Wegen Inflation: "Womöglich müssen Teams ein paar Grands Prix auslassen"
Von steigenden Preisen bleibt auch die Formel 1 nicht verschont - Christian Horner glaubt, dass das im Verlauf der Saison dramatische Folgen haben könnte
(Motorsport-Total.com) - Red-Bull-Teamchef Christian Horner glaubt, dass die Formel-1-Teams Gefahr laufen, gegen die Budgetobergrenze zu verstoßen, wenn sie nicht angepasst wird. Womöglich werden einige die Saison nicht zu Ende fahren können, fürchtet er.
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Christian Horner (l., mit Mattia Binotto) befürchtet für einige Teams das Schlimmste Zoom Download
Um eine Anpassung der Obergrenze, um auf die weltweite Inflation und die steigenden Frachtkosten zu reagieren, wird seit geraumer Zeit gerungen. Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn hat signalisiert, dass die Angelegenheit in Angriff genommen werden würde. Doch es regt sich weiterhin Widerstand.
Mehrere Teams wehren sich gegen eine Änderung des aktuellen Limits, das bei 140 Millionen Dollar für das Jahr liegt. Es setzt der Weiterentwicklung der Autos enge Grenzen. Updates müssen strategisch geplant werden. Dabei beobachten die Teams genau, wie oft ihre Rivalen neue Teile auf die Strecke bringen.
Horner: Die FIA hat eine Sorgfaltspflicht
Die Inflation verschärft die finanzielle Situation zusätzlich. "Die FIA muss sich mit diesem Problem auseinandersetzen", mahnt Horner und prognostiziert: "Ich denke, dass etwa sieben der Teams die letzten vier Rennen auslassen müssen, um die Obergrenze in diesem Jahr einzuhalten - so auch der Tenor im Fahrerlager."
"Es geht jetzt nicht nur um die großen Teams, sondern auch um die Teams im Mittelfeld, die wirklich mit der Inflationsrate zu kämpfen haben, die sich in der zweiten Jahreshälfte noch verschlimmern könnte", erklärt der Red-Bull-Teamchef.
"Die FIA hat in einer solchen Situation eine Sorgfaltspflicht. Ich weiß, dass sie es sehr ernst nehmen, denn wie ich schon sagte, wäre man fast an dem Punkt, dass einige Teams nach den Zahlen, die Anfang der Woche präsentiert wurden, ein paar Grands Prix auslassen müssten, um auch nur in die Nähe des Solls zu kommen."
Horner weiß, dass die Teams nicht riskieren wollen, die Obergrenze zu überschreiten und mit Strafen belegt zu werden. "Deshalb denke ich, dass die FIA sich in der zweiten Jahreshälfte mit dem Thema befassen muss, denn bei Dingen wie den Energiekosten, den Lebenshaltungskosten sehen wir einen exponentiellen Anstieg."
"Die Formel 1 ist davon nicht ausgenommen", so der Brite. "Wir sehen es bei der Fracht, wo sich die Kosten vervierfacht haben. Das ist etwas, das wir nicht kontrollieren können."
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Trotzdem bestätigt Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer, dass sich sein Team weiterhin gegen eine Erhöhung der Obergrenze wehren wird. "Wir sind nicht dafür", sagt er. "Wir haben unsere Budgets frühzeitig festgelegt. Wir haben ein wenig von der Inflation vorweggenommen, die Inflation hat uns also nicht überrumpelt."
Szafnauer: Alpine hat Puffer einkalkuliert
"Wenn man im Dezember zurückblickt, lag der RPI (Einzelhandelspreisindex; Anm. d. R.) bereits bei sieben Prozent. Und die meisten Teams erstellen ihre Budgets zwischen November und Dezember für das folgende Jahr. Für uns war das keine Überraschung."
"Wir haben es also eingeplant und liegen immer noch unter der Obergrenze, auch wenn wir nicht mit so hohen Frachtkosten gerechnet haben, wie wir sie jetzt erleben. Aber wir sind immer noch unter dem Limit, und wenn wir es schaffen, können es andere sicher auch. Ich bin also nicht dafür, die Obergrenze zu erhöhen."
Auf Horners Behauptung, dass die Teams Rennen verpassen würden, meint Szafnauer, dass sie einfach ihre Entwicklungsbudgets zurückschrauben müssten, um im Limit zu bleiben.
"Ich weiß, wie hoch unser Budget ist, und ich kenne die Budgets aus der Vergangenheit. Es gibt eine beträchtliche Menge an Geld im Entwicklungsbudget für ein Jahr", weiß der Alpine-Teamchef. "Besonders in einem Jahr, in dem die Regularien neu sind, muss man viel Geld für die Entwicklung einplanen."
"Wenn also die Frachtkosten um 2,5 bis 3,5 Millionen Dollar steigen, das Budget für Entwicklung aber 20 Millionen Dollar beträgt, kann man dieses Bugdet dann nicht auf 17 Millionen Dollar herunterschrauben und trotzdem unter der Obergrenze bleiben?"
"Das kann man", sagt Szafnauer. "Aber das schränkt ihre Entwicklung ein, und sie befinden sich in einem Entwicklungswettlauf. Es ist also viel einfacher zur FIA zu gehen und sich dafür einzusetzen, dass die Obergrenze erhöht wird und das Entwicklungsbudget gleich bleibt. Das sind also die Fragen, die man stellen sollte."
Steiner: Wir haben gar nicht mehr Budget
Für kleine Teams wie Haas ist derweil nicht die Budgetobergrenze, sondern das Budget an sich das Problem. "Wir haben nicht mehr", sagt Teamchef Günther Steiner. "Jedes Unternehmen, das ein Cash-Problem oder ein potenzielles Cash-Problem hat, senkt seine Kosten entsprechend. Und genau das tun wir."
Soll heißen: "Wenn man auf etwas verzichten muss, um die letzten vier Rennen bestreiten zu können, dann werden wir das auch tun." Denn die Saison zu Ende zu fahren, habe oberste Priorität. Deshalb müsse man schon jetzt damit anfange, Geld einzusparen.
"Aus Sicht eines Geschäftsmannes ist es doch ganz einfach: Wenn der Chef ein Budget vorgibt, und man fliegt das ganze Jahr in der Business Class, um seinem Chef dann zu sagen, dass man es nicht zu den letzten vier Rennen schafft, weil das Geld aus ist, was sagt er dann: Hättest du nicht in der Economy Class fliegen sollen?"
So müsse jedes Team eben haushalten. Denn Steiner weiß: "Ich habe keinen Job mehr, wenn ich meinem Chef sage, dass ich es nicht bis zum Ende der Saison schaffe. "Denn wenn du die Saison nicht beendest, bekommst du im nächsten Jahr kein Geld mehr. Und das bedeutet dann, man ist raus aus dem Geschäft."
Von der Idee, die Budgetobergrenze anzuheben, hält Steiner deshalb nicht viel. "Ich wäre enttäuscht, wenn wir die Obergrenze weiter anheben, denn dann haben wir nicht erreicht, was wir uns vor drei Jahren vorgenommen haben", sagt der Haas-Teamchef.
Immerhin zeige der Kostendeckel durchaus die erhoffte Wirkung: "Ich denke, dass es im Mittelfeld bereits funktioniert, weil wir alle sehr eng beieinander sind. Mittelfristig werden wir sicher noch enger zusammenrücken werden, aber deshalb dürfen wir meiner Meinung nach nicht nachlassen, wir müssen stark bleiben."
Was sich Steiner aber vorstellen könnte, um auf die höheren Transportkosten zu reagieren, wäre ein einmaliger Betrag, der jährlich angepasst wird. "Statt zu sagen, wir setzen zehn Prozent mehr an, nehmen wir die Transportkosten, das sind etwa drei Millionen mehr als im Vorjahr, und erhöhen die Obergrenze um diese Summe."
Diese dürfte dann auch nur zweckgebunden für die Transportkosten aufgewendet werden. "Das ist auch leicht zu kontrollieren ist, weil alles von der FOM gemacht wird. Man kann also nicht sagen: 'Oh, ich habe mehr ausgegeben.' Denn die FOM hat die Rechnung."
"Ich denke also, dass man über solche Dinge nachdenken sollte. Und wenn nächstes Jahr die Transportkosten wieder sinken, dann wird es entsprechend angepasst. Das ist sehr einfach zu überwachen und zu kontrollieren. Wenn es wieder sinkt, nehmen wir die drei Millionen weg, abhängig von den Umständen."