Stallorder in Hockenheim: Alonso vor Massa!
Ferrari entscheidet: Alonso darf gewinnen, Massa nur Zweiter werden - Sebastian Vettel vor den beiden McLaren-Piloten auf Platz drei
(Motorsport-Total.com) - Ferrari feierte heute in Hockenheim den ersten Doppelsieg seit dem Saisonauftakt in Manama, doch dem zweiten Saisonerfolg heftet ein riesiger Schatten an. Denn genau wie in Spielberg 2002 ("Let Michael pass for the Championship!") entschied eine offensichtliche Stallorder über den Ausgang des Grand Prix von Deutschland.
In der 48. Runde funkte Renningenieur Rob Smedley ins Cockpit von Felipe Massa: "Fernando ist schneller als du. Kannst du bestätigen, dass du diese Botschaft verstanden hast?" Nur eine Runde später der Führungswechsel: Massa ging ausgangs der Haarnadelkurve demonstrativ vom Gas und ließ seinen Teamkollegen überholen! Dass das keine freiwillige Aktion war, beweist der Boxenfunk, denn Smedley meldete sich nach Vollzug noch einmal bei seinem Schützling: "Sorry, Felipe!"
Ferrari: Von Anfang an Spannungen
Begonnen hatte das heiße Duell der beiden Ferrari-Piloten bereits am Start: Polesetter Sebastian Vettel (Red Bull) kam schlecht weg, zog nach innen, um sich gegen Fernando Alonso zu verteidigen - aber außen nützte Massa seelenruhig den freien Raum, um vom dritten Platz aus in Führung zu gehen! Der Brasilianer musste zwar in der Nordkurve über die Curbs hinausfahren, war aber nach der ersten Kurve sicher vor Alonso und Vettel Erster.
Ferrari lieferte von da an eine dominante Vorstellung ab, doch Alonso wirkte über weite Strecken etwas schneller. In der 21. Runde nahm das Duell dann Brisanz auf: Alonso nutzte die Gunst einer Überrundung, setzte sich neben seinen Teamkollegen und hatte die Nase schon vorne, doch Massa bremste spät und verteidigte die Führung. Alonso ließ das nicht auf sich sitzen und schrie seinem Renningenieur Andrea Stella ins Ohr: "Das ist doch lächerlich!"
Der Spanier ließ sich demonstrativ zurückfallen und hatte schon fast vier Sekunden Rückstand - offensichtlich mit Wut im Bauch. Aber plötzlich drehte er wieder auf und holte Massa ein. Dann die Ereignisse in der 49. Runde. "Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ausgangs Kurve sechs war Felipe langsam", wäscht Alonso seine Hände in Unschuld. "Du musst jede Gelegenheit nutzen, die sich dir bietet, denn man kann hier nur schwer überholen."
Massa natürlich stinksauer
Pressekonferenz nach dem Rennen, Frage an Massa: Findest du, dass du den Sieg verdient gehabt hättest? "Ich denke schon", antwortet er mit säuerlicher Miene. "Mein Start war fantastisch und die Pace auf weichen Reifen auch. Mit den harten hatte ich leichte Probleme, aber es war ein sehr gutes Rennen für uns." Und was war das für ein Manöver? "Ich glaube nicht, dass ich dazu etwas sagen muss", knurrt er. "Wir arbeiten für das Team und wir machen einen sehr guten Job."
Für Smedley ist klar, dass es keine Strafe geben wird, denn: "Fernando war schneller und Felipe hat nach der Haarnadel auch noch einen Fehler gemacht. Wir lagen vorne und hatten sechs Sekunden Vorsprung auf Sebastian", erläutert er mit einem gequält wirkenden Lächeln im Gesicht. "Da kann man doch nicht über Teamorder sprechen! Fernando war schneller und er ist dann vorbeigekommen. Er hat es normal gewonnen. Es war keine Stallorder."
Alonso ließ sich die Butter von jenem Zeitpunkt an nicht mehr vom Brot nehmen, gewann nach 67 Runden mit 4,1 Sekunden Vorsprung. Massa musste sich in den letzten Runden noch gegen den von hinten drückenden Vettel verteidigen, behielt aber kühlen Kopf und kam 0,9 Sekunden vor dem Lokalmatador über die Ziellinie. Der hatte heute keine Chance gegen Ferrari, drehte aber ganz zum Schluss noch die schnellste Runde im Rennen.
Start: Entscheidung gegen Vettel
"Normalerweise sind unsere Starts sehr gut. Ich bin mir nicht sicher, was heute los war, aber die ersten fünf bis zehn Meter waren sehr schlecht - da hätte ich den Motor fast abgewürgt", erklärt Vettel, wo er die Chance auf den Sieg im Heimrennen vergeben hat. "Dann war ich Seite an Seite mit Fernando. Dass Felipe links vorbeikam, hat mich überrascht. Die Ferraris waren heute einfach um das Zehntel schneller."
Hinter den Top 3 war Hockenheim 2010 nicht allzu aufregend. Lewis Hamilton (McLaren) ging bereits in der ersten Runde dank des besseren Topspeeds an Mark Webber (Red Bull) vorbei, dahinter reihte sich zunächst Jenson Button (McLaren) ein. Auch Michael Schumacher (Mercedes) machte Positionen gut und war vor Stallgefährte Nico Rosberg Achter, während beide Williams-Piloten aus den Punkterängen zurückfielen.
In der zwölften Runde kam Vettel an die Box, in der 13. Alonso und Webber, in der 14. Massa und Hamilton. Verschiebungen ergaben sich dadurch zunächst nicht, aber Button kam erst im 22. Umlauf zum Reifenwechsel und war bis dahin phasenweise der schnellste Mann auf der Strecke. Dadurch ging er durch die Strategie an Webber vorbei - und beinahe wäre er sogar Hamilton gefährlich geworden, der gegen Rennmitte übrigens kurzzeitig Benzin sparen musste.
Webber mit Ölproblemen im Ziel
Hamilton und Button liefen mit knapp einer halben Minute Rückstand auf den Plätzen vier und fünf ein, gefolgt von Webber. Der erhielt in der 44. Runde einen Funkspruch von seinem Renningenieur Ciaran Pilbeam: "Das Problem ist der höhe Ölverbrauch. Hartes und spätes Bremsen hilft!" Der Australier rettete sich aber ins Ziel, deutlich vor Robert Kubica (Renault) und Rosberg. Letzterer kam durch einen langen ersten Stint an Schumacher vorbei.
Schumacher war als Neunter alles andere als glücklich: "Es war leider Platz neun, aber es hätte Platz sieben sein können", seufzt der siebenfache Weltmeister und ärgert sich: "Wir waren leider früh unterwegs mit dem Boxenstopp. Wir haben auf Umstände reagiert, aber im Nachhinein wäre es wohl klüger gewesen, noch ein bisschen draußen zu bleiben. Aber ob Siebter oder Neunter, das macht für mich nicht den großen Unterschied."
Der 41-Jährige war vom eigentlich erhofften Podestplatz meilenweit entfernt, aber stets nahe an seinem Teamkollegen dran: Bereits gestern verlor er das Stallduell nur um acht Tausendstelsekunden, heute gaben die Strategie und 3,1 Sekunden Rückstand auf der Ziellinie den Ausschlag. Auf Vitaly Petrov (Renault) hatte Schumacher nach hinten 4,3 Sekunden Puffer. Elfter wurde Kamui Kobayashi (Sauber).
Keine Punkte für Williams
Das Sauber-Team hatte Pedro de la Rosa lange an siebter Stelle im Rennen, lag aber trotzdem nie auf Punktekurs, denn der Spanier wurde nur nach vorne gespült, weil er den Boxenstopp lange hinauszögerte. Seine beste Leistung waren zwei Überholmanöver gegen den jungen Deutschen Nico Hülkenberg (Williams/13.), der seinerseits 0,6 Sekunden hinter Teamkollege Rubens Barrichello abgewunken wurde.
Insgesamt sahen 19 von 24 gestarteten Autos die Zielflagge. Für Toro Rosso war das Rennen schon am Start vorbei, als Jaime Alguersuari (15.) Sébastien Buemi beim Anbremsen der Haarnadelkurve anschob und den Heckflügel wegrasierte. Auch Adrian Sutil (Force India) erlebte einen katastrophalen Nachmittag mit drei Boxenstopps und zwei Runden Rückstand - Platz 17. Timo Glock (Virgin) wurde als schlechtester Deutscher 18.
In der Fahrer-WM führt Hamilton (157) nach elf von 19 Rennen mit 14 Punkten Vorsprung auf Button. Ebenfalls noch Titelchancen haben Webber, Vettel (je 136) und Alonso (123); Schumacher (38) ist Neunter. Bei den Konstrukteuren führt weiterhin McLaren (300) vor Red Bull (272), Ferrari (208) und Mercedes (132). Weiter geht es schon in einer Woche mit dem Grand Prix von Ungarn auf dem Hungaroring in Budapest.