein können. Ich habe heute alles rausgeholt, was ging, aber es war sehr eng. Ich habe es geschafft, aus nur einem Run alles rauszuholen und auf Pole-Position zu fahren. Wir starten von vorne, besser geht's nicht!"
Vettel hatte schon im zweiten Qualifying Bestzeit erzielt und setzte in Q3 auf eine unkonventionelle Taktik. Denn während die Konkurrenz wie üblich zwei Runs fuhr, drehten Vettel und Webber drei beziehungsweise vier schnelle Runden auf einem einzigen Reifensatz. "Ich bin als Letzter auf die Strecke gegangen und habe es geschafft", strahlt Vettel und ergänzt: "Gestern haben wir am Abend nicht so gut ausgesehen, aber heute waren wir da besser."
Der 23-Jährige erzielte eine Bestzeit von 1:39.394 Minuten, musste aber ganz zum Schluss noch einmal mächtig zittern, als Lewis Hamilton (McLaren) eine tolle Runde auspackte, bei der zweiten Zwischenzeit noch acht Tausendstelsekunden Vorsprung hatte, unterm Strich aber doch um 31 Tausendstelsekunden zu langsam war. Trotzdem ist der Polesetter des Vorjahres diesmal auch mit dem zweiten Startplatz einigermaßen zufrieden.
Hamilton freut sich über Aufwärtstrend
"Das ist ein viel besserer Start ins Wochenende als zuletzt. Wir haben ein paar Dinge geändert und haben für morgen alles zu gewinnen und nichts zu verlieren", erklärt Hamilton, der bei 24 Punkten Rückstand auf ein Wunder angewiesen ist, wenn er doch noch Weltmeister werden will. "Ich hoffe, dass wir gute Punkte holen können. 2008 stand ich im letzten Rennen enorm unter Druck, aber diesmal bin ich nur hier, um ein bisschen Spaß zu haben."
Als kurz nach Hamiltons Runde auch noch Alonso aus der dritten Reihe auf den dritten Platz nach vorne fuhr, streckte Luca di Montezemolo am Ferrari-Kommandostand die Faust in die Luft: 0,398 Sekunden Rückstand auf Vettel, aber nur von einem Red Bull geschlagen - damit kann die Scuderia gut leben. Trotzdem bleibt Alonso zurückhaltend: "Die Situation ist noch genau wie vor dem ersten Training. Im Rennen kann alles passieren, wie man in Südkorea gesehen hat."
Alonso hofft auf Zuverlässigkeit
"Wir müssen die 55 Runden ohne Probleme durchfahren, das ist das Wichtigste. Im Moment ist unsere Ausgangsposition sehr gut", sagt der WM-Leader und fügt an: "Es war ein schwieriges Qualifying, in dem die Positionen ständig gewechselt haben. Ich hatte im ersten Run Verkehr im ersten Sektor, wusste aber, dass ich für den zweiten Run noch Spielraum habe. Also bin ich voll ans Limit gegangen und das hat gut geklappt. Das Ergebnis ist gut."
Jenson Button (McLaren/+0,429) wurde Vierter und reihte sich damit als zusätzlicher Puffer vor Webber ein, der um 0,102 Sekunden langsamer war als der Brite. Button, grinsend: "Ich habe zwar selbst keine Chance mehr auf den WM-Titel, kann ihn aber vielleicht entscheiden!" Davon, dass er sich zu Beginn des ersten Qualifyings über immer schlimmer werdende Vibrationen beklagt hatte, war am Ende nichts mehr zu spüren.
Auf McLaren könnte allerdings noch ein Treffen mit den FIA-Rennkommissaren zukommen - wegen einer Szene in Q2: Felipe Massa (Ferrari), am Ende mit 0,808 Sekunden Rückstand Sechster, war gerade auf einer schnellen Runde, doch als er sich in einer Linkskurve am langsamen Hamilton vorbeimanövrierte, ließ der kaum locker, sodass es beinahe zu einer Kollision gekommen wäre! Hamilton rammte einen Pylon, ansonsten ging der Zwischenfall glimpflich aus.
Beinahe-Kollision zwischen Hamilton und Massa
"Massa hat versucht, mich von der Strecke zu drängen", tobte Hamilton im ersten Ärger am Funk, doch 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer sieht die Schuldfrage komplett anders: "Eindeutig Lewis' Fehler, denn Massa war auf einer schnellen Runde und er nicht." Sollten Rennleiter Charlie Whiting oder Ferrari bei den Kommissaren Meldung erstatten, könnte es für Hamilton theoretisch noch eine wie auch immer geartete Strafe geben.
Grundsätzlich wird Hamilton aber auch morgen im Rennen aggressiv agieren, denn er hat am wenigsten zu verlieren: "Seine Mission ist klar: Er muss das Rennen gewinnen", weiß Teamchef Martin Whitmarsh. "Was dahinter passiert, hat er nicht selbst in der Hand, doch rechnerisch haben wir nicht die beste, dafür aber die einfachste Ausgangsposition." Und: "Er wird in der ersten Kurve aggressiv sein, aber auch keine Dummheiten machen."
Im Schatten des WM-Kampfes belegten Rubens Barrichello (Williams/+0,809), Michael Schumacher (+1,122), Nico Rosberg (beide Mercedes/+1,195) und Vitaly Petrov (Renault/+1,507) die Plätze sieben bis zehn. Mercedes-Sportchef Norbert Haug: "Unsere Zeiten auf den härteren Reifen in Q1 und Q2 sahen gut aus, für Q3 haben wir im Hinblick auf das Rennen und den Start die weicheren Options gewählt - und ich denke, dass wir morgen ein gutes Rennen haben können."
Schumacher stellt auf 5:14
Rosberg ließ in den ersten beiden Qualifyings aufhorchen, als er sich jeweils gegen Ende auf den zweiten beziehungsweise dritten Platz katapultierte. Es sah schon nach einem weiteren Sieg im Stallduell mit Schumacher aus, doch der Routinier packte im letzten Moment doch noch eine gute Runde aus, bestätigte seine starken Trainingsleistungen und schlug Rosberg um 73 Tausendstelsekunden. Das Jahresduell geht damit 5:14 aus.
Zweifellos eine Überraschung war der Top-10-Einzug von Petrov, doch der Russe hatte am Ende von Q2 auch das Glück des Tüchtigen, als ausgerechnet sein Teamkollege Robert Kubica in der Zielkurve einen leichten Fahrfehler machte, bei dem mindestens jene 0,122 Sekunden verloren gegangen sind, die er für den Aufstieg ins Pole-Position-Finale benötigt hätte. Damit verpasste Kubica im letzten Qualifying der Saison erstmalig die Top 10.
São-Paulo-Sensationsmann Nico Hülkenberg (Williams) konnte diesmal nicht überzeugen und wurde 15., Adrian Sutil immerhin 13.: "Ich bin zufrieden", bilanziert der Force-India-Pilot. "Es war eine sehr gute Runde, mehr war im Auto nicht drin. Platz 13 ist nicht so schlecht, nahe an den Top 10. Wir müssen morgen punkten, es ist wegen Platz sechs in der Team-WM gegen Williams ein wichtiges Rennen für das Team. Chancen sind immer da."
Buemi schon in Q1 ausgeschieden
Den Kampf gegen den 18. Platz, der neben den drei neuen Teams das K.O. in Q1 bedeutet, trugen heute die beiden Toro-Rosso-Youngsters aus. Das bessere Ende hatte Jaime Alguersuari für sich, der sich im Gegensatz zum unglücklichen Schweizer Sébastien Buemi auch im letzten Run noch steigern konnte. Dahinter kam es zu einem Paarlauf von Lotus, Virgin und HRT, wobei Timo Glock sein Stallduell im Gegensatz zu Christian Klien gewann.
Für das Rennen könnte die Ausgangslage kaum spannender sein, denn Alonso ist natürlich der theoretische Favorit, hat aber auch am meisten zu verlieren, was für Polesetter Vettel sprechen könnte, mit dem vor diesem Wochenende kaum noch jemand gerechnet hatte. Der große Verlierer des heutigen Tages ist zweifellos Webber - auch, weil eine Stallorder bei Red Bull, die er bisher stets gefordert hat, bei diesem Stand gar nicht möglich wäre.
Somit drückt Formel-1-Deutschland morgen für Vettel die Daumen, der sich kämpferisch gibt: "Ich mag diese Strecke, schon im Vorjahr hatten wir hier ein schönes Rennen. Alles kann passieren, aber wir müssen Schritt für Schritt machen. Heute stehen wir einmal vor allen anderen. Egal was kommt, wir haben nichts zu verlieren. Ich freue mich aufs Rennen und mache mir jetzt noch keine zu großen Gedanken", gibt er sich locker.