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CVC-Angebot: Dritte Autos und zwei Ligen, aber kein Geld
Die kleineren Teams bekommen kein zusätzliches Geld, dürfen ab 2016 aber Kundenautos einsetzen - 2015 möglicherweise drei Autos von Red Bull und Ferrari
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 steht vor dem Hintergrund der Finanzkrise der kleineren Teams vor der vielleicht einschneidensten Veränderung in ihrer Geschichte. Wie am Rande des Brasilien-Grand-Prix in Sao Paulo bekannt wurde, planen die Macher der Königsklasse, ab 2016 den Einsatz von Kundenautos zu erlauben und die Weltmeisterschaft eventuell in zwei Ligen für Werks- und Privatteams zu teilen. Dazu sollen Red Bull und Ferrari 2015 ein drittes Auto an den Start bringen. Wasserdicht ist noch nichts.
Bernie Ecclestone spricht dennoch bereits konkret von einer revolutionär veränderten Beletage des Motorsports. "Das wäre unter Umständen eine Idee", kommentiert der Zampano ein geteiltes Championat und schmückt die Idee aus: "Wir könnten neben der Konstrukteurs- auch eine Team-Weltmeisterschaft ausschreiben." Konkret hieße das: Ferrari, Mercedes, Renault-Lieblingskind Red Bull und McLaren mit Honda-Unterstützung fahren ein Rennen, die "Kleinen" mit Sauber, Force India und Lotus das andere.
Fraglich bleibt, wie sich Toro Rosso einsortieren würde. Jedoch soll Gerüchten zufolge der mögliche Abgang des spanischen Hauptsponsors Cepsa zu Real Madrid die Zukunft fraglich erscheinen lassen. Vorbild für das Kundenauto-Modell soll das 2016 einsteigende US-Team Haas Formula sein. Patron Gene Haas und sein Teamchef Günther Steiner planen eine weitgehende Kooperation mit Ferrari, um die Kosten ihres Projekts gering zu halten. Schon die insolvente Marussia-Mannschaft hatte sich eng an die Scuderia gebunden und neben dem Antrieb etwa auch das Getriebe in Maranello bezogen, vor dem Ruin rettete sie dieser Schritt allerdings nicht.
Welle der Entrüstung in der Formel 1
Ecclestone verweist darauf, dass das Kundenmodell schon in den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren funktionierte: "Das wäre ein Schritt zurück zu den Anfängen der Formel 1, als nahezu alle Teams mit dem Cosworth-DFV-Motor fuhren." Nach einem Beispiel für die dritten Autos müsste der Brite länger suchen. Ehe er dazu kommt, sollte er sich mit der Welle der Entrüstung auseinandersetzen, die die Sache in der Szene hervorgerufen hat. Am deutlichsten wird Gerard Lopez.
Der Lotus-Teamchef sagt der 'Times': "Das wäre der Tod der Formel 1." Rechtlich gesehen gibt es vielleicht wenig Handhabe. Die Verträge über den kommerziellen Rahmen sehen vor, dass die bei der Verteilung der Einnahmen begünstigten CCB-Teams mit dem Unterschreiten einer bestimmten Anzahl von gemeldeten Fahrzeugen zum Einsatz eines dritten Wagens verpflichtet sind. Über die genaue Zahl streitet man sich in Abwesenheit eines Concorde-Agreements, viele Einzelverträge regeln den rechtlichen Rahmen. 16 sind wahrscheinlich, aber auch 20 möglich.
Drittes Auto: Mercedes interessiert, Marko schäumt
Offenbar liegt die Hoheit über diese Entscheidungen in ihrer Hand. Entsprechend unverbindlich bleibt Ecclestone: "Diesbezüglich gibt es derzeit keine Einigung." Am Samstag war bekannt geworden, dass Ecclestone die "Kleinen" in der Debatte um die Gelderverteilung vertröstet hatte, weil er Rücksprache halten musste. CVC ist deshalb daran interessiert, die Königsklasse irgendwie am Leben zu erhalten, weil mit dem mehrfach verschobenen Börsengang in Singapur richtig Kasse gemacht werden soll.
Warum setzt nicht auch Mercedes ein drittes Auto ein? CCB-Status bemisst sich an Dauer der Teilnahme an der Formel 1 und den Erfolgen in den Jahren 2009 bis 2012. So gesehen sind die Silberpfeile nur die Nummer vier, müssten mit ihrem Potenzial, ihren Ressourcen und ihrem Anspruch an Außendarstellung durch Motorsport aber daran interessiert sein, in der Ferrari- und Red-Bull-Liga zu spielen. "Wir sind so lange flexibel, wie es wirtschaftlich einen Sinn ergibt für die Formel 1", sagt Niki Lauda bei 'Sky'.
Der Aufsichtsratsvorsitzende fordert aber auch: "Man darf das Geld nicht irgendwo verpulvern. Wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist, muss man sich mit allen anderen zusammensetzen und eine gemeinsame Lösung suchen." Helmut Marko, der als Red-Bull-Motorsportberater bald drei Autos in der Box parken sehen könnte, ist da ganz anderer Meinung: "Das ist der völlig falsche Ansatz", schimpft der Grazer. "Weder wir noch irgendein anderes Team sind in solche Entscheidungen eingebunden."
Mehr Autos bedeuten juristischen Notausgang
Marko fordert eine neue Struktur, in der die Teilnehmer wieder ein Wörtchen mitsprechen und nicht im stillen Kämmerlein über die Königsklasse gerichtet wird: "Es gibt eine Vereinbarung zwischen der FIA und dem FOM (Formula One Management; Anm. d. Red.), und es kassiert immer noch das FOM den Löwenanteil für ein vergleichsweise risikoloses finanzielles Engagement." Auch Christian Horner hat wenig Lust auf Drillinge: "Wir wollen, dass alle Teams dabeibleiben", sagt der Teamchef bei 'Sky Sports F1'.
Horner hofft, dass durch die Erfüllung der Starteruntergrenze keine Verpflichtung besteht und die Sache doch Fiktion bleibt. "Wir unterstützen ganz klar eine volles Feld mit Zwei-Wagen-Teams. Das Wichtigste ist, dass wir eine gesunde Startaufstellung aufbieten können und guten Rennsport zeigen", unterstreicht Horner. Ex-Pilot Martin Brundle ist da ganz seiner Meinung. Der 'Sky Sports F1'-Experte erklärt: "Das kann nur eine kurzfristige Lösung sein. Auf lange Sicht hin ist es sehr, sehr negativ für die Formel 1."
Brundle befürchtet einen Eingriff in das sportliche Machtgefüge: "Meine Bedenken sind genau wie sicher auch die von Mercedes, dass mit einem dritten Red Bull und einem dritten Ferrari Autos punkten und sie dann im Regen stehen. Es können nur zwei in der Konstrukteurs-WM berücksichtigt werden." Wollen die Stuttgarter also deshalb mitmachen? Es wird auch darauf ankommen, welcher Reglement-Rahmen für die dritten Autos geschaffen wird. Auch ein Rookie-Cockpit ist im Gespräch.
Lopez flucht: Landen am Ende alle im Knast?
Im Umkehrschluss bedeuteten die Pläne, dass die angeschlagenen Mannschaften Sauber, Lotus und Force India nicht wie erhofft mehr Geld aus den Einnahmentöpfen der Formel 1 erhalten. Die fette Beute bleibt bei den Platzhirschen und bei CVC. Ecclestone soll diese Entscheidung den Teamchefs Monisha Kaltenborn, Gerard Lopez und Vijay Mallya am Sonntagmittag mitgeteilt, der Inder das Meeting mit gewaltigem Brass verlassen haben. Sein luxemburgischer Mitstreiter flüchtet sich in Galgenhumor.
Fotostrecke:
1969 trafen sich Bernie Ecclestone und Max Mosley zum ersten Mal, im Rahmen eines Formel-2-Rennens. Erst bei einem Meeting der damaligen Formula One Constructors Association (FOCA) im Jahr 1971 kam es aber zum ersten Gespräch der beiden Männer, die die Kontrolle über die Königsklasse des Motorsports schon bald an sich reißen sollten. Fotostrecke
Lopez kommentiert: "Gordon Gecko (Hauptcharakter und skrupelloser Börsenhai im Hollywood-Klassiker "Wall Street"; Anm. d. Red.) sagte, dass Gier gut sei. Er ist im Knast gelandet." Die Krisengespräche um eine mögliche Reduzierung der Ausgaben und eine Reform der Verteilung der Preis- sowie Antrittsgelder nennt Ecclestone "Zeitverschwendung" und gibt den um ihre Existenz kämpfenden Rennställen einen beinahe zynischen Rat: "Der Weg ist ganz einfach: Man darf nicht so viel ausgeben." Reinreden lassen will er sich ohnehin nicht: "Ich spreche derzeit mit Donald (CVC-Boss Mackenzie; Anm. d. Red.) über etwas ganz anderes. Es liegt nicht an ihnen, zu entscheiden, mit wem ich rede."
Kleine Teams: Ecclestone wird zynisch
Der 84-Jährige legt mit Verweis auf insgesamt 900 Millionen US-Dollar (rund 726 Millionen Euro), die jedes Jahr an die Teilnehmer ausgeschüttet werden, nach. Er unterstellt den Kleinen sogar, unprofessionell zu sein: "Sie haben genug, um zu überleben, aber nicht für die Art und Weise, in der sie es tun wollen. Sie sollten anfangen, ein Geschäft zu betreiben und kein Hobby." Auch Marko wehrt sich entschieden dagegen, mit Soforthilfen dafür zu sorgen, dass Sauber, Lotus und Force India überleben.
Die Red-Bull-Eminenz fordert vor dem Hintergrund, dass auch sein Arbeitgeber bei dem diskutierten Solidaritätsbeitrag etwas abdrücken müsste: "Man muss mehr Attraktivität in den Sport bringen, dann wird es auch den kleinen Teams leichter fallen, Sponsoren zu finden. Wir sind strikt dagegen, dass sie ein nicht-leistungsgemäßes Einkommen haben." Für Lopez ist die ganze Diskussions höchstens noch Realsatire, von Boykott-Erwägungen will er nichts wissen: "Ich habe nie mit irgendeinem Protest gedroht, aber es ist ein 1,6-Milliarden-US-Dollar-Business und Teams fahren vor die Wand, weil es um ein paar Dutzend Millionen geht. Offenbar kümmert man sich einfach nicht um den Sport."