Webber zockt am besten: Pole im Regenchaos!
Mark Webber düpiert in Sepang mit Intermediates die Konkurrenz - Vier Deutsche unter den besten Fünf - Michael Schumacher auf Platz acht
(Motorsport-Total.com) - Drei Trainings lang war es wider Erwarten trocken, doch rechtzeitig zur ersten sportlichen Entscheidung des Wochenendes begann es heute Nachmittag in Sepang zu regnen. Dementsprechend chaotisch und turbulent, aber auch dramatisch spannend verlief das Qualifying zum Grand Prix von Malaysia. Am besten kam damit Mark Webber (Red Bull) zurecht.
Zunächst musste das entscheidende dritte Qualifying nach zwei Minuten und 43 Sekunden wegen zu starken Regens unterbrochen werden - eine Sicherheitsentscheidung von FIA-Rennleiter Charlie Whiting, die als richtig empfunden wurde: "Es war unfahrbar, das war die beste Entscheidung", findet Mercedes-Testpilot Nick Heidfeld. "Unsere Fahrer haben am Funk gesagt, dass sie nicht einmal auf der Geraden voll fahren konnten, weil sie sonst Aquaplaning gehabt hätten."
Mutige Entscheidung von Webber
Nach ein paar Minuten wurden die zehn Finalisten aber wieder auf die Strecke gelassen - und Webber ging das Risiko ein, auf Intermediates zu setzen: "Es war schwierig, denn in manchen Kurven stand das Wasser", grinst der Australier und gibt zu: "Die Pole habe ich meinem Auto und meinem Renningenieur zu verdanken, der die Idee hatte, mit Intermediates zu fahren. Ich dachte kurz darüber nach und willigte dann ein - und es ist voll aufgegangen!"
Webber übernahm schon mit seiner vorletzten Runde die Führung, nachdem zuvor Adrian Sutil (Force India) voran gelegen war, und steigerte sich im Finish sensationell auf 1:49.327 Minuten! Damit sicherte er sich überlegen die Pole-Position, 1,346 Sekunden vor Nico Rosberg. Der Mercedes-Pilot kann damit gut leben: "Die Runde in Q3 war meine beste des ganzen Tages. Ich stehe das erste Mal in der ersten Startreihe - das ist sehr schön. Mein Auto lag gut und ich bin sehr zufrieden."
Glücklich darf auch Sebastian Vettel sein, obwohl er das Stallduell gegen Webber verloren geben musste. Doch während seine WM-Konkurrenten teilweise schon früh ausgeschieden sind, ließ sich der Deutsche auf keine Spielchen ein und schaffte sicher den Einzug ins dritte Qualifying, wo er den guten dritten Platz belegte. "Damit bin ich sehr zufrieden", so Vettel, der 2010 erstmals nicht auf Pole-Position steht. "Es hätte auch ganz anders ausgehen können."
Vettel erstmals in dieser Saison geschlagen
"Mark hat einen guten Job gemacht - er ist ein Pokerface! Es war eine sehr schwierige Entscheidung, denn zu Beginn von Q3 stand unheimlich viel Wasser auf der Strecke. Das Wasser ist dann aber schneller abgelaufen, als wir dachten, dadurch hatte Mark dann mit seinen Intermediates die schnellsten Reifen", gratuliert der zweitbeste von insgesamt fünf Deutschen im Top-10-Finale (!) seinem Teamkollegen.
Dabei hatte sich Webber zuvor eher schlecht als recht durch Q1 und Q2 gearbeitet, genau wie Michael Schumacher (Mercedes), der im zweiten Qualifying als Zehnter das Glück hatte, dass die Strecke am Ende im dritten Sektor keine Verbesserungen mehr zuließ. Aber solches Glück oder Pech hatten heute viele - es ging im Endeffekt vor allem darum, im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen und keine Fehler zu machen.
Das kann Ferrari nicht von sich behaupten: "Unter diesen Bedingungen ist es wichtig, das Timing der Runs richtig zu planen", ließ das Team bei einsetzendem Regen zu Beginn ausrichten - und verlor dann erstmals in der Geschichte beide Autos schon im ersten Abschnitt: Fernando Alonso 19., Felipe Massa 21.! "Wir haben einen Fehler gemacht, zu lange an der Garage gewartet, und mussten dafür bezahlen", gesteht die Truppe aus Maranello zähneknirschend ein.
"Wir haben gehofft, dass der Regen nachlässt, aber stattdessen wurde er noch stärker", seufzt Massa, während Alonso sagt: "Zum Glück ist das Rennen erst morgen, das Ergebnis heute zählt nicht. Im Rennen will ich trotzdem auf das Podium!" Aber was war geschehen? Die kleinen Teams gingen bei nassen Bedingungen in Q1 sofort mit Intermediates auf die Strecke - und waren die großen Profiteure, als der Regen immer stärker wurde!
Scharfe Kritik an Ferrari und McLaren
"Für diese Strategie von Ferrari und McLaren gibt es keine Entschuldigung. Bei solchen Bedingungen musst du erstmal eine Sicherheitsrunde fahren", wundert sich Ex-Formel-1-Teamchef Eddie Jordan, und auch Heidfeld kritisiert die Topteams: "Man hat in so einer Situation fast nichts zu gewinnen, aber sehr viel zu verlieren, wenn man an der Box bleibt. Für mich nicht nachvollziehbar, weil so ein Fehler ja nicht zum ersten Mal gemacht wird."
Logische Konsequenz: Ferrari schaffte auf der Strecke keine entscheidende Verbesserung mehr, Lewis Hamilton (McLaren) schied ebenso aus - und es ist fast eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Jenson Button, der den Cut geschafft hätte, im Kiesbett stecken blieb! "Ich hatte Aquaplaning an der Hinterachse", seufzt der Melbourne-Sieger und gesteht: "Wir haben die Wetterprognose falsch gelesen und die falsche Entscheidung getroffen."
Neben den Ferrari-Stars und Hamilton erwischte es in der Q1-Lotterie auch Jarno Trulli (Lotus), das HRT-Duo Karun Chandhok und Bruno Senna sowie Lucas di Grassi (Virgin), der erst spät auf die Strecke gehen konnte, weil an seinem Auto noch lange geschraubt wurde. Heikki Kovalainen (15./Lotus) und Timo Glock (16./Virgin) schafften hingegen erstmals den Aufstieg in den zweiten Abschnitt und sorgten damit für eine kleine Sternstunde.
Gerangel an der Boxenausfahrt
In Q2 blieben die großen Überraschungen dann aus, obwohl die Streckenbedingungen weiter wechselhaft waren, aber Q3 entwickelte sich mit dem frühen Abbruch zu einem echten Thriller. Wie stark der Regen war, zeigte sich daran, dass die Fahrer sogar schon am Boxenausgang darum fighteten, als Erster auf die Strecke gehen zu können, um anschließend gute Sicht zu haben - ein Pokerspiel, das Robert Kubica (Renault) und Vitantonio Liuzzi (Force India) gut beherrschten.
Liuzzi lag dann in der letzten Phase vor seinem Teamkollegen Adrian Sutil an der Spitze des Feldes, kam aber nicht über Rang zehn hinaus. Sutil machte seinen Job in Liuzzis Gischt besser und wurde Vierter - nur zwei Zehntelsekunden hinter der ersten Startreihe! "Das war mein Wetter", jubelt der Regenspezialist. "Ich fühle mich im Regen wohl und es hat super geklappt. Das Team hat einen tollen Job gemacht und ich habe es auf der Strecke umgesetzt."
87 Tausendstelsekunden hinter Sutil belegte Nico Hülkenberg (Williams) sensationell den fünften Platz, womit er seinem Stallgefährten Rubens Barrichello (7.) erstmals einschenkte. Dementsprechend breit war das Grinsen im Gesicht des Formel-1-Rookies aus Emmerich: "Das war eine gute Performance. Heute hat alles geklappt und wir haben die richtigen Entscheidungen getroffen", freut sich Hülkenberg.
Schumacher nur fünftbester Deutscher
Somit war der einstige "Regengott" Schumacher als Achter vor Kamui Kobayashi (Sauber) der schlechteste Deutsche im Top-10-Finale. Das lag aber weniger an seinem fahrerischen Können, denn der 41-Jährige ließ mit starken Zeiten immer wieder seine Klasse aufblitzen, sondern vielmehr daran, dass er das Timing im Finish nicht hundertprozentig hinbekam. Dadurch verlor er auch zum dritten Mal en suite das Stallduell gegen Rosberg.
"Natürlich bin ich ein bisschen enttäuscht", gibt Schumacher zu, "weil wesentlich mehr drin gewesen wäre. Ich hielt mich in der ersten Runde ein bisschen zurück, aber dann bauten die Reifen ab. Das weiß ich jetzt für morgen, aber für heute hilft es mir nichts mehr." Als Blamage empfindet er seine heutige Vorstellung aber keineswegs: "Ich muss mich nicht verstecken. Bis zu dem Zeitpunkt lief es ganz hervorragend."
Was diese Ausgangslage für das morgige Rennen zu bedeuten hat, ist völlig unklar, schließlich soll es auch am Sonntagnachmittag regnen - und dann darf man auch die WM-Mitfavoriten, die in der Startaufstellung weit hinten stehen, noch nicht abschreiben. Aber klar ist auch: Wenn die beiden Red Bulls von Webber und Vettel halten, haben sie im dritten Rennen wieder die vielleicht beste Chance von allen, als Sieger abgewunken zu werden...