Flavio Briatore: Die GP2 war der größte Deal meines Lebens
Wieso Ex-Teamboss Flavio Briatore den Verkauf der GP2 als größten Deal seines Lebens sieht und wie er den Poker um den spanischen TV-Markt gewann
(Motorsport-Total.com) - Nach Bernie Ecclestone gilt Ex-Renault-Teamchef Flavio Briatore als der Mann, der in der Formel 1 mit seinen berüchtigten Deals am meisten Geld verdient hat. Der Italiener war meist auch Manager der Fahrer, die für ihn fuhren - und blickte bei seinen Coups oft über den Tellerrand der Formel 1 hinaus. Doch was war eigentlich der größte Deal des inzwischen 68-Jährigen?
"Das war die GP2", überrascht Briatore in Nico Rosbergs Podcast 'Beyond Victory'. "Denn ich habe die GP2 aus dem Nichts erschaffen." Die 2005 ins Leben gerufene GP2-Serie war der Nachfolger der wegen der hohen Kosten eingestellten Formel-3000-Serie. Als Auto diente ein Dallara-Einheitschassis, die Motoren stammten von Briatores Firma Supertec und waren die alten Renault-Formel-1-Triebwerke.
"Die Idee ist so entstanden, dass ich mit Renault gesprochen habe. Ich hatte also Sponsorengelder in Höhe von 3,5 Millionen", gewann Briatore nach Ecclestone auch die Franzosen, für die er das Formel-1-Team leitete, für sein Vorhaben. Mit diesem Budget habe man "alles aufgebaut, und ich war zu 100 Prozent der Eigentümer. Ich habe die GP2 dann an CVC verkauft."
Warum der GP2-Deal für Briatore so besonders war
Dieser Deal, der Ende 2007 klammheimlich hinter den Kulissen stattfand, spielte die Formel-1-Talenteserie in die Hände der damaligen Formel-1-Rechteinhaber - und brachte Briatore viel Geld ein. Die Serie wurde damals auf einen Marktwert von über 150 Millionen Pfund geschätzt.
"Ich hatte Pech, denn Liberty war noch nicht hier", schmunzelt Briatore heute. "Ich hätte sonst noch mehr verdient." Bei jenem Coup sei es aber nicht nur um die Summe gegangen, "sondern auch um die Genugtuung, etwas erschaffen zu haben, dass mir vier Jahre später viel Geld einbringt."
Wie Briatore den spanischen TV-Markt aufmischte
Doch was war eigentlich das Geheimnis hinter Briatores Deals? "Ich war so gut, weil ich Risiken eingegangen bin", sagt er. Und gibt ein weiteres Beispiel: Nachdem er 2002 den Minardi-Piloten Fernando Alonso nach dessen Debütjahr bei seinem Renault-Team als Testfahrer engagierte, um ihn auf größere Aufgaben vorzubereiten, kaufte er von Ecclestone die TV-Rechte für den spanischen Markt.
Das Land auf der iberischen Halbinsel hatte zwar damals schon seit Jahren ein Rennen in Barcelona, dennoch fristete die Königsklasse des Motorsports neben dem Fußball und dem Motorradsport ein Schattendasein. "Niemand wollte die Formel 1 damals übertragen", erinnert sich Briatore. "Aber ich wollte aus Spanien ein Land wie Italien mit den Tifosi machen. Das ist, wie wenn man darauf setzt, dass ein Japaner im Tennis alles gewinnen wird."
Selbst Freund Berlusconi konnte zunächst nicht helfen
Doch Briatore hatte eine Trumpfkarte: "Ich wusste ja, wie gut Fernando ist - und ich wusste, dass er im Jahr darauf explodieren würde." Daher vereinbarte der Renault-Teamchef ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des spanischen Privatsenders Telecinco, der im Besitz der Mediaset-Gruppe des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und Medienmoguls Silvio Berlusconi steht. "Berlusconi ist ein sehr guter Freund von mir. Ich habe also Berlusconi gesagt, dass ich mit dem Kerl reden werde, da ich was ganz Besonderes für ihn habe", erzählt Briatore.
Das Gespräch mit dem Leiter des spanischen Senders lief aber nicht wie erhofft: "Er sagt zu mir, dass es in Spanien nur Motorrad gibt und man die Formel 1 nicht übertragen wolle." Auch die Frage, ob er dies mit Berlusconi besprochen habe, half nicht weiter - Briatore blitzte ab. Dennoch blieb er hartnäckig und versuchte, Renault Spanien von einer Querfinanzierung zu überzeugen.
Briatores Poker zahlte sich aus
"Ich habe ihnen gesagt, dass ich Alonso habe", erzählt Briatore. "Gebt mir drei Millionen, denn das sind die Kosten für die Übertragung. Das ist eigentlich ein Geschenk." Daraufhin verhandelte er mit dem Telecinco-Rivalen Antena 3 über einen Deal, der den Sender nichts kosten würde, weil das Geld von Renault komme. "Der Kerl wollte anfangs sogar noch mehr", greift sich Briatore an den Kopf. "Zum Glück haben wir uns dann auf einen Einjahresvertrag geeinigt, obwohl der Kerl einen Dreijahresvertrag wollte."
Denn nur ein Jahr später ging Briatores Plan tatsächlich auf: Alonso debütierte bei Renault, sicherte sich schon beim zweiten Saisonrennen seine erste Pole und fuhr beim Heimrennen in Barcelona auf Platz zwei. Es dauerte laut Briatore nicht lange, ehe das Telefon läutete und der Geschäftsführer von Telecinco mit ihm sprechen wollte. "Mit dir spreche ich nicht mehr, habe ich gesagt", erinnert sich Briatore. "Verdammter Idiot."
Stattdessen ließ er den nunmehrigen Formel-E-Boss Alejandro Agag, der damals bei Briatores Team für den spanischen Sponsorenmarkt zuständig war, mit dem Telecinco-Mann verhandeln. "Das war fantastisch, denn eigentlich wollte ich mit diesem Kerl einen Fünfjahresvertrag machen. Und der Preis für das zweite Jahr war höher als der ganz Fünfjahresvertrag", rieb sich Briatore die Hände. "Im Nachhinein weiß ich auch, was passiert ist: Berlusconi hat ihn angerufen. Plötzlich wollte er sofort unterschreiben."