Neue Strecke wirft viele Herausforderungen auf
Weiße Sperrlinien, die keine mehr sind, verbesserte Randsteine, Staub und Co.: Der Südkorea-Grand-Prix bringt einige Tücken mit sich
(Motorsport-Total.com) - Auf die 24 Fahrer und zwölf Teams wartet morgen in Yeongam möglicherweise einer der schwierigsten Grands Prix des Jahres. Das liegt einerseits an der Wetterprognose - zumindest der Start könnte auf feuchter Fahrbahn über die Bühne gehen -, andererseits aber auch an einigen Unbekannten und Tücken, die den 5,621 Kilometer langen Korea International Circuit unberechenbar machen.
Zunächst mal ist da die umstrittene Boxeneinfahrt: "Das ist für mich ein unnötig gefährlicher Punkt. Wenn da mal nicht zwei kollidieren - ich habe kein gutes Gefühl", meldete 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer schon nach dem Training am Freitag Bedenken an. Die Fahrer besprachen das Thema dann im FIA-Briefing mit Charlie Whiting und kamen zu dem Schluss, dass die Passage für nächstes Jahr unbedingt geändert werden muss.
Weiße Linie keine Sperrlinie mehr
Für das morgige Rennen wurde der Kompromiss gefunden, dass derjenige, der an die Box abbiegen möchte, die weißen Linien ignorieren darf. Das erlaubt eine schnellere Boxeneinfahrt und mindert das Risiko, weil der Geschwindigkeitsunterschied zwischen dem an die Box kommenden Vorder- und dem draußen bleibenden Hintermann nicht mehr so groß ist. Dennoch bleibt die zwischen zwei Betonmauern eingepferchte Stelle gefährlich.
"Die Boxeneinfahrt ist eine ziemliche Herausforderung und die schwierigste Kurve auf dieser Strecke", scherzt zum Beispiel Robert Kubica. Felipe Massa findet die Boxeneinfahrt durch die Erlaubnis, die weiße Linie zu überqueren, "viel besser", denn: "Wir können nun fast mit Vollgas abbiegen." Und auch Jenson Button glaubt: "Das ist das Bestmögliche, was wir im Moment aus dieser Situation machen können. Schön, dass sich Charlie unsere Kommentare angehört hat."
"Wir dürfen die weiße Linie bei der Boxeneinfahrt nun überqueren, was großartig ist", lobt der McLaren-Pilot die Kompromissbereitschaft der Rennleitung. "Das hilft der Einfahrtsgeschwindigkeit, was bedeutet, dass du weiter neben der Ideallinie bist, wenn du vom Gas gehst. Wenn du also ein Auto dicht hinter dir hast, dann ist es weniger gefährlich." Zu haarigen Szenen wie während des Freitagstrainings kam es heute zumindest nicht mehr.
Aber auch die Boxenausfahrt ist nicht ganz astrein: "Die Autos, die gerade aus der ersten Kurve kommen, hast du im toten Winkel", kritisiert Lewis Hamilton. "Beim Rausfahren musst du jedes Mal genau schauen, ob irgendjemand dort ist, und du musst sofort auf die Ideallinie wechseln. Ich bin schon gespannt darauf, wie das im Rennen gehandhabt wird. Du musst es einfach machen und auf das Beste hoffen, würde ich sagen!"
Fahrer loben die Modifikationen
Lob erhielten die Streckenverantwortlichen für die Modifikationen der Kurven 16 (Randstein abgeflacht) und 18 (zusätzlicher Betonstreifen innen eingezogen), die über Nacht durchgeführt wurden: "In Kurve 16 ist die Strecke ein bisschen optimiert worden", zeigt sich Ferrari-Pilot Massa zufrieden. "Vorher fuhr man über den Curb und in ein Schlagloch hinein, jetzt ist das nicht mehr möglich. Es ist nun besser gelöst."
Kubica hält dagegen: "Diese Ecke hat nun einen anderen Randstein und ist daher anders zu fahren. Ganz ehrlich: Es macht keinen großen Unterschied." Sebastian Vettel sieht das anders als der Pole: "Gestern hielt ich von einer Änderung in Kurve 16 nichts, aber damit lag ich falsch. Sie ist nun etwas schwieriger, aber es ist ja unsere Aufgabe, das Beste daraus zu machen. Sicherer für die Autos ist es jetzt allemal, denn man trifft den Randstein nun weniger hart."
"Kurve 18", spricht Kubica auch die zweite Änderung an, "ist nun etwas besser, denn jetzt wird nicht mehr so viel Staub auf die Strecke geschleudert." Dafür hat er andere Kritikpunkte: "Ein paar Curbs fehlen in meinen Augen, zum Beispiel in den Kurven 13 und 14 am jeweiligen Ausgang. Keine Ahnung, warum dort keine Randsteine angebracht sind. Ich gehe aber davon aus, dass für 2011 einige Modifikationen vorgenommen werden."
Gripverhältnisse verändern sich laufend
Ein weiteres Kriterium sind die ständigen wechselnden Gripverhältnisse auf dem brandneuen Asphalt. Von Freitag auf Samstag wurde mit Kehrmaschinen gearbeitet, von heute auf morgen könnte der Regen den gleichen Effekt haben - nämlich ein Wegwaschen des bisher gelegten Gummiabriebs. Das würde bedeuten, dass beim Legen von Grip wieder von vorne begonnen werden muss. Von Anfang bis Ende der Session machte das noch heute drei bis vier Sekunden Unterschied aus!
"Wir mögen diese Strecke sehr", erklärt Mercedes-Teamchef Ross Brawn. "Sie ist sehr herausfordernd und variantenreich. Ich glaube, dass wir morgen viele Überholmanöver sehen werden. Bevor wir hier angekommen sind, kannte niemand das Gripniveau, das sehr rasch nach unten gehen kann. Wenn nur ein bisschen Staub liegt, ist es sofort rutschig, weil die Fahrbahn noch so glatt ist. Sollte es morgen regnen, wird es besonders interessant."
Nico Rosberg, Fünfter der Startaufstellung, befürchtet vor allem im ersten Stint mit den weichen Reifen ein ähnliches Chaos wie in Montréal, wo die Bridgestones teilweise schon nach wenigen Runden hinüber waren: "Das ist wahrscheinlich. Vor allem könnte es über Nacht regnen, was den Gummi wegwaschen und die Situation noch schlimmer machen würde", vermutet der Deutsche. "Ich glaube daher, dass es ein interessantes Rennen wird."
Bridgestone hat die Teams jedenfalls auf Graining und einen hohen Reifenverschleiß vorbereitet. Die Fahrer selbst rechnen indes damit, dass die ungeraden Startpositionen wegen der sauberen Seite auf den ersten Metern klar im Vorteil sein werden. Kubica glaubt, dass dieser Vorteil bis zu drei Positionen wert sein kann. Somit ist Platz elf wie eine kleine Pole-Position: Nico Hülkenberg steht auf der besseren Seite und hat noch dazu freie Reifenwahl.
Wie groß sind die Unterschiede am Start?
"Ich habe einen Start auf der linken Seite geübt. Nicht im ersten Moment, aber im zweiten, wenn es in den zweiten Gang geht, hast du dort auf jeden Fall ein bisschen mehr Probleme mit Wheelspin, weil es dort einfach so staubig ist", stimmt der Williams-Pilot Kubicas Theorie zu. "Ob es wirklich drei Plätze abmacht, muss man abwarten. Auf den meisten Strecken halte ich solches Gerede für Bullshit und Aufpusherei, aber hier ist wirklich was dran."
Staub könnte auch während des Rennens ein Thema sein, denn vor der ersten, dritten und vierten Kurve gibt es zumindest drei gute Überholstellen, aber um diese zu nutzen, muss der Überholende von der Ideallinie ausscheren. Da der Asphalt noch brandneu ist, bedeutet das jedes Mal einen enormen Gripverlust. Doch Button, der morgen gerne einige Gegner überholen würde, beruhigt: "Ich glaube nicht, dass das so übel wird."
"Ich habe ein paar Mal probiert, vor den Haarnadeln jemanden auszubremsen, und ich fand es halb so schlimm", berichtet der amtierende Weltmeister. "Die erste Runde wird schwierig, denn da rast dann ein Haufen Benzin auf die dritte Kurve zu! Auf so einer langen Geraden ist der Windschatten enorm und das Bremsen für die dritte Kurve könnte schwieriger werden als bei Kurve eins nach dem Start. Das wird lustig - ich freue mich darauf!"