Formel-1-Kalender: Die richtige Mischung?
Die Formel 1 fährt bald in neun der zehn größten Wirtschaftsmächte, allerdings fehlt in manchen Ländern noch die Nähe zu den großen Metropolen
(Motorsport-Total.com) - Der Formel-1-Rennkalender hat sich in den vergangenen zehn Jahren enorm verändert. Viele der europäischen Traditionsstrecken wurden von Bernie Ecclestone entfernt, um stattdessen neue Märkte vor allem in Asien zu erobern. Bester Beweis dafür: Von den 17 Rennstrecken, die noch 1995 WM-Station waren, haben heute nur noch neun einen permanenten Grand Prix.
Doch das Projekt Expansion scheint sich dem vorläufigen Abschluss zu nähern, schließlich wird die Formel 1 ab 2014 in neun von zehn der größten Wirtschaftsmächte vertreten sein. Auf dieser Liste fehlt lediglich Frankreich, aber selbst die "Grande Nation" möchte ja wieder in den Kalender aufgenommen werden. Bereits unterschrieben sind die Verträge mit Indien (Delhi/ab 2011), den USA (Austin/2012) und Russland (Sotschi/2014).
Grands Prix sollen nicht entwertet werden
Bereits 2011 wird der Kalender erstmals 20 Grands Prix umfassen. "Die meisten Leute sind sich einig, dass wir nicht mehr als 20 Rennen brauchen", erklärt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh, gleichzeitig Vorsitzender der Teamvereinigung FOTA. "Ja, wir wollen Weltmeister werden, aber ein Grand Prix ist ein signifikanter Event für sich. Wenn eine Weltmeisterschaft aus 30 oder 40 Rennen besteht, dann wird dieses Element verwässert. Ich halte 20 für das Maximum."
Das heißt: Wenn 2012 Austin und 2014 Sotschi neu dazukommt, müssen zwei andere Events über die Klinge springen. Als wahrscheinlich gilt, dass sich Belgien den Grand Prix in Spa-Francorchamps nicht länger leisten kann, und auch die Türkei (Istanbul) und Deutschland (abwechselnd Hockenheim und Nürburgring) gelten als Wackelkandidaten. Damit würden ab 2014 nur noch sechs bis sieben der 20 Rennen in Europa stattfinden.
Doch Peter Sauber findet den derzeit eingeschlagenen Kurs richtig: "Man kann das nicht in Zahlen festmachen, aber ich glaube, dass es schon richtig ist, was Bernie macht, nämlich dass wir uns in die Richtung orientieren, wo in Zukunft die wirtschaftlichen Schwerpunkte sind. Das ist eben in Asien", erklärt der Schweizer, fügt aber an: "Ich glaube schon, dass es wichtig ist, dass man nicht alles nach Asien verlegt, sondern dass ein Teil der traditionellen Rennen bleibt."
"Das verlangt auch der Kunde und der Fan in Asien", sagt Sauber. "Es ist heute immer noch so, dass ein Teil der Asiaten dem Westen nacheifert. Das sieht man an der Kleidung, bei den Autos, überall. Der Westen ist der Maßstab. Darum ist es wichtig, dass die traditionellen Strecken Teil des Kalenders bleiben. Zudem glaube ich, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis wir hier in Asien eine Formel-1-Kultur haben, wie sie in Europa existiert."
Warum nicht mehr in großen Metropolen?
Verwunderung herrscht in Marketingkreisen allerdings darüber, dass die Formel 1 nicht mehr in den großen Metropolen dieser Welt vertreten ist. Aus dem US-Grand-Prix in New York wurde Austin, aus Moskau wurde Sotschi und in Südkorea findet der Grand Prix fast 500 Kilometer von der Hauptstadt Seoul entfernt in einer eher verschlafenen Region am Gelben Meer statt. Das hat jedoch vor allem einen politischen Hintergrund.
Denn als die Idee entstand, in der Provinz Jeollanam-do einen Grand Prix auszutragen, wollte sich die Regierung in Seoul zunächst nicht an dem Projekt beteiligen. Doch Südkorea pflegt enge wirtschaftliche Verbindungen zum arabischen Emirat Abu Dhabi, das den Formel-1-Plan von Anfang an unterstützte, und als dann auch noch eine Absage der Veranstaltung drohte, realisierte Seoul, dass eine internationale Blamage auch am gesamten Land hängen bleiben würde.
"Natürlich wären wir lieber direkt bei Seoul", gesteht Whitmarsh, "aber mal ehrlich: So schlimm, wie es beschrieben wurde, ist es hier doch gar nicht. Hoffentlich können wir die Formel 1 in Südkorea promoten, um eine Erfolgsgeschichte in diesem Land zu beginnen." Immerhin 80.000 Zuschauer waren am Sonntag live dabei. Aber: "Events wie Montréal und Singapur, wo man die Metropole in der Nähe richtig spürt, sind natürlich fantastisch."
"Singapur", lobt der Brite, "ist ein fantastisches Beispiel für ein Rennen in der Nähe einer Metropole. Nächstes Jahr bekommen wir Indien mit 25 Millionen Menschen im Umkreis von 50 Kilometern. Diese Events sind großartig, aber sie sind halt nicht überall machbar. Das Investment, das erforderlich ist, um eine neue Rennstrecke zu bauen, ist gewaltig. Da obliegt es einem Staat, wo er dieses Investment tätigen will."