Steiner erklärt: Warum Haas als einziger Neueinsteiger erfolgreich ist
Günther Steiner vergleicht das Haas-Projekt mit gescheiterten Teams, wie USF1, HRT oder Caterham, und verteidigt das alternative Geschäftsmodell
(Motorsport-Total.com) - Das Haas-Team besteht nun bereits seit vier Jahren in der Formel 1 und zählt mittlerweile zum vorderen Mittelfeld. Teamchef Günther Steiner erklärt ausführlich, wie sich das Team im Gegensatz zu anderen in der Königsklasse halten konnte und was er mit dem heutigen Wissensstand anders gemacht hätte. Außerdem verrät der Südtiroler, wie die Zusammenarbeit mit Ferrari und Dallara konkret funktioniert. Für dieses Geschäftsmodell wurde das Team viel kritisiert, doch Steiner hat eine Antwort für die Konkurrenz parat.
"Es läuft ganz gut. Man kann immer besser sein. Wir dürfen niemals zufrieden sein, bis wir alles gewinnen. Und wenn wir alles gewinnen, müssen wir es mit weniger Geld auch schaffen", lacht Steiner im Podcast 'Beyond the Grid'. Der Haas-Teamchef ist zufrieden mit der Entwicklung des Teams in den vergangenen drei Jahren. Vom achten WM-Rang 2016 bis zum fünften 2018 ist eine deutliche Steigerung erkennbar. Das Team konnte bislang die WM-Punkt in jedem Jahr verdoppeln.
2019 stellt Haas den Anspruch auf den Titel "Best of the Rest" und möchte den vierten WM-Rang hinter Ferrari, Mercedes und Red Bull belegen. Steiner vergleicht das Projekt mit jenen Teams, die zuletzt neu in die Weltmeisterschaft eingestiegen waren - 2010 traten mit Virgin (später Manor-Marussia und Manor), Lotus (später Caterham) und HRT drei neue Teams an.
USF1: "Sie haben die Schwierigkeit unterschätzt"
"Die sind nun nicht mehr dabei. Wir haben bei Null angefangen und konnten in unserem ersten Rennen Punkte sammeln. Bisher waren wir auch noch nie Letzter in der Weltmeisterschaft", betont Steiner die Erfolge der Mannschaft. Schon bevor Haas in die Formel 1 eingestiegen ist, bestand der Wunsch nach einem US-amerikanischen Team. Mit USF1 von Peter Windsor hätte schon 2010 ein neues US-Team antreten sollen, doch das Projekt scheiterte.
"Ich glaube, sie haben die Schwierigkeit unterschätzt. Sie hatten eine gute Idee, ein Team aus den USA heraus zu führen, aber ich glaube, sie kannten die technische und finanzielle Komplexität dieses Sports nicht", sucht Steiner Gründe für das Scheitern der Idee. "Sie hatten keinen guten Finanzier hinter dem Projekt und technisch hatten sie die Aufgabe unterschätzt."
Auch Haas-Teamgründer Gene Haas sei von der Komplexität der Formel 1 überrascht gewesen, verrät Steiner. "Zunächst die Komplexität der Technologie, denn die ist wirklich faszinierend in diesem Sport. Aber auch die Komplexität des Business und der Politik. Ich denke, das war ihm nicht bewusst." Der Teamchef gibt auch zu, dass die enorme finanzielle Anstrengung ein wenig überraschend für Haas war.
"Formel 1 ist sehr teuer und vielleicht hat ihn das auch ein wenig überrascht, wie viel Geld es wirklich benötigt." Deshalb hat Haas ein alternatives Geschäftsmodell gewählt. Alle Teile, die laut dem Reglement eingekauft werden dürfen, werden zugekauft und von externen Firmen produziert. So spart sich das Team hohe Kosten für Produktion und Personal. "Nur so können wir in diesem Umfeld bestehen." Haas versuche, besonders effizient zu arbeiten.
Mit 200 Angestellten und 60 Mitarbeitern bei Chassis-Hersteller Dallara ist Haas das mit Abstand kleinste Team im Feld. "Wir sind nicht einmal 300 Leute, wir schwanken zwischen 250 und 280. Aber mit großem Abstand sind wir die Kleinsten", weiß Steiner.
Daher verfügt man über eine enge Partnerschaft mit Motorhersteller Ferrari und der italienischen Ingenieursschmiede Dallara. Zu Beginn hätte man sich auch mit Mercedes auf einen Deal einigen können, verrät Steiner, doch mit den Italienern sei man sehr glücklich. "Wir hätten uns für Mercedes entscheiden können, da sie den besseren Motor hatten, aber im Moment bin ich sehr glücklich mit dem, was Ferrari für uns macht."
Dank Dallara und Ferrari "das Risiko reduziert"
Mittlerweile ist der PS-Nachteil auf Mercedes aufgeholt und Ferrari beliefert das Team nicht nur mit der Antriebseinheit, sondern auch mit dem Getriebe und Hinterrad-Aufhängung. Gemeinsam mit Dallara arbeiten Haas-Ingenieure am Chassis. "Wir haben eine Gruppe von unseren eigenen Leuten dort", erklärt Steiner. Er habe mit Gründer Gian Paolo Dallara, den er als "Italiens Ingenieurspapst" bezeichnet, und Geschäftsführer Andrea Pontremoli einen Deal abgeschlossen.
"Wir haben unser Risiko damit reduziert. Denn so viele Teams sind daran gescheitert, zu Beginn ein Auto zu produzieren und in der Startaufstellung zu stehen. Wir konnten daher kein Risiko auf uns nehmen und nicht auch scheitern, speziell als US-Team." Schließlich wollte Haas nach USF1 nicht das nächste erfolglose US-Projekt werden.
Daher hat man sich bestimmte Ingenieursleistungen im Bereich der Aerodynamik von Dallara gesichert. In der großen Produktionsanlage werden außerdem zahlreiche, von der FIA lizenzierte Tests am Chassis, wie etwa am Front- und Heckflügel, durchgeführt. "Sie haben ein paar Leute abgestellt, die Vollzeit für uns arbeiten, aber dort angestellt sind."
Dieses Geschäftsmodell hat viele andere Teams verärgert und selbst bei Haas für Verunsicherung gesorgt. "Wir waren auch nicht sicher, ob unser Modell erfolgreich ist oder nicht, aber zumindest haben wir etwas anderes versucht." Steiner hatte dieses Geschäftsmodell bereits in der Schublade, als er Gene Haas über seine NASCAR-Verbindungen kennenlernte. Überzeugen musste er den US-Geschäftsmann davon nicht. "Er muss sich selbst überzeugen." Steiner habe Haas "ehrlich und geradlinig" seine Meinung dazu gesagt, damit er eine Entscheidung treffen konnte.
Haas' Überlegungen hinter dem Formel-1-Projekt waren wirtschaftlicher Natur. Zwar ist seine Firma Haas Automation der größte Werkzeugmaschinen-Hersteller in den USA, auf der restlichen Welt allerdings kaum bekannt. Gene Haas wollte durch seinen Einstieg in die Formel 1 mehr globale Anerkennung. "Für ihn ist die Formel 1 ein Weg, um den Namen in aller Welt bekannt zu machen. Da die Formel 1 ein globaler Sport ist, denke ich auch, dass das funktioniert."
Trotz des Gegenwinds von Anfang an - "98 Prozent dachten nicht, dass das funktioniert wird" - hat sich das US-Team seinen Platz in der Formel 1 erkämpft. "Dieses Modell, das wir heute einsetzen, haben wir mit der Zeit gemeinsam mit Gene entwickelt." Die verstreuten Standorte in den USA (Kannapolis, North Carolina), England (Banbury) und Italien (durch Dallara und Ferrari) hätten keinen Nachteil gebracht, betont Steiner.
Das Team sei weiterhin ein US-amerikanisches, das auch unter US-Lizenz antritt. Er würde rückblickend erneut mit diesem Geschäftsmodell an den Start gehen. "Wir haben realisiert, dass wenn man alles selbst machen muss, wir das nicht schaffen. Dazu muss man ein Hersteller sein und dann braucht man noch fünf Jahre. Das war nicht interessant für uns." Außerdem habe Steiner, der zuvor bereits für Jaguar und Red Bull tätig war, die Herausforderung nicht unterschätzt.
Deshalb prallt auch all die Kritik der anderen Mittelfeldteams an ihm ab. Vor allem Traditionsteams, wie McLaren oder Williams, sehen Haas mit kritischen Augen. "Wir haben niemals gesagt, dass sie nicht machen können, was sie wollen. Sie können entscheiden, wir haben ihnen keine Optionen genommen. Diese Option hätten sie auch gehabt", kontert Steiner den B-Team-Vorwürfen. "Wir leben in einer freien Welt. Wenn es erlaubt ist, warum sollten wir es nicht machen? Man kann nicht sagen, dass wir das Geschäftsmodell anderer zerstören."