• 14. September 2020 · 13:48 Uhr

Rund um Ineos-Gerüchte: Toto Wolff deutet Rückzug als Teamchef an

Geht die erfolgreichste Teamchef-Ära in der Geschichte der Formel 1 zu Ende? "Ich muss danach schauen, wer das in Zukunft machen könnte", sagt Toto Wolff ...

(Motorsport-Total.com) - Toto Wolff hat am Sonntag in Mugello erstmals in einem TV-Interview sehr konkret angedeutet, dass er seine Position als Mercedes-Teamchef aufgeben könnte. Zwar dementiert der 48-Jährige Gerüchte, wonach die Marke Mercedes aufgrund eines möglichen Teilverkaufs an den Chemiekonzern Ineos komplett aus der Formel 1 verschwinden könnte, energisch. Seinen Verbleib in aktueller Funktion bestätigt er aber nicht explizit.

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Ineos ist seit dieser Saison offizieller Partner des Mercedes-Teams Zoom Download

"Da kam das Gerücht auf, dass Mercedes die Mehrheit abgibt am Formel-1-Team. Was natürlich in der Form gar nicht stimmt", versichert Wolff im Interview mit dem 'ORF'. "Ganz im Gegenteil. Es ist das Mercedes-Team. Da hat irgendwer gefunden, dass er irgendeine Geschichte erzählt."

Auf Nachfrage, ob das bedeute, dass er entgegen anderslautender Gerüchte Mercedes-Teamchef bleibt, entgegnet er: "Ich habe nicht gesagt, dass ich Teamchef bleibe. Irgendwann muss man sich die Frage stellen: Wie viel kann ich noch beitragen, nach so vielen Jahren? Aber das ist nichts Kurzfristiges. Eher muss ich danach schauen, wer das in Zukunft machen könnte."

Wolff möchte dem Team "auf jeden Fall in irgendeiner Form" erhalten bleiben. In welcher Rolle das sein wird, "weiß ich noch nicht", sagt er. Gegenüber 'Sky' ergänzt der 30-Prozent-Miteigentümer: "Ich fühle mich diesem Team und allen Beteiligten sehr nahe, und muss einfach für mich selbst überlegen, wie die nächsten Jahre gehen. Es ist keine kurzfristige Entscheidung."

Wolff: Abschied von Teamchef-Position wird konkreter

Der Nachdenkprozess darüber, wie er die Zukunft nach Auslaufen seines bestehenden Vertrags Ende 2020 gestalten möchte, dauert bereits einige Monate an. Noch im April hatte Wolff in einem Interview mit der Tageszeitung 'Österreich' versichert: "Ich bin und bleibe Mercedes-Motorsportchef und Formel-1-Chef, und daran wird sich kurzfristig nichts ändern."

Doch in den vergangenen Monaten hat er die Hintertür zu einem Rückzug von der Teamchef-Position immer weiter aufgemacht. In Mugello klang das so: "Nach sieben oder acht Jahren muss man überlegen, was die beste Entscheidung für die Familie und alle Mitarbeiter ist." Schließlich hatte er zuletzt erklärt, wie viel Energie ihn die vergangenen Jahre gekostet haben.

Ausgangspunkt für die neuerlichen Spekulationen um Wolffs Zukunft ist eine Story in der 'Mail on Sunday', in der Eddie Jordan die Behauptung aufstellt, dass 70 Prozent des Mercedes-Teams für eine Summe von umgerechnet rund 750 Millionen Euro an Ineos, den Konzern des charismatischen Geschäftsmannes Jim Ratcliffe, verkauft werden könnten.

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Eddie Jordan hat sich in der Formel 1 als "Orakel" einen Namen gemacht Zoom Download

Ratcliffe investiert große Summen in Sportprojekte und hat damit in den vergangenen Jahren signifikante Erfolge erzielt. 2019 gewann sein Team Ineos mit Egan Bernal gleich im ersten Anlauf die Tour de France. Als Eliud Kipchoge 2019 in Wien als erster Mensch die Marathondistanz unter zwei Stunden lief, geschah das unter dem Banner von Ineos.

Bereits 2017 ist Ineos beim Schweizer Fußballklub FC Lausanne-Sport investiert, seit 2019 auch beim französischen Erstligisten OGC Nizza. Und im Segelsport arbeitet Ineos eng mit Ben Ainslie zusammen, der unter dem Banner des Ineos Teams UK versucht, den America's Cup zum ersten Mal überhaupt nach Großbritannien zu holen. Ineos macht, so viel ist klar, im Sport keine halben Sachen.

Jordan bezeichnet Ineos als "nettes Ausstiegsszenario" für Mercedes: "Das Team wird Ineos heißen, aber weiterhin von Brackley aus geführt werden, und Mercedes wird 30 Prozent der Anteile behalten. Es wird nicht mehr Mercedes heißen und Toto Wolff, der Teamchef, wird nicht mehr verantwortlich sein."

Wolff: "Sage nicht, dass nichts dran ist"

Eine Behauptung, die Wolff gegenüber 'Sky' zurückweist: "Eddie liefert immer wieder gute Headlines. Manchmal, wenn er den Bogen zieht, um das Ziel zu treffen, geht's ein bisschen links vorbei. Ineos ist ein wirklich guter Partner von uns, als Sponsor. Und wir haben verschiedene andere Projekte mit denen. Wir helfen ihnen beim America's Cup und wir helfen ihnen bei ihrem Radteam."

Darüber hinaus habe er aktuell "keine Ahnung, wie sich das in Zukunft entwickelt. Aber es ist und bleibt ein Mercedes-Team. Ineos hat kein Interesse, eine Mehrheit zu kaufen. Und wir haben überhaupt nicht den Plan, dass wir irgendetwas verändern wollen an diesem Set-up."

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Toto Wolff und Jim Ratcliffe bei der Ineos-Präsentation im Winter 2020 Zoom Download

Gegenüber dem 'ORF' präzisiert er: "Ich sage nicht, dass überhaupt nichts dran ist. Wir sprechen mit Ineos über eine Erweiterung der Partnerschaft. Aber definitiv nicht über ein Shareholding, das eine Mehrheit ist oder das bedeuten würde, dass sich Mercedes in irgendeiner Form zurückzieht."

Was "Erweiterung der Partnerschaft" genau bedeuten könnte, bleibt unklar. Ein Mercedes-Sprecher äußert sich auf Anfrage nicht zum Thema: "Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir Gerüchte und Spekulationen nicht kommentieren."

Tatsächlich scheint es in den Gesprächen zwischen den Mercedes-Verantwortlichen und Ineos um einen Teilverkauf des Formel-1-Teams zu gehen. Ineos könnte zumindest jene zehn Prozent übernehmen, die nach dem Tod von Niki Lauda immer noch in dessen Nachlass liegen, und möglicherweise überlegt sich auch der Daimler-Konzern, einen Teil seiner 60 Prozent zu verkaufen.

Wolff, von 'Motorsport-Total.com' auf das Thema angesprochen, stellt klar: "Die Leute greifen einzelne Steinchen auf und konstruieren eine Story drumherum." Man habe eine "großartige Partnerschaft" mit Ineos, unter anderem beim America's Cup und dem Profi-Radteam. "Das ergänzt sich sehr gut. Wir verfolgen die gleichen Ziele", unterstreicht er.

Mercedes soll Mehrheit am Team behalten

"Darum ist Ineos ein Partner von uns. Aber alles darüber hinaus ist nur Spekulation. Daimler hat keinerlei Absicht, das Team aufzugeben, und Ineos hat kein Interesse daran, eine Mehrheit des Teams zu kaufen und es Ineos zu nennen. Und ich habe keinen Grund, meine Anteile abzugeben. Da ist also einiges frei erfunden."


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Dabei könnte das Timing für ein Ende der Mercedes-Erfolgsstory gar nicht besser sein. Lewis Hamilton wird voraussichtlich noch diese Saison die sieben WM-Titel von Michael Schumacher einstellen und dessen 91 Grand-Prix-Siege übertreffen, und weil die Basis der Autos 2021 die gleiche bleibt, wäre Ende 2021, nach Hamiltons möglichem achten Titel, ein perfekter Ausstiegszeitpunkt.

Zumal das neue Concorde-Agreement allen beteiligten Teams - das gilt für Ferrari, Red Bull und Renault genauso - die Möglichkeit lässt, jährlich auszusteigen und nicht zwangsläufig bis Ende 2025 in der Formel 1 zu bleiben. Aber das sind viele Fragezeichen, und die Mercedes-Verantwortlichen schwören hoch und heilig, dass es keine derartigen Pläne gibt.

Zumal fraglich ist, ob selbst ein Konzern wie Ineos für 70 Prozent des Mercedes-Teams 750 Millionen Euro hinblättern würde. Das würde einer Gesamtbewertung von mehr als einer Milliarde Euro entsprechen. Zum Vergleich: Williams, sportlich freilich nicht mit Mercedes konkurrenzfähig, wurde kürzlich für umgerechnet 152 Millionen Euro verkauft.

Es sei für Mercedes schwierig geworden, sagt Jordan: "Wie können sie weiter gewinnen? Wie können sie das übertreffen, was sie schon erreicht haben? Geht nicht. Und Totos Reputation als einer der großen Teamchefs in der Geschichte des Sports ist bereits sicher. Was er mit Mercedes erreicht hat, stellt ihn auf eine Stufe mit Ron Dennis bei McLaren oder Jean Todt bei Ferrari. Aber alles Gute hat ein Ende ..."

Ob und in welcher Form sich Ineos am Mercedes-Team beteiligen wird und in welcher vielleicht neuen Funktion Wolff weitermacht (spekuliert wurde in der Vergangenheit unter anderem über eine "Lauda-Position" im Aufsichtsrat), werden vermutlich die nächsten Wochen zeigen. Gut möglich, dass die zwei Wochen Pause zwischen Mugello und Sotschi für Verhandlungen genutzt werden ...

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