Motoren: Wie weit kommt Mercedes der Konkurrenz entgegen?
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff erklärt, wo er beim Entgegenkommen an Renault und Honda die Grenze zieht und wie Ferrari die Kosten in die Höhe getrieben habe
(Motorsport-Total.com) - Der mäßig erfolgreiche Ex-McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh ist im Fahrerlager bei vielen bereits in Vergessenheit geraten. Doch mit einer Warnung, was das neue Motorenreglement angeht, hatte er 2013 recht. "Die Befürchtung ist, dass der Motor zum ganz entscheidenden Element im Sport wird und einer der vertretenen Hersteller aus irgendeinem Grund nicht so konkurrenzfähig ist wie die anderen", meinte der Brite damals gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Wenn man ihm dann nicht Möglichkeiten bietet, dann verschwindet er wahrscheinlich für lange Zeit aus der Formel 1. Das wäre nicht gut für den Sport."
Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Während Ferrari - im Vorjahr von der Rolle - im Winter trotz strenger Entwicklungsschranken irgendwie die Kurve kratzte, sind Renault und Neueinsteiger Honda in der Krise. Beide haben das erlaubte Motorenkontingent beim Großteil ihrer Autos bereits verbraucht, obwohl noch nicht einmal die Hälfte der Saison vorüber ist. Auch in Sachen Leistung hinken sie derzeit hoffnungslos hinterher.
Mercedes zu dominant
Doch was tun, um die Formel 1 wieder ausgeglichener zu machen? Denn laut Reglement dürfen jedes Jahr weniger Komponenten geändert werden. Der Theorie nach droht es Renault und Honda also, in der Versenkung einzementiert zu sein. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone schlug deshalb beim vergangenen Meeting bereits vor, die Motorenentwicklung individuell einzufrieren, wenn ein Hersteller eine gewisse PS-Zahl erreicht hat, damit die Rivalen aufholen können - Kritiker urgieren verständlicherweise, dass dies mit Wettbewerb nichts mehr zu tun habe.
Vor allem Mercedes befindet sich diesbezüglich in einer schwierigen Situation: Die Truppe aus Brixworth hat bei der Entwicklung der V6-Turboantriebseinheiten am besten gearbeitet - mit jedem weiteren Erfolg wird der Druck allerdings größer, zugunsten der Formel 1 freiwillig auf den größten Vorteil zu verzichten.
DNS der Formel 1 auf dem Prüfstand
"Normalerweise, wenn du ein Team oder einen Motorenhersteller leitest, dann musst du rausgehen und Vollgas geben - und versuchen, alle zu zerstören", schildert Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff seine aktuelle Lage. "Deswegen sind wir hier, das ist das Hauptziel. Gleichzeitig müssen wir Mitgefühl mit denen haben, die innerhalb des Reglements Probleme haben."
Dass man nun gebeten werde, die Entwicklung einzustellen, damit die Konkurrenz aufholen kann, habe es seiner Ansicht nach "noch nie gegeben, denn es ist Teil des genetischen Codes der Formel 1, Spitzenleistungen im Ingenieurswesen anzustreben. Es handelt sich um einen Wettbewerb, bei dem es darum geht, der Beste zu sein."
Dennoch ist dem Österreicher bewusst, dass sich die Formel 1 derzeit in einer schwierigen Phase befindet, in der Zugeständnisse nötig sind. "Uns ist klar, dass ein Unternehmen wie Honda nicht immer Probleme haben darf", sagt er. "Und wir müssen nun Wege finden, es ihnen zu ermöglichen aufzuholen, ohne die DNS der Formel 1 zu ändern. Wenn also Renault und Honda sagen, dass sie das brauchen, dann können wir darüber sprechen."
Wolff erwägt Zugeständnisse
Laut dem Mercedes-Motorsportchef sind die Kosten schon diese Saison signifikant angestiegen, weil Ferrari im Reglement eine Grauzone gefunden hatte und auf eine Weiterentwicklung während des Jahres pochte: "Das haben sie clever genutzt, aber damit auch die Büchse der Pandora geöffnet." Nach aktuellem Stand müssen die Antriebseinheiten für die kommende Saison am 28. Februar 2016 homologiert werden. Wolff zeigt sich aber in Hinblick auf eine Öffnung während der Saison gesprächsbereit.
Todt fordert billigere Kundenmotoren
Noch ein anderer Aspekt sorgt beim Wiener derzeit für Sorgenfalten: FIA-Boss Jean Todt fordert, dass die Antriebseinheiten für Kunden in Zukunft deutlich billiger werden, damit die kleinen Teams überlebensfähig bleiben. Die Silberpfeile haben derzeit die meisten Motorenkunden, müssten also in so einem Fall die größten Budgetabstriche machen.
"Das würde unsere Situation stark beeinträchtigen", bestätigt Wolff auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com', "denn in einer großen Firma erstellt man ein Geschäftsszenario, rechtfertigt seine Investition und unterschreibt dann einen Vertrag. Wenn das dann verändert werden muss, weil das Umfeld schwieriger wird, dann ist das für eine Firma wie uns eine große Herausforderung."
Nun werde man aber "die Bleistifte spitzen", kündigt Wolff an."Das haben wir versprochen." Beim nächsten Meeting werde Mercedes dann präsentieren, "ob günstigere Motoren machbar sind oder nicht".
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene sieht währenddessen kein großes Problem auf sein Team zukommen, da man mit den Antriebseinheiten so oder so Geld verdienen werde. "Wer auf der Welt verkauft denn etwas unterhalb des Produktionspreises?", fragt der Italiener. " Den soll man mir bitte mal zeigen. Wir sind in Gesprächen, um die Motoren zum bestmöglichen Preis anbieten zu können."