Keine Lobby für Budgetindex: Wird das für Audi zum Verhängnis?
Weil das Lohnniveau in der Schweiz höher ist, wünscht sich Sauber eine höher angesetzte Budgetobergrenze, findet dafür aber keine Mehrheit
(Motorsport-Total.com) - 2026 greift in der Formel 1 ein neues Reglement mit neuen Rahmenbedingungen sowohl im Chassis- als auch im Antriebsbereich. Und auch das Finanzreglement der Königsklasse wird angepasst. Einer der Punkte, die aktuell noch verhandelt werden, ist eine Ausnahmeregelung für das Schweizer Sauber-Team, das ab 2026 als Audi-Werksteam an den Start gehen wird.
Sauber argumentiert so: In der Schweiz, wo das Chassisteam beheimatet ist, sind die Lohnkosten für Ingenieurinnen und Ingenieure viel höher als in Großbritannien, wo die Mehrheit der Formel-1-Teams sitzt. Ergo seien die Personalkosten in Hinwil viel höher als im Motorsportcluster rund um Silverstone, bei gleicher Produktivität.
Höhere Personalkosten bedeuten gleichzeitig, dass einem Schweizer Team weniger Geld für Forschung und Entwicklung übrigbleibt als einem britischen Rennstall. Daher wünschen sich Sauber und Audi, dass es für die Budgetgrenze in Zukunft eine Ausnahme gibt und das höhere Kostenniveau in der Schweiz in Form einer Indexierung berücksichtigt wird.
Ein Beispiel: Mercedes hat am Standort Brackley im Geschäftsjahr 2023 umgerechnet 152 Millionen Euro für die Gehälter von 1.289 Mitarbeitern ausgegeben (Vorstandsmitglieder eingerechnet). Der Durchschnittslohn in Großbritannien beträgt laut OECD 53.985 US-Dollar pro Jahr. Der durchschnittliche Schweizer hingegen verdient 72.993 Dollar - also um rund 35 Prozent mehr (Datenstand: 2022).
Dieser Logik nach würde Sauber in Hinwil bei gleichem Personalstand um rund 50 Millionen Euro pro Jahr mehr ausgeben müssen als Mercedes in Brackley, nur um mit gleichen Waffen kämpfen zu können. Weswegen die Schweizer dafür kämpfen, dass eine Ausnahmeregelung im Finanzreglement 2026 erlassen wird.
Keine Lobby für Sauber und Audi
Doch außerhalb der Schweiz gibt es für diesen Plan offenbar kaum Fürsprecher: "Wir hatten ja gerade ein Meeting der Formel-1-Kommission. Abgesehen von Sauber sind alle dagegen", berichtet Ayao Komatsu. Der japanische Chef des amerikanischen Haas-Teams hält fest: Eine Ausnahme sei "nicht beschlossen. Wir diskutieren noch drüber."
Er hält es für "gefährlich", dem Sauber-Team eine solche Ausnahmeregelung zu gewähren: "Warum sollte es für ein Team, das in der Schweiz sitzt, eine Ausnahme geben? Jedes Team kann selbst entscheiden, wo es sich ansiedelt. In Oxford sind die Gehälter auch ganz anders als in London. Also wo zieht man die Grenze?"
Komatsu kann nicht nachvollziehen, warum offenbar auch der Weltverband FIA "dafür pusht", wie er es bezeichnet: "Was ist eigentlich mit den Leuten in Italien, was ist mit Ferrari und RB? Wir haben auch einen Standort in Italien und einen in Großbritannien. Wo zieht man die Grenze?"
"Vor langer Zeit haben wir versucht, jemanden von Sauber abzuwerben. Aber derjenige liebte die Berge, also wollte er nicht nach England umziehen. Das alles spielt da mit rein. Ich halte es für sehr gefährlich, das eindimensional zu bewerten und zu sagen, nur weil ein Bier in der Schweiz teurer ist, machen wir eine Ausnahme. Es ist ja eine freie Entscheidung, wo sich ein Team ansiedelt."
Warum Audi die Ausnahme so dringend benötigt
Sollte die Ausnahmeregelung nicht kommen - und aktuell scheinen Sauber und Audi dafür keine Allianzen bilden zu können -, könnte das für die sportlichen Chancen des Projekts empfindliche Auswirkungen haben. Das wird spätestens anhand eines einfachen Rechenbeispiels jedem klar.
Angenommen, in Hinwil arbeiten 800 Mitarbeiter, von denen jeder durchschnittlich rund 135.000 Euro Jahresgehalt verdient. Würde man die gleichen Mitarbeiter in Brackley beschäftigen, würde man wahrscheinlich rund 25 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Ein signifikanter Unterschied - und Geld, das dann in der Entwicklung fehlt.
Im Paddock fragen sich angesichts der von Sauber angeschobenen Diskussion jetzt viele: Hätten Audi und der Volkswagen-Konzern das nicht eigentlich früher wissen sollen? Und: Warum wurde das Thema nicht längst besprochen und in den Gremien der Formel 1 geklärt, bevor sich Audi mit den Standorten in der Schweiz und in Deutschland committet hat?
Komatsu hält jedenfalls nichts davon, mit einer Ausnahmeregelung die Büchse der Pandora zu öffnen: "Je mehr du ins Detail gehst, desto mehr verzweigen sich die Details, und desto mehr Szenarien musst du letztendlich bedenken. Und dann wird es immer schwieriger. Was kommt nach dieser Ausnahme? Ich plädiere stark dafür, die Rahmenbedingungen simpel zu halten."
Schließlich, sagt er, habe auch noch kein Mensch darüber nachgedacht, eine Indexierung zwischen Großbritannien und Japan anzulegen, wo Honda bekanntlich den Antriebsstrang baut. Denn in Japan ist das durchschnittliche Lohnniveau laut OECD-Daten nochmal um gut 20 Prozent niedriger als in Großbritannien ...