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Wie Montreal die nordamerikanische Formel-1-Welle reitet
Der Kanada-Grand-Prix hielt die F1-Fahne in Nordamerika hoch, als es in den USA kein Rennen gab - Miami, Las Vegas und Co. sieht man als willkommene Konkurrenz
(Motorsport-Total.com) - Über den erfolgreichen Vorstoß der Formel 1 in den USA wurde hinlänglich berichtet. Aber der Beitrag, den Kanada in diesem Zusammenhang geleistet hat, wird häufig übersehen. Der erste Grand Prix von Kanada fand 1967 in Mosport statt. Und in Montreal jährt sich das Formel-1-Rennen in diesem Jahr schon zum 45. Mal. Damals, 1978, feierte Lokalmatador Gilles Villeneuve unter großem Jubel seinen ersten Grand-Prix-Sieg.
© Motorsport Images
Der Kanada-Grand-Prix in Montreal ist seit vielen Jahren im Formel-1-Kalender Zoom Download
Die auf der Ile Notre-Dame gelegene Rennstrecke wurde später nach Villeneuve benannt und ist seither nahezu Jahr für Jahr im Formel-1-Kalender vertreten. Die einzigen Ausnahmen waren finanzielle Gründe in den Jahren 1987 und 2009 sowie die Coronavirus-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021.
Bezeichnenderweise hielt Montreal die Fackel der Formel 1 in Nordamerika in Zeiten hoch, in denen es nicht genügend Interesse gab, um ein Rennen in den USA im Kalender zu haben: 1985 bis 1988, 1992 bis 1999 und auch 2008 bis 2011. Um trotzdem ihre jährliche Dosis Grand-Prix-Rennen zu bekommen, mussten US-amerikanische Fans, Sponsoren, CEOs und Firmengäste in jenen Jahren die Grenze überqueren und das nördliche Nachbarland der USA besuchen.
Voriges Jahr hat sich der Grand Prix von Kanada nach der COVID-19-Zwangspause mit einer äußerst erfolgreichen Ausgabe zurückgemeldet. Das Wochenende hat gezeigt, dass ein Rennen in Kanada auch parallel zu zwei Rennen in den USA florieren kann.
Der diesjährige Kanada-Grand-Prix war schon vor dem Abschluss der Saison 2022 ausverkauft. Fans, die sich damals zum Kauf von Eintrittskarten entschlossen, haben einen zusätzlichen Bonus: Lance Stroll hat jetzt ein Auto, das in der Lage ist, weit vorne in die Punkteränge zu fahren, wenn er selber endlich mal Glück hat.
Die treibende Kraft hinter dem Kanada-Grand-Prix
Die treibende Kraft hinter dem Formel-1-Rennen in Montreal ist Francois Dumontier, Präsident und CEO der Veranstalterorganisation Octane Racing Group. Das ehemals unabhängige Unternehmen wurde im April 2021 von der mächtigen Bell-Gruppe aufgekauft. Dabei handelt es sich um jenen Telekommunikationsriesen, zu dessen Portfolio auch die englisch- und französischsprachigen Formel-1-Sender TSN und RDS gehören.
Seit 2010 ist Dumontier als Promoter des Kanada-Grand-Prix tätig, nachdem er seit 1994 in verschiedenen Funktionen an der Veranstaltung beteiligt war. "Kurz vorher arbeitete ich für den Park, für die Stadt", erinnert sich Dumontier. "Und da die Stadt die Strecke an den Promoter vermietet, war ich der Verbindungsmann zwischen der Stadt und dem Promoter Norman Legault."
"Eines Tages kam Norman zu mir und sagte, ich hätte einen Job für dich. Da habe ich einfach bei der Stadt gekündigt und angefangen, in der Formel 1 zu arbeiten! Da ich aus Montreal und somit aus Quebec stamme, war ich eher ein Eishockey-Fan. Natürlich hatte ich von Gilles gehört, den Rennsport habe ich aber nicht verfolgt. Doch die Arbeit in diesem Bereich hat mich begeistert."
Nach und nach arbeitete sich Dumontier in eine höhere Position innerhalb der Organisation vor. "Als ich anfing, war ich der Betriebsleiter. Ich war vor Ort, um beim Aufbau der Tribünen und dieser Dinge zu helfen", sagt er und erinnert sich: "2009 verloren wir das Rennen, weil es zu einem Streit zwischen Bernie Ecclestone und Norman kam. Es war eine Vertragsangelegenheit zwischen ihnen."
"Es war einfach etwas zwischen zwei Typen, die sich gestritten haben. Und als wir das Rennen verloren haben, wurde plötzlich allen in Montreal bewusst, wie wichtig das Rennen für sie war. Damit meine ich die Regierung, die Hotels, die Restaurants und so weiter. Deshalb haben wir alle zusammengearbeitet, um das Rennen für 2010 wieder in den Kalender zu bekommen."
Da der frühere Promoter Legault inzwischen von der Bildfläche verschwunden war, war es Dumontier, der mit Ecclestone den Deal für die Rückkehr des Kanada-Grand-Prix ausgehandelt hat. Er half dabei, ein Paket finanzieller Unterstützung von Bund, Land und Stadt zu schnüren, welches das Rennen zu einem realistischen Geschäftsmodell machte.
Montreal bis mindestens 2031 im Formel-1-Kalender
Im Grunde genommen beteiligten sich heute das Land Kanada, die Provinz Quebec, die Stadt Montreal und die Tourismusorganisation von Montreal allesamt an der Gebühr, die an die Formel-1-Organisation geht. "Sie schicken tatsächlich Geld an die Formel 1. Es läuft nicht über mein Büro. Sie kümmern sich um einen Teil [der Gebühr]. Der Rest kommt von uns", sagt Dumontier.
Offensichtlich funktioniert das Arrangement für alle Parteien. Denn bereits im Juni 2017 - nur wenige Monate nach der Übernahme der Formel 1 durch Liberty Media - wurde der Vertrag mit dem Grand Prix von Kanada langfristig bis 2029 verlängert. Seither wurden zwei weitere Jahre hinzugefügt, um die zwei Absagen aus der Zeit der Coronavirus-Pandemie auszugleichen. Der aktuelle Vertrag läuft somit bis einschließlich 2031.
Ein ungewöhnlicher Aspekt der Vereinbarung ist die Tatsache, dass die lokale Regierung Eigentümerin des Veranstaltungsorts ist und Octane ihn pachtet. "Die Rennstrecke und die Gebäude sind Eigentum der Stadt", sagt Dumontier. "Wir mieten also die Strecke. Wir haben einen Vertrag mit ihnen, der mit meinem eigenen bis 2031 gültigen Vertrag übereinstimmt. Vor vielen Jahren haben wir auch andere Rennen veranstaltet. Wir hatten NASCAR und wir hatten IndyCar. Aber im Moment ist es nur die Formel 1."
Man vergisst leicht, dass der Circuit Gilles Villeneuve eine temporäre Rennstrecke ist, die nach dem Rennen wieder als öffentlicher Park genutzt wird. Das ist Jahr für Jahr mit hohen Kosten für den Aufbau verbunden. "Wir mieten die Tribünen und müssen Mauern und Zäune aufstellen, weil wir nach dem Rennen fast alles wieder abbauen", sagt Dumontier und gibt zu: "Ich würde gerne einen festen Veranstaltungsort haben, wie andere Rennen in Europa, und einfach den Schlüssel in die Tür stecken. Aber das ist bei uns nicht der Fall."
Die Tatsache, dass die Stadt Montreal Eigentümer der Rennstrecke ist, hat die Modernisierung der Einrichtungen traditionell zu einem komplizierten Prozess gemacht. Die langen und strengen Winter in Quebec machten es immer wieder schwierig, die Arbeiten durchzuführen.
Oft wurde der Grand Prix von Kanada dafür kritisiert, dass seine Infrastruktur nicht mehr zeitgemäß sei. Aber für 2019 wurde ein brandneuer Boxenkomplex gebaut, der von der Formel 1 und den Teams gut angenommen wurde. Das war ein großer und dringend benötigter Schritt. Dumontier sagt aber, dass es noch mehr zu tun gibt.
"Wir haben für die Teams zahlreiche Dinge verbessert, zum Beispiel wenn man vom Parkplatz kommt und solche Dinge. Wir befinden uns jetzt eher in einem langfristigen Projekt, sagen wir, in einem Fünfjahresprojekt, in dem wir die Dinge auf und neben der Strecke verbessern können", sagt der Promoter des Kanada-Grand-Prix.
Montreal-Promoter begrüßt neue Rennen in den USA
Montreal mag mit acht verbleibenden Vertragsjahren in einer sicheren Position sein, aber kein Event im Formel-1-Kalender kann es sich leisten, sich auf vergangenen Erfolgen auszuruhen. Die Konkurrenz um Termine ist groß und neuere Austragungsorte setzen höhere Maßstäbe an das, was sie den Fans und den Teams bieten. Der verlängerte Vertrag hat Montreal zumindest bei der Zukunftsplanung geholfen.
"Er hat uns erlaubt, weiter zu denken", sagt Dumontier. "Nicht nur an das nächste Rennen, sondern langfristig. Und wir denken immer darüber nach, wie wir das Erlebnis für die Fans und das Erlebnis für die Teams verbessern können. Das ist es, was wir jedes Jahr tun: herausfinden, was wir verbessern können."
Und er wird sich weiter verbessern müssen, denn Formel-1-Boss Stefano Domenicali und Liberty-Chef Greg Maffei haben deutlich gemacht, dass die "historischen" Rennen des Sports, zu denen auch Kanada gehört, mit den neuen Rennen mithalten müssen. Es ist unvermeidlich, dass Montreal immer mit Austin, Miami und jetzt Las Vegas verglichen wird.
"Spüre ich den Druck? Ja und nein", sagt Dumontier. "Ich finde, wenn man eine gute Konkurrenz hat, ist das eine gute Sache. Gleichzeitig glaube ich, dass man über 23 oder 24 Rennen hinweg Abwechslung und verschiedene Arten von Rennstrecken haben muss. Ja, wir sind Teil der Geschichte. Aber auch ohne dass Stefano oder Greg das sagen, wollen wir die Messlatte jedes Jahr höher legen."
"Und deshalb", so Dumontier weiter, "habe ich mich jetzt mit Bell zusammengetan, um die Macht und das Geld und die Kapazität zu haben, um genau das zu tun. Es ist ein Rundfunkunternehmen, ein Telekommunikationsunternehmen. Marketingtechnisch können sie eine Menge einbringen. Bell ist das zweitgrößte Unternehmen des Landes. Vorher hatten wir keinen Zugang zu ihren Kunden, jetzt haben wir ihn."
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Dumontier ist überzeugt, dass er trotz der Konkurrenz durch andere Rennen immer noch viele US-Fans hat. "Voriges Jahr stammten 57 Prozent unserer Kunden nicht aus der Provinz [Quebec]", sagt er. "Deshalb sind wir auch die größte Sport- und Tourismusveranstaltung des Landes. Vom Bundesstaat New York aus ist Montreal problemlos mit dem Auto erreichbar. Montreal hat den Charme einer amerikanischen Stadt, aber im europäischen Stil. Und wenn man den Wechselkurs des US-Dollars vergleicht, ist es billiger."
"Daher glaube ich wirklich nicht, dass wir unsere US-Kunden verloren haben, nur weil es jetzt andere Rennen gibt. Ich bin ein Fan davon, mehr Rennen in Nordamerika zu haben. Als ich der einzige in Nordamerika war, gab es nur ein Formel-1-Rennen pro Jahr, im Juni. Jetzt gibt es vier Rennen in Nordamerika, plus eins in Mexiko. Wir sprechen mehr und mehr über die Formel 1. Wir können uns mit ihnen austauschen. Ich finde, das ist eine gute Sache und habe nichts dagegen."
Genau wie die Formel-1-Rennen in den USA, so wurde auch das Rennen in Montreal durch die Netflix-Serie "Drive to Survive" angekurbelt und reitet in gewisser Weise auf dieser Welle, was die Nachfrage nach Eintrittskarten angeht. "Ich glaube, dass die Serie jedem Rennen geholfen hat. Sie hat auch uns geholfen, indem sie neue Kunden an die Rennstrecke gebracht hat. Das finde ich großartig."
"Aber", sagt Dumontier, "ich bin schon lange in der Formel 1 dabei. Die Formel 1 funktioniert in Zyklen. Im Moment sind wir in einer guten Position. Wir wissen aber nicht, was in drei oder vier Jahren passieren wird. Genießen wir es also im Moment. Alles Weitere werden wir dann sehen."