Dieter Zetsche: Liberty-Einstieg "mehr Chance als Risiko"
Ist heute schon D-Day? Die Ära Bernie Ecclestone neigt sich dem Ende zu, aber die möglichen Veränderungen werden von vielen positiv gesehen...
(Motorsport-Total.com) - Am Rande des Grand Prix von Italien in Monza wurde intensiv darüber spekuliert, dass der Verkauf der Formel-1-Anteile der Investmentgesellschaft CVC Capital Partners am Dienstag (also heute) formell eingeleitet werden könnte. Demnach soll die Mediengruppe Liberty Media von John Malone in einem ersten Schritt CVC-Anteile übernehmen und etwas später, in einem zweiten Schritt, volle Kontrolle ausüben.
Gegenüber 'RTL' bestätigt Bernie Ecclestone, dass ein Eigentümerwechsel "möglich" sei, er betont aber, es handle sich dabei nur um eine Minderheitsbeteiligung. 'Autosport' berichtet, dass der Deal noch nicht so weit sei, wie in Monza spekuliert wurde, weil neben Liberty Media auch andere Parteien Interesse bekundet haben sollen.
RSE Ventures zum Beispiel, die Investmentfirma von Miami-Dolphins-Eigentümer Stephen Ross, die seit Sonntagabend plötzlich wieder ein Thema ist. Inwieweit es sich dabei um ernsthaftes Interesse handelt oder ob die Gerüchte von CVC bewusst gestreut werden, um den Kaufpreis für Liberty Media in die Höhe zu treiben, ist unklar.
Staat Norwegen möchte angeblich auch verkaufen
Neben CVC (derzeit im Besitz von 35,1 Prozent) will angeblich auch der Staat Norwegen seine Anteile an der Formel 1 abstoßen und den Return on Investment mitnehmen. Aber bei Transaktionen dieser Größenordnung sind viele Varianten denkbar; welche letztendlich momentan ernsthaft im Gespräch sind, ist von außen nicht seriös zu bewerten.
Eine Überweisung der ersten Tranche schon heute, wie von 'auto motor und sport' am Wochenende angekündigt, gilt als unwahrscheinlich. "Es würde mich sehr überraschen, sollte schon diese Woche etwas bekannt gegeben werden", winkt CVC-Manager Donald Mackenzie im 'Independent' ab. Und auch von einem Ecclestone-Rausschmiss will er nichts wissen: "Soweit ich weiß, geht Bernie nirgendwo hin. Es hat sich nichts geändert."
Das sieht Eddie Jordan, dem seit seiner Vorhersage des Schumacher-Comebacks der Ruf eines Orakels anhaftet, anders: "Ich gehe davon aus, dass Bernie Ecclestone seinen Rücktritt in den nächsten Tagen bekannt gibt", sagt er der 'Bild'-Zeitung. Ecclestone selbst weicht auf der offiziellen FOM-Internetseite aus: "Keine Ahnung, was die gekauft haben - und an welches Management sie denken. Wirklich nicht. Tatsache ist, dass ich keine Anteile zu verkaufen habe."
Ecclestone besitzt nur 5,3 Prozent
Haben sehr wohl, wollen vielleicht weniger. Ecclestone besitzt selbst 5,3 Prozent an der Formel 1, seine Treuhandgesellschaft Bambino weitere 8,5 Prozent. Auf die hat er formaljuristisch gesehen jedoch keinen Zugriff, weil sie von seiner Ex-Frau Slavica und den Töchtern Tamara und Petra kontrolliert wird. Könnte man beweisen, dass Bambino von Ecclestone selbst kontrolliert wird, würde das die britischen Steuerbehörden sicher interessieren.
Die Formel-1-Teams könnten sich mit einem neuen Geschäftsführer gut anfreunden, hört man hinter vorgehaltener Hand. Vor laufenden Kameras will sich jedoch niemand einen Wechsel an der Spitze wünschen: "Bernie", sagt etwa Mercedes-Sportchef Toto Wolff, "hat 50 Jahre lang hervorragende Arbeit geleistet und die Formel 1 zu dem gemacht, was sie heute ist. Das wird von jedem anerkannt - sei es von uns oder von etwaigen zukünftigen Shareholdern.
Wolff: Großer Respekt vor Ecclestones Lebenswerk
"Er hat ein Imperium aufgebaut, von dem wir alle profitieren. Dieses Imperium generiert eineinhalb Milliarden Dollar Profit, jedes Jahr", erklärt er. "Die Zukunft wird zeigen, ob es Bereiche gibt, in denen wir noch besser arbeiten können. Ich weiß nicht. Aber ich will darüber nicht spekulieren. Das wäre falsch." Red-Bull-Teamchef Christian Horner (übrigens Ecclestones Trauzeuge) meint nur: "Ich hoffe ehrlich, dass Monza nicht Bernies letztes Rennen war. Ich glaube nicht."
In Branchenkreisen wird gemunkelt, dass Ecclestone auch unter Liberty-Regentschaft vorerst Geschäftsführer bleiben soll, um eine saubere Übergabe an seine Nachfolger zu gewährleisten. Diesbezüglich sind mehrere Namen im Gespräch. Der Medienmanager Chase Carey könnte eine Rolle spielen, ebenso wie Formel-E-Chef Alejandro Agag (Liberty ist Miteigentümer der Formel E) oder auch Motorsport-Marketingexperte Zak Brown.
Jemand, der den potenziellen neuen Eigentümern recht aufgeschlossen gegenübersteht, ist Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche. "Nach meinem Kenntnisstand liegt darin in Summe gesehen mehr Chance als Risiko. Deswegen glaube ich, dass wir das positiv sehen können", sagt er im Interview mit 'Sky', betont aber: "Nach meiner Kenntnis ist nichts unterschrieben. Aber es gibt eine wahrscheinliche Entwicklung, die auch noch nicht im vollen Umfang bekannt ist."