FIA: Können Andretti-Cadillac gar nicht ablehnen, wenn sie Kriterien erfüllen
Liberty-Media-CEO Greg Maffei signalisiert in einem Podcast erstmals Bereitschaft, neue Teams in die Formel 1 aufzunehmen, trotz weiterhin bestehender Bedenken
(Motorsport-Total.com) - Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Formel 1 bald mehr als zehn Teams an den Start gehen werden, steigt. Denn nachdem die FIA bereits im Februar eine Ausschreibung für die zwei zusätzlichen Startplätze veröffentlicht hat, die das Reglement Stand heute hergibt, bekennt sich nun erstmals auch Rechteinhaber Liberty Media öffentlich dazu, neue Teams aufzunehmen.
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Liberty-CEO Greg Maffei mit Formel-1-CEO Stefano Domenicali in Monaco Zoom Download
"Ich denke, wenn die Rahmenbedingungen passen, würden wir daran arbeiten, ein elftes Team zu bekommen", sagt Liberty-Media-CEO Greg Maffei im Interview mit dem Finanzpodcast 'Walker & Dunlop'. Ein Novum. Bisher hatte es seitens des Rechteinhabers noch kein so klar ausgesprochenes Bekenntnis zu neuen Teams gegeben.
Und Maffei definiert auch gleich, was die richtigen Rahmenbedingungen wären: "Jemand, der viel Wert in den Sport mitbringt, auch für die Fans, wegen der technologischen Position, der Position als OEM (Original Engine Manufacturer; Anm. d. Red.), der Position im Marketing. Es muss eine Kombination all dieser Faktoren sein, dann könnte man sich eine Vereinbarung vorstellen."
Maffei stellt aber gleichzeitig klar, dass das mit den zehn bestehenden Teams "nicht ohne Kontroverse" ablaufen würde. Denn wenn ein elftes oder sogar ein zwölftes Team kommt, bedeutet das, dass die Einnahmen er Formel 1 durch mehr Teilnehmer aufgeteilt werden müssen und die bestehenden Teams einen geringeren Anteil als bisher verdienen.
Liberty geht's ums Geld, der FIA nicht
Die Skepsis gegenüber neuen Teams seitens Liberty Media und der bestehenden Teams ist mutmaßlich in erster Linie finanziell motiviert. Der Automobil-Weltverband FIA hingegen partizipiert nicht aus der Vermarktung der kommerziellen Rechte, hat ergo keine finanziellen Interessen und steht folgerichtig hinter der Idee, die zwölf Startplätze zu füllen.
Die Diskussion entzündet sich besonders am amerikanischen Bewerber Michael Andretti, der gemeinsam mit Cadillac, einer Marke des US-Automobilherstellers General Motors (GM), in die Formel 1 einsteigen möchte. Ein Vorhaben, das von eingefleischten Motorsportfans unterstützt, von Liberty Media und den Teams aber skeptisch begutachtet wird.
FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem sieht das anders: "In unseren Regeln steht, dass wir bis zu zwölf Teams haben können. Aber lassen wir jemanden rein? Nein. Aber wie um alles auf der Welt könnten wir GM ablehnen? Wo ergibt das Sinn? GM ist ein Schwergewicht, noch dazu mit Andretti. Das wäre für uns alle gut", sagt er im Interview mit 'Associated Press'.
Sulayem: Kann Andretti-Cadillac nicht ablehnen
Die FIA hat im Februar 2023 einen offiziellen Ausschreibungsprozess initiiert, über den sich interessierte Rennteams um einen Platz in der Formel 1 bewerben können. Andretti-Cadillac ist ein Bewerber. Sulayem unterstreicht: "Wenn ein Interessent die Kriterien der Ausschreibung erfüllt, gibt es keine Möglichkeit, ihm einen Startplatz zu verwehren."
"Ich gebe den Teams nicht die Schuld dafür, dass sie dem ablehnend gegenüberstehen. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er keine Veränderung mag. Sie wollen nicht, dass ein neues Team kommt, das sie herausfordert, sowohl sportlich als auch im Hinblick auf finanzielle Beteiligung. Aber wir glauben, dass die Bedingungen für neue Teilnehmer in der Formel 1 richtig sind."
Sollte ein neues Team in die Formel 1 einsteigen wollen, muss es erstmal eine sogenannte "Anti-Verwässerungsgebühr" in der Höhe von 200 Millionen US-Dollar zahlen. Diese 200 Millionen werden dann unter den bestehenden Playern aufgeteilt, um deren finanzielle Verluste durch ein elftes Team zu kompensieren.
Warum 200 Millionen viel zu wenig sind
Eine Gebühr, die vielen zu niedrig ist. 2022 wurden von Liberty Media 1,157 Milliarden Dollar an die zehn Teams ausgeschüttet. Im Schnitt erhält jedes Team also 115,7 Millionen pro Jahr. Mit zwölf Teams wären das nur noch 96,4 Millionen - oder, auf zehn Jahre umgerechnet, ein Einnahmenentgang von rund 200 Millionen Euro pro Team.
Da ist eine Kompensationszahlung von rund 20 Millionen Euro nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Kein Wunder also, dass die bestehenden Teams, die jahrelang Milliarden in die Formel 1 investiert haben, als diese noch nicht profitabel war, nicht in Begeisterungsstürme verfallen, wenn neue Teams aufgenommen werden sollen.
Doch das Interesse der FIA ist kein finanzielles. Der Verband muss das Wohl des Sports und die Einhaltung der Regeln an erste Stelle setzen. Und genau aus dem Grund freut sich Sulayem darüber, dass Maffei jetzt erstmals Gesprächsbereitschaft signalisiert hat: "Ich bin froh, dass Liberty Media jetzt offenbar genauso in die Zukunft denkt, wie ich das tue."