Reformierte Formel 1: Interesse von Sponsoren wird immer größer
Die Formel 1 ist in den vergangenen Jahren wieder attraktiver für Sponsoren geworden: Mittlerweile drängen vor allem Technologie-Firmen in den Sport
(Motorsport-Total.com) - Vor noch nicht allzu langer Zeit sah sich die Formel 1 starker Kritik ausgesetzt. Die Kosten waren außer Kontrolle, die brüllenden V8-Motoren machten es zur Zielscheibe jener, die in ihr nicht mehr als eine CO2-schleudernde Verschwendung von Ressourcen sahen, und die Sponsoren schienen sich nicht mehr für einen Sport zu interessieren, der unter fallenden Zuschauerzahlen und fehlender Präsenz auf Social Media litt.
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Technologie-Riese Cognizant ist einer der neuen Namen in der Formel 1 Zoom Download
Wenn man jedoch ein paar Jahre auf die heutige Zeit vorspult, sieht es für den Grand-Prix-Sport schon ganz anders aus. Durch die Budgetgrenze sind die Tage der bodenlosen Geldverschwendung gezählt, die Hybrid-Ära sorgt für die notwendige Nachhaltigkeit, und ein Zuschauerboom - auch ausgelöst durch Netflix - hat neue Sponsoren angelockt.
Vor allem für die Teams sind es gute Neuigkeiten, dass große Unternehmen wieder Geld ausgeben und sich mit dem Sport identifizieren wollen. Denn dadurch werden die Einnahmen gesichert, die alle Räder in Bewegung bringen.
In den vergangenen Monaten konnte vor allem eine Welle an Hightech-Sponsoren beobachtet werden. Sie wollen die Formel 1 nicht nur nutzen, um Aufmerksamkeit für ihre Marke zu bekommen, sie bringen auch wertvolle Produkte mit, die Teams nutzen können.
So wurde etwa Cognizant Titelsponsor von Aston Martin, Oracle ein Big Player bei Red Bull und TeamViewer zum drittgrößten Sponsor bei Mercedes. Dass alle drei innerhalb weniger Monate zur Formel 1 gekommen sind, ist dabei kein Zufall. Dabei scheinen ein paar wichtige Faktoren eine Rolle zu spielen.
Passt wie die Faust auf's Auge
Zuallererst passen die Hybridregeln der Formel 1 perfekt zu den Anforderungen der echten Welt und haben sie in Sachen Technologie und Nachhaltigkeit in eine Vorreiterrolle gebracht. Und genau da wollen auch die großen Unternehmen hin.
Und da die Formel 1 an jedem zweiten Wochenende Millionen von Menschen anzieht, sieht Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff einen unweigerlichen Magnetismus, der die Tech-Giganten in die Formel 1 gebracht hat.
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#10 Sauber & Chelsea FC: Ab 2012 waren das Schweizer Formel-1-Team und die Londoner Fußballmannschaft Partner. Die Idee hinter dem Deal war es, beiden Marken Präsenz außerhalb ihres Kernpublikums zu verschaffen und Know-how auszutauschen. Eigentümer des Chelsea FC war damals der russische Milliardär Roman Abramowitsch, den Bernie Ecclestone jahrelang vergeblich von einem Formel-1-Engagement überzeugen wollte. Fotostrecke
"Die Formel 1 steht in erster Linie für ihre historischen Werte und ist immer noch Hightech. Der beste Fahrer im besten Auto gewinnt", sagt er. "Aber wir sind durch die Technologie von einem Gladiatorensport irgendwie zu Kampfjets gekommen. Dazu kommt die Nachhaltigkeit, auf die wir sehr stolz sein können, weil wir Innovationen in die Märkte anderer Industrien bringen."
"Auch wie schnell wir abliefern, ist attraktiv für Tech-Sponsoren geworden. Und auf der anderen Seite kann die Technologie dieser Unternehmen auch unsere eigene Performance beschleunigen. Wir sind also von bloßen Stickern auf dem Auto zu einem echten gemeinsamen Projekt gekommen", so Wolff.
Vorteile für Teams und Sponsoren
Bei all diesen jüngsten Bekanntgaben nutzt das Team neue Technologien und Ideen ihres Partners. Aston Martin verbessert mit Cognizant seine IT-Infrastruktur, Mercedes schaut auf Augmented-Reality-Möglichkeiten mit TeamViewer und Red Bull untersucht mit Oracle die Themen Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen.
Da Daten in der Formel 1 so wichtig sind, ist Technologie natürlich ein Kampffeld, bei dem sich die Teams einen Vorteil erarbeiten können, die am besten damit umgehen.
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"Daten und der Umgang damit sind unser Lebenselixier", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Wir generieren so viele davon und sie beeinflussen alles, was wir machen: wie wir ein Rennen fahren, wie wir das Auto entwickeln und sogar, wie wir Fahrer analysieren und sie auswählen."
"Die Formel 1 hat sich entwickelt. Vorbei sind die Tage der Tabakkonzerne, und selbst Hersteller sind seltener geworden. Die Formel 1 ist an der Spitze der Technologie, und es ist schön, diese ganzen technischen Partnerschaften zu sehen. Und einer der größten Fische im Teich ist Oracle", so Horner.
Warum sich TeamViewer engagiert
Wie sich die Formel 1 über ein solch breites Technologiespektrum verteilt, sticht für Software-Gigant TeamViewer besonders heraus. Erst wurde er als Trikotsponsor von Fußballclub Manchester United verkündet, kurz darauf wurde der Deal mit Mercedes bestätigt.
Für Geschäftsführer Oliver Steil ist die Meisterschaft nicht nur auf einem Gebiet stark und bietet seinen Produkten nicht nur eine einzelne Dimension in der Nutzung an: "Die wahre Attraktion der Formel 1 als Sport ist für mich die Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten", sagt er.
"Ich glaube, dass das auch die Technologie-Unternehmen anzieht. Es ist Herstellung, es ist Design, es ist Logistik, es ist Überwachung, es ist Analyse. Die Vielzahl an Möglichkeiten in der Formel 1 sind sehr, sehr bemerkenswert", so Steil.
Steigende Popularität
Ohne die steigende Popularität wäre aber auch eine Zusammenkunft zwischen Formel 1 und den Technologie-Unternehmen trotz aller Verbindungspunkte nicht möglich. Die Rekordzahlen, die viele Sender beim Saisonauftakt in Bahrain zu verzeichnen hatten, deuten von einem großen Interesse.
Dabei kann auch die Bedeutung der Netflix-Dokumentation "Drive To Survive" nicht unter den Teppich gekehrt werden. Oracles Marketing-Direktor Ariel Kelman sieht eine direkte Verbindung zwischen dem Einfluss von Netflix und dem Auftauchen großer amerikanischer Sponsoren.
"Ich habe eine enorm steigende Begeisterung für die Formel 1 in den USA wahrgenommen. Daher ist es nur logisch, dass US-Technologie-Firmen intensiver involviert sein möchten", sagt er. "Mit Daten, Analysen und Maschinenlernen gut klarzukommen, ist ein wichtiger Punkt jedes Formel-1-Teams."
"Es ist also eine großartige Plattform, um hochentwickelte Technologie zu promoten. Zumal die ohnehin schon starke Fanbase auch in den USA nun sehr stark wächst. Daher werden noch weitere Technologie-Unternehmen ein Auge darauf werden", so Kelman.
Erwähnt werden muss auch die Tatsache, dass die Formel 1 Sponsoren anzieht, weil sie ein globaler Sport mit enormer Reichweite ist. Neben den großen Unternehmen interessieren sich auch weniger bekannte Marken für einen Einstieg - von Cybersicherheitsfirmen wie Herjavec bis zu Kryptohändlern wie Bitci.com.
Schnell bekannt durch die Formel 1?
McLaren-Geschäftsführer Zak Brown hat den Großteil seiner Karriere damit verbracht, Sponsorendeals zu unterschreiben. Er sagt, dass die Fähigkeit der Formel 1, Namen in die Köpfe der Menschen zu bringen, eine ihrer großen Stärken bleibt.
"Wir sehen in der Formel 1 den Trend, dass neue Technologien, neue Länder und neue Unternehmen auftauchen, die sie als großartige Plattform nutzen, um schnell bekannt zu werden, wie wir sagen", erklärt er. "Einige Marken benötigen keine Aufmerksamkeit. Sie wollen den Content, den der Sport und die Fahrer erschaffen."
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Moneytron (Onyx): Jean-Pierre van Rossem überzeugt Investoren, dass er einen Supercomputer habe, der die Bewegungen des Aktienmarktes vorausberechnen könne. Mit dem erhaltenen Geld tritt er 1989 als Sponsor des Formel-1-Teams Onyx auf. Zwei Jahre später wird von Rossem wegen Betrugs zu fünf Jahren Haft verurteilt. 2018 stirbt der Belgier. Fotostrecke
"Wenn man dann auf einige unserer neueren Partner wie Darktrace schaut: Das sind Unternehmen, die schnell wachsen und eine globale Plattform brauchen, um ihr Unternehmen und ihre Fähigkeiten ins Scheinwerferlicht zu rücken."
"Das kann man über die traditionellen Medien machen. Das ist aber ziemlich teuer. Wenn man sieht, wie die Formel 1 alle zwei Wochen hunderte Länder und hunderte Millionen Fans erreicht, ist das ein effizienter Weg, deinem Unternehmen sehr schnell eine Menge Aufmerksamkeit zu bescheren", so Brown.
Was die Formel 1 derzeit liefert, ist eine Win-Win-Situation für die Hightech-Industrie.