• 16. März 2023 · 18:02 Uhr

"Das Gegenteil": Hamilton widerspricht Fahrerkollegen bei Raketenanschlag

Beim Thema Raketenanschlag 2022 wird es still in der Formel 1, nur Lewis Hamilton und Ralf Schumacher haben den Mut, auch Kritik zu äußern

(Motorsport-Total.com) - Es lag eine bedrückende Stimmung in der Luft, als ein Journalist bei der Donnerstags-Pressekonferenz der Formel 1 in Saudi-Arabien den Mut hatte, die Fahrer nach dem Raketenanschlag im Jahr 2022 zu befragen. Und die hatten wenig Interesse daran, sich auf das Thema einzulassen: "Ich bevorzuge es, diese Frage nicht zu beantworten", sagt etwa Valtteri Bottas.

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Der Raketenanschlag im Jahr 2022 beschäftigt die Formel 1 auch ein Jahr später Zoom Download

Es wird viel herumgedruckst. "Die Strecke ist cool, die gefällt mir", weicht Bottas aus. "Aber sonst sage ich zu diesen Dingen lieber nichts. Wir sind hier, um Rennen zu fahren." Dabei ist der Alfa-Romeo-Pilot noch einer, bei dem Beobachter das Gefühl haben: Er würde gern mehr sagen, hat aber kein Interesse daran, sich an dem Thema die Finger zu verbrennen.

Yuki Tsunoda und Carlos Sainz lassen sich erst gar nicht auf das Thema ein. Und Lando Norris und Sergio Perez erklären sogar, sie seien "glücklich darüber, dass wir hier fahren". Norris: "Die Formel 1 und was wir hier als Sport tun, ist eine gute Sache. Ich bin nicht besorgt."

Ganz anders Lewis Hamilton. Der siebenmalige Weltmeister spricht seine Meinung zwar nicht offen aus, lässt aber durchblicken, dass die Formel 1 eher nicht in Saudi-Arabien fahren würde, wenn es nach ihm ginge. Er sagt, er denke "das Gegenteil" von dem, was seine Kollegen vor ihm gesagt haben, die dem saudi-arabischen Gastgeber gegenüber unverfänglich bleiben wollten.

Hamilton: Ein Blick sagt mehr als 1.000 Worte

Auf konkrete Nachfrage, ob er damit meine, dass er unglücklich darüber sei, in diesem Land ein Autorennen zu fahren, antwortet Hamilton mit einem vielsagenden Lächeln im Gesicht: "Das ist offen für Interpretation."

Er freue sich darauf, ins Auto zu steigen, ergänzt er - und triggert damit eine weitere Frage, ob er damit seinen Mercedes W14 meine oder das Auto, das ihn am Sonntagabend wieder zum Flughafen bringt.

Hamilton antwortet: "Die Strecke ist ziemlich cool. Ich freue mich auf die Herausforderung, zu schauen, ob wir dieses Wochenende näher dran sind oder weiter hinten. Diesen Teil meines Jobs finde ich aufregend."

Nachfrage: Ist es die politische oder die Sicherheitslage in Saudi-Arabien, die beunruhigt? Hamilton: "Darauf möchte ich nicht eingehen. Hoffentlich sind dieses Wochenende alle sicher und kommen danach sicher nach Hause. Das ist alles, was wir tun können, nicht wahr?"

Den Gedanken, das Rennwochenende nicht zu bestreiten, schiebt Hamilton von sich weg: "Wenn ich nicht hier bin, macht die Formel 1 halt ohne mich weiter." Stattdessen versuche er, das Beste aus der Situation zu machen und sich vor Ort so gut es geht über etwaige Menschenrechtsprobleme im Land zu informieren.

"Wenn ich in solche Regionen komme, in denen es Probleme mit Menschenrechten gibt, so wie hier, hat der Sport die Pflicht, Aufmerksamkeit darauf zu lenken und zu versuchen, einen positiven Einfluss zu nehmen. Ich habe das Gefühl, dass wir da mehr tun müssen. Was genau, da habe ich auch nicht alle Antworten", sagt er.

Fahrer fürchten nicht mehr um ihre Sicherheit

Dass sich der Raketenanschlag, 2022 auf eine in der Nähe der Rennstrecke in Dschidda gelegene Anlage des Mineralölkonzerns Aramco abgefeuert, wiederholen und ein Sicherheitsrisiko für den Formel-1-Tross darstellen könnte, das glauben die Fahrer nicht. 2022 hatten sie nach dem Anschlag bekanntlich noch überlegt, abzureisen und das Rennen zu boykottieren.

"Die Situation ist jetzt anders", findet Kevin Magnussen. "Es herrscht Waffenstillstand zwischen den beteiligten Parteien. Das gibt Sicherheit. Aus meiner Sicht können wir nicht viel dagegen tun, dass wir auch an solche Orte kommen. Das müssen wir bestmöglich durchstehen."

Carlos Sainz unterstreicht: "Sie haben genug Sicherheiten und Erklärungen abgegeben, dass es hier sicher ist. Das reicht mir. Ich bin zuversichtlich, dass sie uns nicht belügen und einen sicheren Event auf die Beine stellen. [...] Wir müssen versuchen, unseren Aufenthalt und das Rennen hier so gut es geht zu genießen."

Doch es gibt auch Stimmen unter den Fahrern, die versuchen, das Positive in den Vordergrund zu stellen: "Das Land verändert sich. Ich bin optimistisch, dass die Organisation und die Formel 1 dafür sorgen, dass wir dieses Jahr sicher sind", sagt etwa Lance Stroll.

Und Sergio Perez beteuert sogar: "Ich bin glücklich darüber, dass wir wieder hier sind. Als Sport sind wir dazu in der Lage, dem Land dabei zu helfen, sich zu verändern. Auch für die Menschen, die hier leben. Darauf können wir als Sport stolz sein."

Seitens der Formel 1 besteht kein großes Interesse daran, den Raketenanschlag im Jahr 2022 zum Thema zu machen. Pressekonferenz-Moderator Tom Clarkson tat sein Bestes, das Thema nicht abzuwürgen, aber galant zu versuchen, im kritischen Fragefluss an Hamilton mit einer Zwischenfrage thematisch abzuleiten.

Ralf Schumacher: Schon 2022 klare Kante gezeigt

Einer der wenigen Beteiligten, der schon 2022 klare Kante gezeigt hat, ist Ralf Schumacher. Der Sky-Experte und Kommentator Sascha Roos reisten damals unmittelbar nach dem Raketenanschlag ab. Seine Erlebnisse hat Schumacher bereits im September 2022 in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de geschildert.


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Damals sagte er unter anderem: "Ich kann mich nicht dran erinnern, dass 15 Kilometer neben mir mal eine Rakete eingeschlagen ist. Die Pirelli-Leute mussten das Hotel verlassen, weil die Glasscheiben in dem Hotel zerbrochen sind von der Detonation. Da kann man sich mal vorstellen, wie nah das war. Da muss ich sagen: Das muss ich nicht haben."

In jener Situation, als dann zwischenzeitlich auch die Ausreise nur erschwert möglich war, habe er gemerkt, "dass man eben nicht in einem liberalen Land ist wie bei uns. Da werden die Dinge etwas anders gehandhabt." Und Schumacher gibt offen zu, "dass ich mich sehr unwohl gefühlt habe".

"Ich muss ganz ehrlich sagen, das war mein größtes Thema, dass man das Gefühl hat, man ist diesem König oder diesem Regime - anders kann man es ja nicht sagen - komplett ausgeliefert. Wenn die sagen, die Grenzen sind dicht, dann sind die Grenzen dicht. Da fliegst du auch nirgendwo hin, und die legen auch den Flugverkehr lahm."

Schumacher und Roos kommentieren den Grand Prix von Saudi-Arabien übrigens auch 2023 von der Sky-Deutschland-Zentrale in München aus. Vor Ort berichtet der TV-Sender wie schon im Vorjahr mit Boxengassenreporter Peter Hardenacke, der diesmal unterstützt wird von Experte Timo Glock. (ANZEIGE: Sichere Dir die komplette Saison der Formel 1 exklusiv auf Sky!)

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