Erste Social-Media-Richtlinie: Liberty bringt frischen Wind
Liberty Media hat den Teams zum ersten Mal Vorgaben gegeben, was in den sozialen Netzwerken erlaubt ist - Sean Bratches: "Beeindruckende Analytics-Daten"
(Motorsport-Total.com) - Beim Thema Social Media beschreitet die Formel 1 seit der Ablöse von Bernie Ecclestone neue Wege. Eine der ersten Amtshandlungen von Sean Bratches, dem von Liberty Media eingesetzten Verantwortlichen für alle kommerziellen Angelegenheiten, war, den Umgang mit Facebook & Co. zu lockern.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1 geschieht das auf professionelle Art und Weise: "Wir haben unmittelbar vor den Tests zum ersten Mal eine Social-Media-Richtlinie veröffentlicht", bestätigt Bratches. "Es ist ein wichtiger Punkt für uns, dieses Business zu befeuern. Die Welt geht in diese Richtung, und zwar nicht nur für unsere derzeitigen Fans, sondern insbesondere auch für die Fans der nächsten Generation. Wir müssen neue Wege finden, unser Publikum zu gewinnen."
In einem ersten Schritt wurde es den Teams beim Barcelona-Test erlaubt, Videos von ihren Autos in Aktion zu posten, etwa beim Rausfahren aus der Box. Dieses lockere Handling mit den Bewegtbildrechten wurde dann auch ins Melbourne-Wochenende mitgenommen. Denn: "Die Analytics-Daten, die wir daraus gewonnen haben, waren beeindruckend, was die Auswirkungen auf die Reichweite für die Marke Formel 1 und die Marken der Teams und Fahrer betrifft", sagt Bratches.
Liberty: Social Media "ein entscheidender Punkt"
Für Liberty sei das Thema Social Media "schon jetzt ein absolut entscheidender Punkt. Fans, Teams und Fahrer wissen das zu schätzen. Wir sehen das als große Chance." Aber so einfach, wie sich Außenstehende den Umgang mit frei abrufbaren Internet-Videos vielleicht vorstellen, ist das Thema nicht. Denn im Gegensatz zur landläufigen Meinung gibt es nicht nur Sieger, wenn plötzlich alles und jeder gepostet werden darf.
Zu den möglichen Verlierern zählen beispielsweise die TV-Stationen, die teures Geld für die Bewegtbildrechte bezahlt haben. Beispiel: RTL hat seit dem Einstieg in die Formel 1 mehr als eine Milliarde Euro (!) investiert, um die Rennen zeigen zu dürfen. Wenn plötzlich mehr Content gratis im Internet verfügbar ist, werden die TV-Rechte für RTL & Co. enorm entwertet. Diesbezüglich muss Liberty einen Spagat meistern.
Daher sind die Social-Media-Zugeständnisse für Teams und Fahrer nach wie vor streng limitiert. So darf zum Beispiel nur mit Handheld-Geräten wie etwa einem Smartphone oder einem Tablet gefilmt werden, aber nicht mit professionellem Kamera-Equipment. Und es darf nichts für die Social-Media-Kanäle gefilmt werden, wenn gerade eine Live-Übertragung eines Trainings, Qualifyings oder Rennens läuft.
Ein Kompromiss, der auf Verständnis stößt, schließlich verdienen die Teams und Fahrer mit Social Media zumindest (noch?) nicht direkt Geld. Indirekte Möglichkeiten dazu gibt es theoretisch sehr wohl, etwa über die Einblendung von Werbung vor YouTube-Videos oder die Platzierung von Sponsoren und Partnern in Postings. "Letzten Endes", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner, "ist die Formel 1 ein Mediengeschäft."
Mercedes: Social Media ergänzt klassische Medien
"Und da müssen wir drei Generationen abdecken", wirft Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff ein. "Einmal die langjährigen Fans, die sogenannten Middle-Ager, dann die Millennials und die Generation Z. Wir brauchen das ganze Spektrum." Aus genau diesem Grund hat Mercedes, ähnlich wie auch andere Teams, diesen Winter zum ersten Mal mit einem intensivierten Social-Media-Launch des F1 W08 EQ Power+ experimentiert.
Social Media wurde im Fall von Mercedes allerdings nicht als Kanal eingesetzt, um klassische Medien auszuhebeln, sondern vielmehr als Ergänzung zur gewohnten Berichterstattung. Vorbildlich ist Mercedes etwa, wenn es darum geht, für die verschiedenen Mediengattungen Mehrwerte zu schaffen. Konkretes Beispiel: Bei Medienterminen für schreibende Journalisten werden keine Social-Media-Streams gepostet - und selbst die Kameras von TV-Stationen bleiben dann auf "off".
Das 360-Grad-Video war für viele alteingesessene User gewöhnungsbedürftig, erreichte aber laut Wolff "fast eine Million Views innerhalb der ersten 24 Stunden". Für Mercedes "ein Erfolg". Tatsache ist aber auch, dass über die Verbreitung der Launch-Inhalte über konventionelle Medien wie etwa Internetportale oder Zeitungen weiterhin ein viel größeres Publikum erreicht wurde.
Um das grob in Relation zu setzen: Die Special-Interest-Portale Motorsport-Total.com und Formel1.de der sport media group haben sogar im rennfreien Februar 37 Millionen "Views" (genauer: PageImpressions) generiert, mit einer einzigen Sprachversion. Dazu kamen weitere 38 Millionen via Facebook (Hier geht's zu genaueren Userdaten!). Wenn auch, zugegeben, nicht nur mit einem Live-Video...