Formel-1-Krise: Angst vor EU-Intervention wächst
Vor dem Motorsport-Weltrat in Doha: Warum die Angst vor der Europäischen Union wächst und welcher Ex-FIA-Präsident sich als Vermittler anbietet
(Motorsport-Total.com) - Ausgerechnet am Tag der letzten Sitzung des FIA-Motorsport-Weltrats im Jahr 2014 in Doha (Katar) steht die Formel 1 möglicherweise vor einer Zerreißprobe. Denn während die Ratsmitglieder unter anderem über Fragen wie die doppelten Punkte beim Saisonfinale oder das virtuelle Safety-Car diskutieren, geht hinter den Kulissen die große Angst vor einem Eingreifen der Europäischen Union um.
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Die EU interessiert sich für das Lebenswerk von Max Mosley und Bernie Ecclestone Zoom Download
Die finanziell strauchelnden Teams, allen voran Force India, Lotus und Sauber, erhöhen schon seit Austin den Druck auf die Entscheider, die Einnahmenverteilung in der Formel 1 umzugestalten, da sie ansonsten wirtschaftlich nicht überleben können. Bisher wurde zwar viel geredet, aber handfeste Lösungen konnten nicht präsentiert werden. Und zur Strategie von Force India & Co., den Druck zu erhöhen, passt ganz gut, dass sich die EU nun für diverse Formel-1-Verträge zu interessieren scheint.
Denn dass etwa Ferrari und Red Bull 2013 mehr als 160 Millionen US-Dollar kassiert haben, während Marussia mit zwölf Millionen auskommen musste, dürfte die EU-Wettbewerbskommission interessieren. Und dass die FIA für Anteile an der geplanten Formel-1-Aktiengesellschaft Geld erhalten, aber Kontrolle an die Inhaber der kommerziellen Rechte abgegeben hat, wird von Insidern ebenfalls kritisch betrachtet. Schließlich hat die EU schon 2001 eine klare Gewaltentrennung eingefordert: Die FIA macht den Sport, Bernie Ecclestone das Kommerzielle.
Wurde die EU als Druckmittel bewusst aktiviert?
Ob die rebellierenden Teams die EU bewusst ins Boot geholt haben oder ob Brüssel von sich aus auf die Idee kam, sich einzuschalten, sei dahingestellt. Die Londoner 'Times' berichtet jedenfalls, dass die Geschäfte der Formel 1 schon seit eineinhalb Jahren durchleuchtet werden. Was den Vertrag zwischen Ecclestone und der FIA angeht, ist sich die FIA sicher, sich im legalen Rahmen zu bewegen, heißt es. Doch ein Einschreiten der EU würde (zumindest) für Verunsicherung unter denen sorgen, die derzeit die größten Stücke vom Kuchen abschneiden.
Eine Idee ist daher angeblich, den ehemaligen FIA-Präsidenten Max Mosley vorab als Vermittler zwischen Brüssel und der Formel 1 einzuschalten. Das gilt zwar als unwahrscheinlich, doch mit seinem Verhandlungsgeschick wird Mosley von vielen als ideale Figur für eine solche Aufgabe gesehen. "Wenn sich die EU einschaltet, kann sie die ganze Sache zerreißen", so Mosley in der 'Times'. "Mir schmeichelt die Idee, dass ich involviert sein könnte. Ich habe zwar derzeit keinen Kontakt, würde aber alles unternehmen, falls ich den betroffenen Parteien helfen kann."
Im Rahmen der FIA-Woche in Doha wird zwar nicht erwartet, dass der Weltrat heute dazu Beschlüsse fassen wird, doch in Gesprächen hinter den Kulissen wird die Kosten- und EU-Problematik mit Sicherheit zur Sprache kommen. Und eines der Ratsmitglieder, mit Vijay Mallya ein direkt Betroffener, möchte das Thema auch formell auf den Tisch bringen: "Ich bin zwar hoffnungslos in der Unterzahl, aber ich kann den Fall darlegen." Letztendlich wohl mit der Absicht, auch die bisher recht passive FIA zum Handeln zu bewegen.
Hohe Motorenkosten eine der Hauptursachen
Denn: "Er (FIA-Präsident Jean Todt; Anm. d. Red.) hat sich für die neuen Motoren stark gemacht, also trägt die FIA auch eine gewisse Verantwortung dafür, die Kosten auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren", findet Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn. "Und bei anderen Kosteneinschränkungen ist es so, dass wir Einstimmigkeit für eine Budgetobergrenze hatten, aber die wurde letztendlich einfach nicht berücksichtigt." Mallya ergänzt: "Die Formel 1 ist die Königsklasse der FIA, also sollte sich die FIA genauso Sorgen über die Zukunft der Formel 1 machen."
Was die FIA konkret und rasch unternehmen kann, um Kostensenkungen zu erzielen, ist jedoch unklar. Zuletzt war die Rede davon, dass der Verband zumindest den Druck auf Ecclestone erhöhen könnte, indem der Weltrat heute den Rennkalender 2015 nicht formell absegnet. Denn die Einnahmen aus Grand-Prix-Verträgen stellen für die Formel 1 einen Bärenanteil des Umsatzes dar. Allerdings gilt so ein radikaler Schritt als unwahrscheinlich - weil unter potenziellen Einnahmeausfällen letztendlich auch die betroffenen kleinen Teams leiden würden...
Fotostrecke:
1969 trafen sich Bernie Ecclestone und Max Mosley zum ersten Mal, im Rahmen eines Formel-2-Rennens. Erst bei einem Meeting der damaligen Formula One Constructors Association (FOCA) im Jahr 1971 kam es aber zum ersten Gespräch der beiden Männer, die die Kontrolle über die Königsklasse des Motorsports schon bald an sich reißen sollten. Fotostrecke
Die Mitglieder des FIA-Motorsport-Weltrats:
Jean Todt (Frankreich)
Graham Stoker (Großbritannien)
Jose Abed (Mexiko)
Nasser Chalifa Al-Attiyah (Katar)
Michael Boeri (Monaco)
Morrie Chandler (Neuseeland)
Carlos Gracia Fuertes (Spanien)
Hugo Mersan (Paraguay)
Surinder Thatthi (Südafrika)
Garry Connelly (Australien)
Nicolas Deschaux (Frankreich)
Zrinko Gregurek (Kroatien)
Yoshiki Hiyama (Japan)
Viktor Kirjanow (Russland)
Vijay Mallya (Indien)
Radovan Novak (Tschechien)
Lars Österlind (Schweden)
Cleyton Tadeu Correia Pinteiro (Brasilien)
Vincenco Spano (Venezuela)
Angelo Sticchi Damiani (Italien)
Teng Lip Tan (Singapur)
Hermann Tomczyk (Deutschland)
Heping Wan (China)
Scheich Abdullah bin Isa Al Chalifa (Bahrain)
Bernard Ecclestone (Großbritannien)
Emerson Fittipaldi (Brasilien)
Francois Cornelis (Frankreich)