• 10. Juli 2010 · 21:26 Uhr

Mercedes wieder auf Normalniveau

Teamchef Ross Brawn, Sportdirektor Norbert Haug und die beiden Fahrer analysieren den aktuellen Zustand des Mercedes-Werksteams

(Motorsport-Total.com) - Nach dem katastrophalen Rennwochenende in Valencia, wo Mercedes trotz der Einführung des auspuffangeströmten Diffusors keines der beiden Autos ins Top-10-Qualifying brachte, kehrte heute in Silverstone wieder der Normalzustand ein. Dieser ist im Moment: Nico Rosberg auf dem fünften, Michael Schumacher auf dem zehnten Startplatz.

Foto zur News: Mercedes wieder auf Normalniveau

Nach der Bankrotterklärung von Valencia ist Mercedes wieder konkurrenzfähig Zoom Download

"In Valencia haben wir mit dem Auto Fehler gemacht, die wir hier nicht gemacht haben, daher ist unsere Leistung hier wieder normal", erklärt Schumacher. Vor zwei Wochen war Mercedes nämlich so sehr damit beschäftigt, auf Biegen und Brechen das neueste Update einzuführen, dass ganz darauf "vergessen" wurde, das Setup optimal einzustellen. Aufgrund von Problemen wurde am Freitag sogar auf den üblichen Run mit Rennbenzinmenge verzichtet.

"In Valencia", bestätigt Teamchef Ross Brawn, "haben wir insofern die Kontrolle verloren, als wir nicht das Beste aus unseren Möglichkeiten gemacht haben. Wir konnten uns nicht auf die Grundlagen konzentrieren, aber die Grundlagen machen halt gleich ein paar Zehntel aus. Also haben wir beschlossen, dieses Wochenende als Konsolidierung zu sehen. Denn dass es nicht einfach ist, so ein Konzept einzuführen, haben wir gestern an McLaren gesehen."

Konsolidierung statt neuer Teile

Soll heißen: Brawn verzichtete darauf, zum Heimrennen in der Nähe der Fabrik in Brackley weitere Neuerungen einzuführen, sondern verschob diese auf Hockenheim. Stattdessen wies er seine Techniker an, sich voll und ganz darauf zu konzentrieren, das Maximum aus dem gegebenen Paket herauszuholen, um endlich einmal die aktuelle Spezifikation richtig zu verstehen, ehe überhastet die nächste eingeführt wird.

Das scheint aufzugehen: "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen, aber zumindest wieder weiter vorne, auch recht nahe an McLaren und Ferrari dran", gibt Rosberg, deutlich zufriedener als zuletzt in Valencia, zu Protokoll. "Das beweist, dass es keine heiße Luft war, als wir gesagt haben, dass in Valencia einfach etwas schiefgelaufen ist. Daher blicke ich den nächsten Rennen optimistisch entgegen, denn wir haben weitere Neuerungen in der Pipeline."

Auch Mercedes-Sportchef Norbert Haug wertet das Qualifying in Silverstone als Fortschritt: "Nico ist zwei Zehntel weg vom besten Ferrari und ein Zehntel weg vom besten McLaren. McLaren ist weltmeisterambitioniert und führt beide WM-Wertungen an. Ich denke, da kann man schon von einem Sprung sprechen. Deshalb sind wir noch lange nicht an unserem Ziel, aber es geht in die richtige Richtung. Das haben wir zuletzt in Valencia nicht umgesetzt, aber hier geht es in die Richtung."

Interessanterweise gelang es Mercedes bisher an diesem Wochenende sogar, die Reifen optimal zu nutzen, was bisher eine der großen Schwächen war. Doch das könnte auch Zufall gewesen sein: "Wir haben nicht viel geändert. Es liegt wohl an der Strecke und an den Reifen, die für hier ausgewählt wurden", gibt Brawn zu und ergänzt, dass die Fahrer gegenseitig Einsicht in ihre Daten hatten, um auch auf dieser Ebene Fortschritte zu machen.

"In Kanada", erinnert sich der Brite, "waren wir phasenweise das schnellste Auto im Rennen, also können wir nicht meilenweit weg sein. Aber es ist derzeit so umkämpft, dass du gleich weg vom Fenster bist, wenn du einmal ein schlechtes Wochenende hast." Für solche schlechte Wochenenden nimmt er aber keineswegs seine Mitarbeiter in die Kritik, sondern vor allem sich selbst - Brawn spricht stets in der Ich-Form, wenn er etwas zu bemängeln hat.

Chefetage durchaus selbstkritisch

"Norbert und ich tragen die Verantwortung für das Team", stellt er klar. "Wenn es nicht richtig funktioniert, dann denken wir darüber nach, wie wir es besser machen können. Valencia war einfach sehr schlecht. Die Jungs in der Garage haben einen guten Job gemacht und das Auto an sich war nicht so schlecht, aber wir wollten einfach zu viel in zu kurzer Zeit erledigen und haben dabei ganz auf die Grundlagen vergessen."

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Teamchef Ross Brawn nimmt sich durchaus auch selbst in die Verantwortung Zoom Download

Haug gibt sich indes optimistisch, was die langfristige Perspektive des Silberpfeil-Werksteams in der Formel 1 angeht: "Wir werden sicherlich bald mitmischen. Das dauert eine Weile - vielleicht bis nächstes Jahr -, aber wir haben uns immer gesteigert und wissen, wie das war, als McLaren mit uns und Lewis Hamilton hier im Vorjahr auf dem 18. Platz war. Jetzt führt er die WM an", verweist der Deutsche auf die Aufholjagd des ehemaligen Partners.

Dass heute in Silverstone noch eine Sekunde auf die absolute Spitze gefehlt hat, ist ihm klar, aber die absolute Spitze ist derzeit nicht wirklich repräsentativ, denn: "Red Bull ist eine eigene Liga, die werden ihr eigenes Rennen fahren und sind unter normalen Umständen ganz sicher nicht zu schlagen. Wir müssen uns an den Verfolgern orientieren. Da fehlt keine Ewigkeit", spricht Haug die Tatsache an, je einen Ferrari und einen McLaren geschlagen zu haben.

Über das von Rosberg erhoffte Podium oder gar den WM-Titel solle man sich jedoch "keine Gedanken machen", betont der Sportchef: "Wir wollen immer das beste Ergebnis erzielen - das haben wir die letzten zwei Rennen nicht gemacht, aber hoffentlich schaffen wir es morgen. Dann zählt man die Punkte zusammen und sieht, wo man steht", kramt er eine der Standardantworten aus seinem wortgewandten Repertoire hervor.

"Wir werden noch Weltmeisterschaften gewinnen", kündigt Haug an. "Das haben wir schon, mit unserem Partner McLaren, und wir werden es auch mit dem eigenen Team schaffen. Unsere Startbasis war nicht gerade die beste, aber die Moral ist gut, der Zusammenhalt ist gut und unser Haus steht dazu. Wenn man zwei Zehntel hinter Ferrari und ein Zehntel hinter McLaren ist, muss man sich nicht gerade verstecken, man darf aber auch nicht zufrieden sein. Das sind wir nicht."

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