Red Bull feiert Doppelsieg in Monte Carlo!
Mark Webber gewinnt den Klassiker mit vier Safety-Car-Phasen vor Sebastian Vettel und Robert Kubica - Diskussionen um Michael Schumacher
(Motorsport-Total.com) - Der 3,340 Kilometer lange Stadtkurs in Monte Carlo ist die Strecke im Formel-1-Kalender, auf der man am schwierigsten überholen kann, aber dennoch fabriziert der Grand Prix von Monaco immer wieder faszinierende Autorennen. So auch heute in der 68. Auflage, auch wenn es am Ende einen verdienten und recht souveränen Doppelsieg für Red Bull gab.
Mark Webber, schon vor einer Woche in Barcelona eine Klasse für sich, fuhr auch im Fürstentum außer Konkurrenz und ließ sich nicht einmal von vier Safety-Car-Phasen, durch die sein Vorsprung immer wieder zunichte gemacht wurde, irritieren. Nach 78 Runden oder einer Rennzeit von 1:50.13 Stunden triumphierte er vor seinem Teamkollegen Sebastian Vettel und Robert Kubica (Renault) - als erster Australier seit Jack Brabham im Jahr 1959!
Sternstunde für Webber
"Das ist der größte Tag meines Lebens! Hier zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes", jubelt Webber, derzeit Mann der Stunde in der Formel 1 und durch seinen zweiten Saisonsieg auch neuer Führender der Fahrer-WM. "Das Qualifying war toll, aber auf dieser Strecke zwei Stunden lang zu fahren, noch dazu mit so vielen Ereignissen und Restarts im Rennen, das war nicht einfach. Umso größer ist die Befriedigung jetzt."
Beendet wurde das Rennen nach einer riesigen Schrecksekunde hinter dem Safety-Car: Jarno Trulli (Lotus) setzte wenige Runden vor Schluss im Kampf um Platz 14 in der engen Rascasse-Kurve ein waghalsiges Manöver gegen Karun Chandhok (HRT), das nicht funktionierte. Trulli rutschte nach außen, hob ab und hätte beinahe den Kopf des Inders gestreift. Zum Glück überstanden beide die Situation unverletzt.
Auch begonnen hatte der Nachmittag mit einem haarigen Moment: Nico Hülkenberg (Williams) krachte nach einem miserablen Start und einem leichten Mauerkuss zu Beginn der Runde gleich bei der ersten Tunneldurchfahrt voll in die Leitplanken! "Alles okay, mir geht es gut", gab er wenig später Entwarnung. Weil im Tunnel kein Kran steht, mussten die Streckenposten das Wrack während der logischen Safety-Car-Phase von Hand an den Hafen schieben.
Guter Start der Red Bulls
In Führung lag Webber, der sich von der Pole-Position aus am Start keine Blöße gegeben hatte. Dahinter kam es aber zu Verschiebungen: Vettel kam gut von der Linie weg und quetschte sich an Kubica vorbei, Michael Schumacher schnappte sich Nico Rosberg (beide Mercedes) - und Rubens Barrichello (Williams), der Neunte des Qualifyings, überrumpelte sogar beide Silberpfeile, die in Sainte Dévote leicht nach außen getragen wurden.
Das zweite Opfer nach Hülkenberg war ausgerechnet WM-Leader Jenson Button. Die McLaren-Mechaniker hatten sich in der Startaufstellung einen peinlichen Fehler geleistet: "Sie haben ein Kühlgerät vergessen, das natürlich rausgenommen werden muss. Dadurch ist der Motor überhitzt", seufzt der Vorjahressieger. "Ohne Safety-Car hätte ich weiterfahren können, aber so ging es nicht, denn bei so langsamer Geschwindigkeit kriegst du nicht genug Fahrtwind ab."
Eine clevere Aktion startete noch in der ersten Runde Fernando Alonso, der aus der Boxengasse gestartet war: Der Ferrari-Pilot kam gleich bei der ersten Gelegenheit an die Box, um den Pflichtstopp zu absolvieren - und konnte dank des Safety-Cars rasch wieder zum Feld aufschließen. Nach dem Restart sorgte er dann auch für einige Überholmanöver, als er sich ausgangs des Tunnels Gegner um Gegner an den neuen Teams vorbeischob.
Boxenstopps schon ab der 17. Runde
In der 17. Runde - Webber hatte seinen Vorsprung an der Spitze schon auf sieben Sekunden ausgebaut - eröffnete Lewis Hamilton (McLaren) die Serie der Boxenstopps. Plötzlich dämmerte den Strategen im Fahrerlager, wie gut Alonso gepokert hatte, denn Hamilton kam nur wenige Sekunden vor dem Spanier auf die Strecke zurück! In den nächsten Runden absolvierte dann der Reihe nach auch der Rest den Reifenwechsel.
Mut zum Risiko bewies nur Rosberg, der bei freier Fahrt prompt die schnellste Runde fuhr und daher den geplanten Boxenstopp nach hinten schob. Die Taktik hätte aufgehen können, doch als Webber nach dessen Boxenstopp vor ihm auf die Strecke kam, verlor er wertvolle Sekunden. Unterm Strich blieb er dann doch hinter Schumacher. "Dieses Wochenende ist nicht ideal gelaufen", so der junge Deutsche. "Sonst hätte ich auch das schaffen können, was Kubica geschafft hat."
Großer Verlierer der Boxenstopps war Barrichello, der erst hinter Schumacher zurückfiel und dann mit einem Crash bei Massenet für die zweite Safety-Car-Phase sorgte. "Nach dem Boxenstopp fühlte sich die Lenkung taub an. Irgendwas hat nicht mehr gestimmt - und dann bin ich abgeflogen", erklärt der Routinier. Von außen sah es jedoch eher so aus, als sei links hinten die Radaufhängung kollabiert. Barrichello: "Das Team untersucht gerade, was passiert ist."
15,3 Sekunden Vorsprung dahin
Damit waren auf einen Schlag die 15,3 Sekunden Vorsprung von Spitzenreiter Webber beim Teufel, der jedoch durch nichts aus der Ruhe zu bringen war und sich sofort wieder absetzen konnte. Zehn Runden später dann schon die nächste Safety-Car-Phase, diesmal jedoch ohne Crash. Offenbar hatte sich im Bereich von Massenet ein Gullydeckel gelöst. Im Nachhinein fragt man sich, ob der Barrichello-Abflug dadurch entstanden sein könnte...
Von da an waren die vorderen Positionen bezogen, auch wenn Felipe Massa (Ferrari) an vierter Stelle liegend an der Hafenschikane einmal die Strecke abkürzen musste. Das blieb jedoch der einzige Fehler der Topfahrer. Richtig aufregend wurde es dafür noch einmal durch die Kollision zwischen Chandhok und Trulli, denn um ein Haar wären Webber und Vettel, die die beiden gerade überrunden wollten, ein Opfer des italienischen Übermuts geworden!
Schrecksekunde für Webber
"Das Team hat mir am Funk gesagt, dass Chandhok und Jarno vor mir sind", erinnert sich Webber. "Ich hatte da eh schon ein leicht mulmiges Gefühl, um ehrlich zu sein - und als sie kollidiert sind, dachte ich nur: 'Was zur Hölle macht Jarno da?' Aber hinter dem Safety-Car konnte ich das Rennen dann sicher ins Ziel fahren." Auch Vettel hatte Glück und rollte hinter dem Safety-Car und seinem Teamkollegen über die letzten Kilometer.
"Wir müssen uns anschauen, warum ich Marks Tempo nicht gehen konnte. Der Abstand war ziemlich groß", analysiert der Deutsche. "Mit mehr Grip auf der Strecke ging es dann besser, aber es hat keinen Sinn gemacht, etwas zu riskieren, denn überholen kann man hier sowieso nicht. Vielmehr musste ich ein bisschen nach hinten schauen, um Robert in Schach zu halten. Aber letztendlich ist der zweite Platz ein sehr gutes Ergebnis für die WM."
Für riesige Diskussionen sorgte in der Zielkurve aber ausgerechnet Schumacher: Der fünffache Monte-Carlo-Sieger wärmte intensiv die Reifen auf und überholte auf den letzten Metern noch den vor ihm liegenden Alonso, nachdem das Safety-Car für die Zieldurchfahrt an die Box abgebogen war. Legal oder illegal? "Das hätte er nicht dürfen", ist für Hamilton klar. "Mir hat mein Team jedenfalls gesagt, dass man nicht überholen darf."
Regeln eigentlich sonnenklar
Im Reglement heißt es: "Wenn das Rennen endet, während das Safety-Car angewendet wird, fährt es am Ende der letzten Runde an die Box und die Autos nehmen die Zielflagge ganz normal, ohne zu überholen." Wäre es nicht die letzte Runde gewesen, hätte man sicher überholen dürfen - dank der neuen Regel für diese Saison. Bis 2009 war ja nicht die erste Safety-Car-Linie, sondern die Ziellinie entscheidend. Logische Konsequenz: 20 Sekunden Strafe!
Schumacher hatte die Untersuchung der Rennleitung zunächst gelassen gesehen: "Mir wurde mitgeteilt, dass die Strecke frei ist. Insofern darf man ab der Safety-Car-Linie racen. Ich habe die Reifen auf Temperatur gebracht und gehofft, dass mir jemand die Chance gibt", sagt er. "Wir sind uns da einig. Jetzt müssen wir gucken, ob Damon Hill auch der Meinung ist." Ausgerechnet sein alter Erzrivale ist nämlich an diesem Wochenende vierter Rennkommissar...
Unabhängig davon fuhr Kubica seinen dritten Platz sicher nach Hause: "Ich stand auf der schmutzigen Seite der Startaufstellung. Normalerweise hätte ich die Position halten können, aber Mark kam nicht ideal weg. Also gab ich etwas zu viel Gas, sodass ich Wheelspin hatte. Dadurch ging Sebastian an mir vorbei", ärgert er sich über den Start. Danach lief es für ihn besser: "Vom Speed her wäre ich schneller gewesen als Sebastian, vor allem mit den harten Reifen."
Zwei Punkte für Sutil
Massa wurde Vierter, Hamilton Fünfter. Schumacher fuhr als Sechster vor Alonso über die Linie und wurde nachträglich auf Rang zwölf zurückgereiht. Die restlichen Punkteränge gingen an Rosberg, Adrian Sutil, Vitantonio Liuzzi (beide Force India) und Sébastien Buemi (Toro Rosso), der von der Entscheidung der Rennleitung profitierte. Sutil fuhr heute unauffällig, aber effektiv, und gewann das Duell gegen seinen Teamkollegen, der bis zum ersten Boxenstopp noch vor ihm gelegen war.
Tatsächlich abgewunken wurden nur zwölf der 24 gestarteten Autos, denn Vitaly Petrov stellte seinen Renault während der letzten Safety-Car-Phase noch an der Box ab, wurde aber ebenso gewertet wie Chandhok und Trulli. Bisher noch nicht erwähnt wurden die Ausfälle von Heikki Kovalainen (Lotus), Bruno Senna (HRT) sowie den beiden Sauber- und Virgin-Piloten. Bei Timo Glock schien eine Radaufhängung kaputt gegangen zu sein.
In der Fahrer-WM führt nun Webber vor Vettel (je 78 Punkte) - der Australier hat einen Sieg mehr auf dem Konto. Dahinter folgen Alonso (75), Button (70), Massa (61), Kubica, Hamilton (je 59) und Rosberg (56). Bei den Konstrukteuren hat nun ebenfalls Red Bull (156) die Nase vor Ferrari (136), McLaren (129) und Mercedes (78). Weiter geht's am letzten Mai-Wochenende mit dem Grand Prix der Türkei in Istanbul.