• 06. April 2011 · 20:06 Uhr

Todt, Ecclestone und der 100-jährige Vertrag

Worum es im Machtkampf zwischen Jean Todt und Bernie Ecclestone wirklich geht und wie viel Formel-1-Geld 2010 an die Teams ausgeschüttet wurde

(Motorsport-Total.com) - Hinter dem Streit zwischen FIA-Präsident Jean Todt und Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone, der Todt erst kürzlich öffentlich denunziert hat, steckt wie so oft vor allem ein Hauptmotiv: Geld. Denn hinter den Kulissen der Königsklasse des Motorsports findet gerade eine kommerzielle Revolution statt, die bisher kaum jemand bemerkt hat.

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Bernie Ecclestone und Jean Todt kämpfen derzeit mit harten Bandagen Zoom Download

Hintergrund ist jener 100-jährige Vertrag, den Ecclestone und Todts Vorgänger Max Mosley bereits im Jahr 2001 abgeschlossen haben. Inhalt: Die FIA erhält sofort 360 Millionen US-Dollar, tritt dafür aber ihre Ansprüche an den kommerziellen Rechten der Formel 1 ab 2011 für 100 Jahre an Ecclestones Formula One Management (FOM) ab (und entspricht damit einem Wunsch der Europäischen Union). Zehn Jahre später bricht der FIA auf diese Weise eine Einnahmequelle in Millionenhöhe weg.

Denn der 100-jährige Vertrag knüpft an ein Interims-Abkommen an, dessen Gültigkeit Ende 2010 automatisch ausgelaufen ist. Bisher mussten die Inhaber der kommerziellen Rechte laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' 300.000 Britische Pfund pro Grand Prix oder - je nach Anzahl der Saisonrennen - rund fünfeinhalb Millionen Pfund pro Saison (umgerechnet mehr als sechs Millionen Euro) an die FIA überweisen.

FIA-Budget immer angespannter

Schon in den vergangenen Jahren hat die FIA diverse Gebühren (etwa für Fahrer-Superlizenzen oder den Wetterdienst an der Strecke) drastisch angehoben, um aufkeimende Löcher im Budget zu stopfen. Todt geht aber offenbar noch einen Schritt weiter und will den 100-jährigen Vertrag anfechten, um für die FIA ein größeres Stück vom millionenschweren Kuchen abzuschneiden. Das ist den Inhabern der kommerziellen Rechte natürlich ein Dorn im Auge.

"Ich werde sicherstellen, dass alle eines verstehen: Seit die Vereinbarung unterzeichnet wurde, haben sich die Zeiten geändert, haben sich die Technologien geändert", argumentiert Todt in der 'Financial Times'. "Vor 15 Jahren gab es noch nicht die komplizierte TV-Elektronik wie heute, aber all das kostet etwas. Das müssen wir in Betracht ziehen, denn meine Aufgabe ist es, mich um die Finanzierung der FIA zu kümmern. Unsere Kosten sind höher als vor zehn Jahren. Evolution hat ihren Preis."

Der französische "Napoleon", wie der frühere Ferrari-Teamchef auch wegen seiner Körpergröße (rund 1,65 Meter), vor allem aber wegen seines Durchsetzungsvermögens genannt wird, zieht nun alle Register, um der FIA ausreichend Einnahmen zu sichern. Konkret geht es um die sogenannte "Don-King-Klausel" des 100-jährigen Vertrags, die besagt, dass die kommerziellen Rechte nur dann an einen neuen Eigentümer verkauft werden dürfen, wenn die FIA zustimmt.

"Sollte sich CVC entscheiden zu verkaufen, hätten auch wir unsere Rolle zu spielen", deutet Todt ein Veto an, sollten seine Bedingungen nicht erfüllt werden. Diese Kampfansage kommt möglicherweise genau im richtigen Moment, denn unbestätigten Gerüchten zufolge plant CVC Capital Partners tatsächlich einen Ausstieg aus der Formel 1. Alleine 2010 sollen die immensen Finanzierungskosten der Investmentgesellschaft 660 Millionen US-Dollar gekostet haben.

Wem gehört die Formel 1?

Doch im Gegensatz zum weit verbreiteten Glauben ist CVC nicht der alleinige Eigentümer des Formel-1-Imperiums. Genauer gesagt kontrolliert die Investmentgesellschaft nur 63,3 Prozent der obersten Formel-1-Holding Delta Topco. Weitere 15,3 Prozent liegen immer noch bei einer Lehman-Brothers-Firma, 8,5 Prozent beim Ecclestone-Familienfonds Bambino und 5,3 Prozent bei Bernie Ecclestone persönlich. Der Rest sind kleinere Anteilseigner.

"Für mich zählen nur die Interessen der FIA."Jean Todt
Das aktuelle Concorde-Agreement, das die Formel 1 (Rechteinhaber, FIA und Teams) quasi zusammenhält, läuft Ende 2012 aus. Ein FIA-Veto wäre für CVC und Co. eine mittlere Katastrophe, aber: "Für mich zählen nur die Interessen der FIA. Diese zu schützen, sollte im Interesse aller sein", so Todt. "Es kann keine FIA-Formel-1-Weltmeisterschaft ohne starke Verpflichtung der FIA geben. Das wiederum ist auch im besten Interesse der Teams und von CVC."

Die Inhaber der kommerziellen Rechte und die zwölf Teams teilen sich alle Einnahmen der Formel 1 im Verhältnis 50:50 auf. 2010 betrug die Gesamtsumme rund 1,3 Milliarden US-Dollar, von denen 658 Millionen nach einem komplizierten Erfolgsschlüssel an die Teams aufgeteilt wurden. Die Einnahmen lagen übrigens um rund zwei Prozent über dem Wert von 2009, was an den ständig steigenden Veranstaltergebühren sowie neuen Rennen wie etwa in Südkorea lag.

Denn was viele nicht wissen: Jene (politisch in vielen Ländern zur Diskussion stehenden) Millionen, die in Hockenheim, Silverstone und Co. für rote Zahlen sorgen, wandern nicht nur in Ecclestones Taschen, sondern auch in jene der Teams. Die haben daher ein großes Interesse daran, möglichst hohe Grand-Prix-Gebühren zu kassieren, auch wenn sie nach außen oftmals den Eindruck erwecken, großes Interesse an der Erhaltung der (finanziell wenig attraktiven) Traditionsstrecken zu haben.

Todt lässt seine Muskeln spielen

Todt glaubt übrigens nicht, dass CVC tatsächlich aus der Formel 1 aussteigen will: "Sie sind entschlossen, haben exzellente Arbeit geleistet, mögen das Formel-1-Business", sagt der Franzose. Und er stellt klar: "Wichtig ist nun, dass wir erörtern, was jeder zur Entwicklung der heutigen Formel 1 beigetragen hat, was die Formel 1 ist und was sie in Zukunft sein soll. Und dann brauchen wir eine gesunde Diskussion darüber, wie die Einnahmen und Kosten aufgeteilt werden sollen."

Allerdings gesteht er ein, dass der 100-jährige Vertrag trotz eingehender Prüfung durch die FIA-Anwälte nicht anfechtbar erscheint: "Der ist so, wie er ist." Daher die Vetodrohung - gegen einen möglichen Verkauf der Formel-1-Rechte von CVC an eine dritte Partei, gegen das neu zu verhandelnde Concorde-Agreement. Todt hat von seinem Vorgänger Mosley, der den für die FIA unvorteilhaften 100-jährigen Vertrag ausgehandelt hat, ein schweres Erbe übernommen.

Übrigens wurde für den Beginn der 100-jährigen Ära eine neue Firma gegründet, die alle Formel-1-Rechte zentralisiert verwalten soll. Wie aus Eintragungen im britischen Handelsregister hervorgeht, heißt diese Formula One World Championship (FOWC). Auf die FOWC wurden bereits alle bisherigen Verträge der Formula One Administration (FOA) übertragen. Die FOA wiederum soll komplett aufgelöst werden, hat im Formel-1-Imperium künftig keine Funktion mehr.

Das alles zeigt: Hinter den Kulissen der Formel 1 ist viel in Bewegung - und viele Parteien und Menschen spielen in diesem Machtkampf um viel Geld eine Rolle. Die zwei vielleicht wichtigsten Figuren sind jedoch zweifellos Ecclestone und Todt. Wie sich der Streit zwischen den beiden in den nächsten Monaten entwickeln wird und ob sie wie früher immer Ecclestone und Mosley am Ende doch eine gemeinsame Lösung finden, bleibt abzuwarten...

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