Manager klagt: Bezahlfahrer nehmen Überhand
Nicolas Todt prangert die Tatsache an, dass junge Fahrer ohne Geld nicht mehr in die Formel 1 kommen - Nick Heidfeld warnt vor "Blendern"
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 erholt sich langsam wieder von den Folgen der Wirtschaftskrise, die freiwilligen Sparmaßnahmen der Teams wurden sogar schon aufgelockert und dafür bis 2017 verlängert. Aber ganz spurlos ist die Panik auf den Finanzmärkten nicht an der Königsklasse vorbeigezogen. So ist zum Beispiel die Berufsgruppe der Bezahlfahrer deutlich präsenter als früher.
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Nicolas Todt mit seinem Schützling Jules Bianchi, seit Anfang 2010 Ferrari-Junior Zoom Download
Mit Sergio Pérez, Pastor Maldonado und Vitaly Petrov bewerben sich gleich drei Piloten um 2011er-Cockpits, deren Mitgift im zweistelligen Millionenbereich liegen soll, während auch Jérôme D'Ambrosio, Sakon Yamamoto und Karun Chandhok erhebliche Summen mitbringen würden. Mindestens sechs Fahrer also, deren Hauptargument im Kampf um ein Formel-1-Cockpit der Geldkoffer ist - macht theoretisch ein Viertel des Starterfeldes.
Fast jeder muss Geld mitbringen
Dazu kommen noch Fahrer wie Adrian Sutil, Kamui Kobayashi, Pedro de la Rosa, Christian Klien und Bruno Senna, die ihr zweifellos vorhandenes Talent mit Sponsorengeldern aufwerten, oder Kandidaten vom Schlage Paul di Resta, Sébastien Buemi und Jaime Alguersuari, die von einem namhaften Automobilhersteller oder Unternehmen unterstützt werden. Komplett aus eigener Kraft schafft es heutzutage kaum noch jemand in die Formel 1.
Bezahlfahrer gibt es schon seit Jahrzehnten. Selbst Niki Lauda brauchte 1971 2,5 Millionen Schilling (umgerechnet gut 180.000 Euro) der österreichischen Raiffeisen-Bank, um ein March-Formel-1-Cockpit zu ergattern, bei Michael Schumacher half 1991 Mercedes tatkräftig nach und für Mark Webber machte seinerzeit der frühere Minardi-Teamchef Paul Stoddart die Geldbörse auf. Das beweist, dass Bezahlfahrer keineswegs automatisch talentbefreit sein müssen.
Aber: "Ich mache mir große Sorgen, denn bis vor ein paar Jahren stiegen Fahrer noch aus eigener Kraft in die Formel 1 auf", so Nicolas Todt, Manager von Felipe Massa und GP2-Talent Jules Bianchi, gegenüber 'Autosprint'. "Die Fahrer, die es dank Bankgarantien schafften, waren sporadisch und kamen meistens nur bei kleinen Teams unter." Doch heute ziehen sogar Teams wie Renault (Petrov) und Williams (Maldonado) sogenannte Paydriver in Erwägung.
"Wegen der weltweiten Wirtschaftskrise und den Schwierigkeiten, die kleine und mittlere Teams haben, ihr Budget zu finden, haben es plötzlich auch die besten Nachwuchsfahrer sehr schwer, ihren Weg in die Grand-Prix-Szene zu finden. Ich als Manager kann sagen: Heute braucht man schon in niedrigeren Kategorien erhebliche Summen, sodass gute und wichtige Ergebnisse keine Zukunft in der Formel 1 garantieren", erklärt Todt.
"Heutzutage", findet der Sohn von FIA-Präsident Jean Todt, "ist es paradoxerweise sogar schwieriger, in die Formel 1 zu kommen, obwohl es mehr Cockpits gibt." Denn die Aufstockung von zehn auf zwölf Teams brachte nicht nur mehr freie Plätze mit sich, sondern auch mehr Chancen für Bezahlfahrer, ein Cockpit zu ergattern. So hat man bei einem Team wie HRT oder Virgin ohne Mitgift gar keine Chance mehr, überhaupt in Betracht gezogen zu werden.
Sauber: Pérez statt Heidfeld
Das macht inzwischen sogar etablierten Fahrern wie Nick Heidfeld zu schaffen, denn der Deutsche muss sein Sauber-Cockpit am Saisonende für Pérez räumen. Der mexikanische GP2-Vizemeister bringt Telmex als Sponsor mit. "Leider geht es in der Formel 1 nicht ausschließlich um das Fahrkönnen und das technische Verständnis, sondern es sind auch andere Faktoren involviert", seufzt Heidfeld, der für 2011 auf Arbeitssuche ist.
Und er bekrittelt: "Ich habe in der Vergangenheit miterlebt, dass Fahrer behaupten, sie bringen fünf, zehn, 20 Millionen mit. Ich verstehe nicht, wie die Teams immer wieder darauf hereinfallen! Am Jahresende haben sie genau nichts von dem Geld gesehen außer leeren Bankgarantien. Von außen betrachtet frage ich mich, wie diese Taktik immer wieder funktionieren kann. Daher hoffe ich, dass sie sich nicht auf Geld einlassen, das noch nicht da ist."
So stand Petrov diesen Sommer schon auf der Abschussliste von Teamchef Eric Boullier, weil seine zweite große Rate zu spät überwiesen wurde. Doch wenig später gab Renault einen neuen russischen Sponsor bekannt - und plötzlich war klar, dass Petrov zumindest diese Saison beenden darf. Junge Talente, die kein Geld mitbringen - und die gibt es noch, auch wenn sie zugegebenermaßen immer seltener werden -, bleiben da auf der Strecke.
Todt nennt ein konkretes Beispiel: "Ich hoffe, dass Jules Bianchi 2011 eine gute Saison in der GP2 zeigen kann. Wenn ich aber keinen Sponsor oder Finanzier für ihn finde, dann habe ich keine Sicherheit, ihn in die Formel 1 zu bekommen, selbst wenn er die Serie dominieren sollte." Im Gegenteil ist es eher schon Usus geworden, dass sogar für ein GP2-Cockpit nicht das Talent, sondern das Geld ausschlaggebend ist, schließlich müssen die Teams von ihren Einnahmen leben.
Nicht zuletzt deswegen findet derzeit seiner Meinung nach ein Veränderungsprozess statt: "In der Zukunft sehe ich die besten Chancen für Fahrer, die Ergebnisse und Sponsoren kombinieren können, oder für solche, die sich in einem sehr jungen Alter an Red Bull, McLaren oder Mercedes binden, denn ohne wirtschaftliche Unterstützung geht es nicht mehr", hält Todt fest und malt schwarz: "Für alle anderen Fahrer wird es viel schwieriger..."