Alpine im Finanzcheck 2023: Kann der 100-Rennen-Plan aufgehen?
Das Alpine-Formel-1-Team steht vor einer richtungsweisenden Saison: Gelingt der Sprung zu den Topteams? Budgets, Gehälter und Mitarbeiter für 2023
(Motorsport-Total.com) - Rein vom Budget her steht das Alpine-Team auf dem sechsten Rang der Formel 1, wenn man die Motorenabteilungen nicht berücksichtigt; dafür mittlerweile unter den Top 3 bei der Anzahl der Mitarbeiter.
Seit 2019 hat das Chassis- und Rennteam von Alpine im englischen Enstone gleichbleibend etwa 200 Millionen US-Dollar als Budget zur Verfügung, während die Topteams Red Bull, Mercedes und Ferrari deutlich mehr als 350 Millionen Dollar pro Saison ausgeben. Selbst Alpines Hauptrivale im Mittelfeld, McLaren, nahm in den vergangenen Jahren mehr als 300 Millionen Dollar in die Hand, und auch Aston Martin liegt budgettechnisch vor den Franzosen.
Auf der einen Seite kann man argumentieren, dass Alpine ein ziemlich effizientes Geschäftsmodell haben muss, denn immerhin konnte man McLaren und Aston Martin in der vergangenen Saison schlagen und dabei im Entwicklungskampf während der Saison auftrumpfen. Doch ist das langfristig genug, um wieder um die Weltmeisterschaft zu kämpfen und zu den Topteams aufzuschließen?
Die Ausgaben sowie weitere Finanzkennzahlen der Teams mit einem Sitz in Großbritannien werden mittels Companies House ersichtlich, einem Portal, welches das britische Handelsregister führt und auf dem man historische Bilanzen der britischen Formel-1-Teams einsehen kann. Und dabei zeigen sich beim Alpine-Team weitere Überraschungen.
Bald über 900 Mitarbeiter bei Alpine
Nicht nur gibt man im Vergleich zur direkten Konkurrenz deutlich weniger aus, sondern auch die Mitarbeiterstruktur ist verblüffend. 2021 beschäftigte man 820 Mitarbeiter in Enstone, wobei man insgesamt 63 Millionen Dollar an Gehältern für die Mitarbeiter zahlte. Somit hat ein Alpine-Mitarbeiter 2021 im Schnitt rund 77.000 Dollar im Jahr verdient, was deutlich weniger im Vergleich zu dem ist, was die direkten Konkurrenten sowie die Topteams ihren Mitarbeitern zahlen.
Bei McLaren waren es beispielsweise 107.000 Dollar, bei Aston Martin 112.000, bei Mercedes 115.000, während Red Bull durchschnittlich sogar 148.000 Dollar 2021 zahlte. Die Durchschnitte werden bei den Topteams durch Topverdiener wie Max Verstappen, Lewis Hamilton sowie Toto Wolff und Christian Horner jedoch zweifelsohne in die Höhe getrieben.
Gegenüber 'The Race' betonte Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer im vergangenen Jahr, dass man sogar noch mehr Mitarbeiter einstellen möchte und bald die Marke von 900 durchbrechen wird. Im Rahmen der Budgetobergrenze sind diese Mitarbeiterzahlen aber nur möglich, wenn man auf der anderen Seite die Gehälter nicht zu hoch ansetzt.
Red Bull zahlt seinen Mitarbeitern zwar mit Abstand das meiste Gehalt, doch man kann nur rund 735 bei den beiden Unternehmen Red Bull Racing und Red Bull Technology beschäftigen. Infolge der Einführung des Finanzreglements 2021 musste man sogar 154 Stellen abbauen. Somit stehen die Teams vor einem schwierigen Balanceakt.
Fast die Häfte des 100-Rennen-Plans ist bereits absolviert
Um endlich wieder an der Spitze der Formel 1 mitzumischen, hat Alpine-CEO Laurent Rossi 2021 - nach dem Rebranding des Renault-Teams in Alpine - den 100-Rennen-Plan ausgerufen. Demnach will man nach 100 Rennen in der Lage sein, wieder um den WM-Titel fahren zu können.
Vor der Saison 2023 sind bereits 44 Rennen verstrichen, und hochgerechnet sollte der Durchbruch 2025, spätestens aber mit dem neuen Motorenreglement 2026, gelingen. Bereits mit dem Comeback des Renault-Werksteams 2016, als man das Lotus-Team zurückkaufte, hatte man einen ambitionierten Fünfjahresplan aufgestellt.
Fotostrecke: Alle Formel-1-Autos von Renault/Alpine
1977: Renault RS01 - Fahrer: Jean-Pierre Jabouille Fotostrecke
Demnach hätte Renault 2020 um den WM-Titel fahren müssen, woraus bekanntermaßen nichts geworden ist. Die Saison 2020 stellt jedoch weiterhin die bisher erfolgreichste seit dem Comeback 2016 dar, wenn man die Fahrerwertung als Messlatte heranzieht. Daniel Ricciardo wurde in jenem Jahr Fünfter, nur sechs Punkte hinter dem Viertplatzierten Sergio Perez im Racing Point.
Kommt Alpine nicht schnell genug voran?
Dass es bei Alpine möglicherweise nicht schnell genug vorangeht, gemessen an den Ambitionen sowie dem Status als Formel-1-Werksteam, könnte auch den überraschenden Abgang von Fernando Alonso erklären. Der Spanier hatte seine Formel-1-Karriere Ende 2018 schon beendet, kam jedoch 2021 mit Alpine in die Königsklasse zurück, weil er auf eine große Chance aufgrund des neuen Aerodynamikreglements spekulierte.
Infolge der COVID-19-Pandemie wurden die neuen Regeln um ein Jahr auf 2022 verschoben, aber der ganz große Durchbruch bei Alpine folgte nicht. Zwar konnte man erstmals seit dem Comeback 2016 "Best of the Rest" werden, doch eine Auferstehung, wie sie beispielsweise Ferrari hingelegt hat, blieb aus.
Mit Otmar Szafnauer hat man vor der Saison 2022 zudem den dritten Teamchef in drei Saisons installiert. Nach der Saison 2020 wurde Cyril Abiteboul entlassen und sein Nachfolger für 2021, Marcin Budkowski, ist ebenfalls nicht mehr im Amt.
Die wichtigsten Finanzkennzahlen des Alpine-Teams
Wir haben anhand von historischen Bilanzen mittels Companies House sowie weiteren Recherchen die wichtigsten Finanzkennzahlen des Alpine-Teams für die Saison 2023 zusammengefasst.
Anmerkung: Die durchschnittlichen Gehälter können durch Topverdiener wie die Fahrer, dem Teamchef oder andere hochrangige Mitarbeiter nach oben verzerrt werden, weshalb die Durchschnitte unter Umständen kein realistisches Bild über das Gehalt der "normalen" Mitarbeiter abgeben.
(Weitere Informationen über das Alpine-Formel-1-Team gibt es hier im Team-Porträt)
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