Formel 1 in den USA: Land der begrenzten Möglichkeiten
Formel-1-Boss Ecclestone hadert mit der Geschäftsmentalität und sieht wenig Chancen auf mehr Rennen - Amerikanischer Held oder New York als letzter Ausweg?
(Motorsport-Total.com) - Es ist eine Liebe mit Anlaufschwierigkeiten und (bislang) ohne Happy End: Die Formel 1 versucht seit Jahrzehnten, auf dem wichtigen Automobilmarkt USA Fuß zu fassen. Auch nach dem Besuch zehn verschiedener Rennstrecken scheinen sich die Menschen lieber andere Sportarten im Fernsehen anzuschauen - und wenn es Motorsport sein soll, dann lieber die NASCAR-Serie. Was braucht es, um einen lange gehegten Traum des Bernie Ecclestone wahr werden zu lassen?
Ein weiterer Saisonlauf in den USA neben dem aktuellen Event in Austin treibt dem Zampano noch mehr Falten auf die Stirn als er ohnehin besitzt: "Es wäre schwierig, mehr Rennen zu veranstalten", grübelt er. Dabei brachte Greg Maffei, Boss des Formel-1-Mehrheitseigners Liberty Media, kürzlich wieder Las Vegas und Miami als Schauplätze ins Spiel. Auch das "kalifornische Monaco" Long Beach schwirrt durch die Gerüchteküche. Doch es tut sich wenig. Aus unterschiedlichen Gründen.
Las Vegas, das Zockermekka in Nevada, gewann chinesische Investoren für seine Idee. Deren Einstieg ist aus Sicht Ecclestones aber mehr Fluch als Segen. "Sie stehen dahinter, aber ich würde mir wünschen, dass sie an vorderster Front kämpfen", sagt er über die Geldgeber. Nachdem es vielversprechende Meetings mit ihnen gegeben hatte, relativierte ein Telefonat Ecclestones mit den Verantwortlichen aus Las Vegas alles. Offenbar hatten die Chinesen ihm nur die halbe Wahrheit aufgetischt.
Ecclestone geht US-Meetingwahnsinn auf die Nerven
Immerhin: Die Gespräche laufen weiter. Das ehemalige Vorzeigeprojekt in New Jersey, das bereits im Formel-1-Kalender für 2014 stand und an den Finanzen scheiterte, ist dagegen beerdigt. Die Folge einer zu konservativen Business-Philosophie in den gesamten USA, findet Ecclestone: "Das Problem ist, dass sie für einen Geschäftsabschluss eine Garantie auf Gewinn wollten, ehe sie anfangen".
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in den USA
1959, als das Indy 500 zum vorletzten Mal zur Formel-1-WM zählt, betritt man parallel erstmals neuen US-Boden: Auf dem Flugplatzkurs in Sebring im Bundesstaat Florida wird am 12. Oktober der erste Grand Prix der USA ausgetragen. Das Rennen ist das Saisonfinale 1959. Sieger: Der Neuseeländer Bruce McLaren, der mit seinem Cooper mit der Startnummer 9 von Startplatz zehn ins Rennen ging. Fotostrecke
Überhaupt wird dem Briten, der gerne Geschäfte mit arabischen Ölscheichs und Busenfreund Wladimir Putin macht, in den USA zu viel lamentiert. "Die Amerikaner sind professionelle Meeting-Teilnehmer. Sie lieben Meetings! Um sieben Uhr morgens." Bobby Epstein, der Chef des Circuit of The Americas (CoTA) in Austin, sieht die Probleme bei 'CNN' nicht bei seinen Landsleuten. Vielmehr fehle es der Formel 1 an Reizen.
"Aktuell liegt viel Marketingarbeit beim örtlichen Promoter", moniert er, wenn es um die von den Amerikanern heiß geliebte Show neben der Show geht, wie sie der Superbowl vorlebt. "Damit die Formel 1 wächst, braucht es einen US-amerikanischen Weltmeister", fügt Epstein an. Den gab es mit Phil Hill (1961) und Mario Andretti (1978) schon, doch ein neuer ist nicht in Sicht. Indy500-Sieger Alexander Rossi ist in der Formel 1 unten durch, in den Nachwuchsklassen drängt sich niemand auf. Das Haas-Team hat in dieser Hinsicht kein patriotisches Interesse und ist laut Epstein selbst kein Heilsbringer.
Lewis Hamilton wünscht sich ein Rennen in New York City
Gene Haas schärfe nur das Profil, meint der Texaner: "Die Fanbasis ist gespannt, warum der Mann aus der NASCAR-Serie zu etwas übergeht, was er als höheres Niveau begreift." Neue Fans rekrutiere das Projekt nicht. Deshalb schwebt Weltmeister Lewis Hamilton nach dem Aus für New Jersey (ein Kurs mit Blick auf Manhattans Skyline) eine andere Idee vor: "Ich war nicht enttäuscht, weil ich ein Rennen in New York City will", sagt er.
Der Brite, der viel Zeit in Los Angeles und Colorado verbringt, gerät ins Schwärmen: "Mitten in der Innenstadt. Wenn die Formel 1 in den USA groß rauskommen will, müssen wir dort ein Rennen haben. Die Straßen sind ein Graus, aber es wäre gigantisch!" Hamilton glaubt, dass die Leute gezwungen wären, sich das Spektakel anzuschauen - alleine schon wegen der räumlichen Nähe. "Wenn ganz New York weiß, dass es eines der größten Events der Stadt ist, läuft es. Jetzt weißt nicht einmal die Hälfte, was die Formel 1 ist."
Hamilton betont zwar, in den USA immer öfter erkannt zu werden, weiß jedoch, dass die Formel 1 aller Sportbegeisterung zum Trotz nur halbherzig verfolgt wird. "Wenn ich Leute treffe und sie nach meinem Job fragen, stellen sie viele Fragen. Ich merke, wie ich sie an den Haken bekomme", erzählt er von Bekannten, die sich anschließend vor den Fernseher setzten und Fans wurden. "Sie stehen jetzt zu jeder noch so unchristlichen Zeit auf", sagt Hamilton, "aber man muss sie erst für sich gewinnen."
Wenn das gelingt, schätzen Experten das Fanpotenzial auf das zehn- bis 30-fache des aktuellen Zuspruchs. "Der Sport ist perfekt für den nordamerikanischen Markt, weil er zeitlich klar begrenzt ist. Ein zweistündiges Rennen lässt sich prima in einen Zeitplan einbauen", weiß Epstein um die Bedürfnisse einer TV-Nation und hofft auf Rückenwind durch Liberty Media.