Ecclestone-Prozess: Gribkowsky wirft Bestechung vor
Der Ex-Banker im Zeugenstand: 44 Millionen Dollar hat Bernie Ecclestone an Gerhard Gribkowsky bezahlt, zehn und 80 soll er ihm davor schon angeboten haben
(Motorsport-Total.com) - Am Ende des Showdowns wurde es plötzlich doch noch turbulent. Ja, es habe einen konkreten Versuch gegeben, ihn zu bestechen, sagte Kronzeuge Gerhard Gribkowsky da auf einmal - nach sieben Stunden Befragung im Korruptionsprozess gegen Bernie Ecclestone, in denen er sich partout nicht an einen solchen Vorfall erinnern wollte.
Im Juli 2004 soll Formel-1-Geschäftsführer Ecclestone ihm zehn Millionen US-Dollar geboten haben, damit er sich für die Einstellung eines Prozesses einsetze, der dem mächtigen Motorsport-Boss ein Dorn im Auge war ("FOH-Verfahren"). Und wo er gerade dabei war, fiel Gribkowsky auf Drängen des Gerichts auch noch ein längst bekannter Fall aus dem Jahr 2005 ein. Von 80 Millionen US-Dollar sei damals die Rede gewesen, abzuholen in Singapur.
Gribkowsky behauptete, er habe dies damals sogar dem Landeskriminalamt gemeldet. Dieses hat den Fall jedoch nie verfolgt. An das 80-Millionen-Angebot erinnern konnte sich der Kronzeuge übrigens erst, als ihm der vorsitzende Richter Peter Noll aus einer alten Vernehmungsakte der Staatsanwaltschaft vorlas.
Richter vertagt die Verhandlung auf Dienstag
Dem Richter, der zuvor stundenlang vergeblich nachgefragt hatte, wurde es da zu bunt - er vertagte die Verhandlung auf kommenden Dienstag. Gribkowsky, Hauptbelastungszeuge der Anklage, hatte bis dahin alles getan, um eindrucksvoll vorzuführen, warum Ecclestones Anwälte mit der Strategie, ihm ein Glaubwürdigkeitsdefizit zu bescheinigen, Erfolg haben könnten.
Der Showdown begann mit einem Lächeln. Als Gribkowsky um 10:12 Uhr Saal A101 des Landgerichts München betrat, nickte der frühere Risikovorstand der BayernLB dem Angeklagten Ecclestone vergnügt zu und begrüßte ihn mit einem kernigen "Morgen!".
Später, in der Mittagspause, plauderten die beiden kurz, Gribkowsky klopfte dem deutlich kleineren Ecclestone gönnerhaft auf die Schulter. Auch im Prozess schien Ecclestone von Gribkowsky nichts zu befürchten zu haben - bis dieser sich dann doch noch an einen mutmaßlichen Bestechungsversuch erinnerte.
Gribkowsky bleibt über weite Strecken vage
Der frühere Banker, wegen der Annahme von 44 Millionen US-Dollar von Ecclestone zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt, blieb zuvor im Vagen, was ihm Noll vorwarf. Dass es sich bei den Ecclestone-Millionen wie von der Anklage behauptet um Bestechung eines Amtsträgers im Zuge des Verkaufs der BayernLB-Anteile an der Formel 1 an den britischen Investor CVC gehandelt habe - dieser Vorwurf erhärtete sich zunächst kaum.
Gribkowsky berichtete zwar von einer Bemerkung Ecclestones ihm gegenüber im Zuge des Verkaufs der BayernLB-Anteile ("Ich werde mich um Sie kümmern"). Anders als die Staatsanwaltschaft, die darin ein Indiz für Bestechung sieht, will er diesem Satz aber zunächst keine große Bedeutung zugemessen haben. Der lange freundliche Noll nahm dies ebenso verwundert zur Kenntnis wie zahlreiche andere Ausführungen Gribkowskys während der Vernehmung, der neben Ecclestone auch dessen Frau Fabiana Flosi beiwohnte.
Rückenwind für Ecclestones Erpressungstheorie
Gribkowsky stützte überdies - wohl ungewollt - die Argumentation von Ecclestone, der die genannte Summe bezahlt haben will, weil er sich von Gribkowsky bedroht gefühlt und sein Lebenswerk in Gefahr gesehen habe. Er habe im Frühjahr 2005 nach einem Ersatz für Ecclestone an der Spitze der Formel 1 fahnden lassen, führte Gribkowsky aus - für Noll ein "Frontalangriff" auf Ecclestone. Der Staatsanwaltschaft dürfte dies nicht gefallen haben.
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1969 trafen sich Bernie Ecclestone und Max Mosley zum ersten Mal, im Rahmen eines Formel-2-Rennens. Erst bei einem Meeting der damaligen Formula One Constructors Association (FOCA) im Jahr 1971 kam es aber zum ersten Gespräch der beiden Männer, die die Kontrolle über die Königsklasse des Motorsports schon bald an sich reißen sollten. Fotostrecke
Ecclestones Verteidiger Sven Thomas warf ein, Gribkowsky zeige grundsätzlich die "Bereitschaft, andere zu Unrecht strafbarer Handlungen zu bezichtigen". Dies habe sich beim Schmiergeld-Verfahren gegen Gribkowsky ebenso gezeigt wie bei einem Folgeprozess, der erst nach verschiedenen Aussagen Gribkowskys zustande gekommen war - und hatte eingestellt werden müssen.
Ecclestone-Verteidigung sieht sich bestätigt
Außerdem sieht Thomas durch die heutige Aussage bestätigt, dass auf seinen Mandanten "Druck ausgeübt wurde, der über das normale Maß hinausgeht" - was die Erpressungstheorie, die Ecclestone vertritt, stärkt. Thomas hatte schon zum Auftakt des Prozesses am 24. April erklärt, Gribkowsky habe bereits früher "in den entscheidenden Punkten die Unwahrheit gesagt". Und Gribkowsky tat bei seinem Auftritt wenig, um dem entgegenzutreten.
Ab April 2005 habe er "die Kriegsfahnen" eingerollt, berichtete der ehemalige Risikovorstand der Bayerischen Landesbank, und mit Ecclestone gemeinsam einen Käufer für die Formel 1 gesucht. "Und dann hat er zu mir gesagt: 'I will take care of you.' Das habe ich erstmal als Jobangebot verstanden und habe mir darum keine weiteren Gedanken gemacht", so Gribkowsky.
Dann die Gretchenfrage von Richter Noll: Hat Gribkowsky beim Verkauf der Formel-1-Anteile der Bayerischen Landesbank an CVC auch für sich selbst einen Vorteil gesehen? "So einfach ist das nicht zu beantworten. Ich kann das nicht 1:1. Natürlich schwang das auch mit. Ich habe durch die Perspektive, in den Formel-1-Gremien bleiben zu können, eine alternative berufliche Zukunft für mich gesehen. Damals habe ich das Thema Provision zur Seite gelassen. Heute sehe ich mein eigenes Verhalten kritischer."
Wunschbetrag: 50 Millionen US-Dollar
Beim Grand Prix von Bahrain 2006, also nach vollzogener Transaktion, sei das Thema Belohnung dann erstmals konkret geworden, so Gribkowsky. Ecclestone habe sich erkundigt, ob die Bank für den erfolgreichen Vertragsabschluss eine Provision bezahlt habe. Das war nicht der Fall. Worauf der Formel-1-Geschäftsführer nur gesagt haben soll: "Nenne mir eine Summe." Gribkowsky stellte 50 Millionen US-Dollar in den Raum.
Gribkowsky beteuerte, man habe mit dem A4-Dokument lediglich zeigen wollen, dass man die Hausaufgaben gemacht hätte und nach den gleichen Regeln spielen würde wie Ecclestone, der einen Ruf als gnadenloser Geschäftsmann genießt. Gleichzeitig behauptete Gribkowsky jedoch, er wisse nicht mehr genau, welche Informationen das Dokument beinhaltet habe. Er habe es sich damals zwar angesehen, nach Meinung seiner Anwälte sei es aber ohnehin nutzlos gewesen.
Ecclestones Neugier durch A4-Zettel geweckt
Aber zumindest wichtig genug, um Ecclestones Interesse zu wecken, denn der Formel-1-Geschäftsführer meldete sich telefonisch bei Gribkowsky, als er das Dokument endlich auf seinem Schreibtisch fand. Bereits im Vorfeld des Prozesses hatte Ecclestone ja behauptet, Gribkowsky habe versucht, ihn zu erpressen und notfalls bei den britischen Steuerfahndern anzuzeigen. Denn der Verdacht, dass Ecclestone selbst Zugriff auf den milliardenschweren Bambino-Treuhandfonds hat, könne ihn theoretisch ein Vermögen kosten.
Ecclestone hatte Bambino seinerzeit für seine damalige Ehefrau Slavica und seine beiden Töchter eingerichtet. Und tatsächlich räumte Gribkowsky heute erstmals ein, dass seinerzeit die Behauptung gefallen sei, Bambino und Ecclestone seien ein und dasselbe. Er habe aber "keine Erinnerung daran", ob er in Zusammenhang mit dieser Behauptung auch konkret mit steuerlichen Nachteilen für Ecclestone gedroht habe.
Ecclestone hatte Gribkowsky im Zuge des Verkaufs von Formel-1-Anteilen der Bayerischen Landesbank an den britischen Investor CVC Capital Partners 44 Millionen US-Dollar (damals rund 36,5 Millionen Euro) gezahlt. Der Brite behauptet, er sei von Gribkowsky erpresst worden. Die Anklage geht indes von Bestechung aus.