Spekulation: Wechselt Andy Cowell von Mercedes zu Aston Martin?
Andy Cowell ist eine der Schlüsselfiguren des Mercedes-Erfolgs seit 2014, gibt seine Position aber auf - Spekulationen über seine Zukunft beschäftigen den Paddock
(Motorsport-Total.com) - Der Abschied von Andy Cowell als Managing Director bei Mercedes-AMG High Performance Powertrains (HPP) in Brixworth, wo die Formel-1-Motoren für das Mercedes-Team gebaut werden, bedeutet offenbar nicht zwangsläufig, dass der Erfolgsingenieur zu einem Konkurrenzunternehmen abwandern wird.
© Motorsport Images
Andy Cowell (rechts) gilt als einer der Väter der Mercedes-Erfolge seit 2014 Zoom Download
Es sei "so ziemlich seine Entscheidung", ob er zu einem anderen Team oder Hersteller wechselt, so Teamchef Toto Wolff in der Freitags-Pressekonferenz in Spielberg. Gleichzeitig deutet er eine weiterführende Zusammenarbeit in einem neuen Rahmen an, wenn er sagt: "Im Moment ist er innerhalb der Mercedes-Familie gut etabliert und anerkannt. Ich hoffe, dass das so bleibt."
Am 15. Juni hat Mercedes offiziell bekannt gegeben, was man intern schon seit Januar wusste: dass Cowell sich beruflich verändern und eine "neue Herausforderung" suchen möchte. Wie diese konkret aussehen könnte, wurde dabei nicht verraten. Wolff sagte damals lediglich, er sei sich "sicher", dass Cowell auch die nächste Herausforderung "erfolgreich meistern" wird.
Und Markus Schäfer, Daimler-Vorstand für Konzernforschung und gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender von HPP in Brixworth deutete an, dass Cowell "ein großes Zukunftsprojekt der Mercedes-Benz AG unterstützen" wird. Das klingt zumindest nicht nach einem Abschied für immer.
Derzeit unklar: Was macht Cowell in Zukunft?
Bislang gibt es keinerlei Hinweise darauf, wie Cowells berufliche Zukunft aussehen könnte. Dass Mercedes einen der wichtigsten Masterminds hinter der Hybrid-Antriebstechnologie, mit der man seit 2014 die Formel 1 dominiert hat, einfach zur Konkurrenz ziehen lässt, ohne wenigstens den Versuch zu starten, ihn in der erweiterten Familie zu halten, wäre aber schwer nachvollziehbar.
Folgerichtig wäre es nur logisch, ihm eine neue Position innerhalb der erweiterten Daimler-Familie anzubieten. Da trifft es sich gut, dass sowohl der Daimler-Konzern als auch Wolff Aktien am britischen Sportwagenhersteller Aston Martin halten, der wirtschaftlich aktuell in argen Turbulenzen steckt.
GP Österreich: Wer letzte nach am schlechtesten geschlafen hat
Cowell wäre nicht der erste Topmanager aus der Daimler-Familie, der bei Aston Martin landet. Bereits am 26. Mai wurde bekannt gegeben, dass Tobias Moers dort den bisherigen CEO Andy Palmer per 1. August ablösen wird. Moers war bisher CEO bei Mercedes-AMG, der High-Performance-Abteilung des Daimler-Konzerns.
Cowell könnte bei Aston Martin sein Know-how in moderner Motorentechnologie einbringen. Aston Martin hat schließlich angekündigt, einen eigenen V6 zu bauen und unabhängiger zu werden. Derzeit steckt ein V8 von Mercedes-AMG in aktuellen Topmodellen wie dem SUV DBX, in den das Unternehmen große Hoffnungen setzt, sowie in den Flaggschiffe Vantage und DB11.
Schlaue Köpfe wie Moers und Cowell können für Aston Martin nur positiv sein. Der Sportwagenhersteller hat seit seinem IPO im November 2018 weit über 90 Prozent seines Börsenwerts verloren. Anfang dieses Jahres sind aber zuerst Lawrence Stroll und später Wolff als Investoren eingestiegen. Stroll hat zudem den Vorstandsvorsitz übernommen.
Warum Aston Martin für Cowell attraktiv wäre
Aus Cowells Sicht könnte Aston Martin eine einmalige Chance sein, sich beruflich weiterzuentwickeln - nicht nur als leitender Ingenieur, sondern als Topmanager im Automotive-Sektor. Und sollte die Sehnsucht nach seinem alten Umfeld Formel 1 durchbrechen, wäre das auch nicht schlimm. Ab 2021 wird das heutige Racing-Point- offiziell zum Aston-Martin-Werksteam.
Fotostrecke: Meilensteine der Formel-1-Technik
Silverstone (Großbritannien) 1950: Giuseppe Farina gewinnt mit einem 1,5-Liter-Kompressor von Alfa Romeo den ersten Grand Prix der Formel-1-WM-Geschichte. Fotostrecke
"Es ist immer ein Verlust, wenn jemand entscheidet aufzuhören. Aber wir respektieren solche Entscheidungen", sagt Wolff. Cowell möchte "eine Pause machen", erklärt er. Und: "Er ist in ein Daimler-Projekt involviert, das sehr aufregend ist. Danach werden wir eine Entscheidung treffen, was wir tun."
"Wir" klingt sehr danach, als entscheide Cowell nicht im Alleingang, sondern in enger Abstimmung mit Wolff und Daimler-Konzernchef Ola Källenius, für dessen Vertrauen er sich in der Pressemitteilung vom 15. Juni ausdrücklich bedankt hat. Alles Indizien dafür, dass Cowell und die Daimler-Familie einen gemeinsamen Weg für die Zukunft suchen.
Doch selbst wenn er woanders hingehen sollte: "Wir waren in Nachfolgeregelungen immer sehr gut", betont Wolff und zählt prominente Abgänge auf, die ohne Riss in der Erfolgsbilanz abgefedert werden konnten: "Ross Brawn, Paddy Lowe, Aldo Costa, Bob Bell, Mark Ellis." Sie alle habe man intern nachbesetzt, mit Ingenieuren der "nächsten Generation".
"Das Gleiche passiert jetzt auch bei HPP", sagt er über die Motorenabteilung in Brixworth. Cowells direkten Nachfolger als Managing Director, Hywel Thomas, schätzt Wolff "sowohl als Ingenieur als auch als Persönlichkeit. Daher glaube ich, dass wir okay sind." Thomas ist seit 1. Juli offiziell neuer Chef über die Mercedes-Motoren in der Formel 1.