"Sportswashing": Britische Politiker fordern F1 und FIA zum Handeln auf
Politiker kritisieren: Indem die Formel 1 in Ländern wie Bahrain fährt, ohne die Menschenrechtslage anzuprangern, verstoße sie gegen ihre eigenen Grundsätze
(Motorsport-Total.com) - Britische Parlamentsabgeordnete haben gegenüber der FIA und den Formel-1-Chefs "ernste Bedenken" über deren Rolle beim "Sportswashing" im Vorfeld der in Bahrain (5. März) und Saudi-Arabien (19. März) beginnenden Saison geäußert.
Die 20-köpfige Gruppe parteiübergreifender Abgeordneter, zu denen der ehemalige Labour-Chef Jeremy Corbyn und sein Schatzkanzler John McDonnell gehören, hat eine unabhängige Untersuchung der Aktivitäten der Meisterschaft und des Dachverbandes in Ländern mit "fragwürdiger Menschenrechtsbilanz" gefordert.
In einem Brief an Formel-1-CEO Stefano Domenicali, FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem und FIA-Formelsportchef Nikolas Tombazis verweisen die Abgeordneten auf die Hinrichtung von 81 Gefangenen in Saudi-Arabien an nur einem Tag im Jahr 2022.
Bahrain habe zudem mit schätzungsweise 1.300 politischen Gefangenen die höchste Inhaftierungsrate seiner Bevölkerung in der Region des Nahen Ostens und Nordafrikas.
Die Abgeordneten schreiben, dass sie "die Weigerung der Formel 1 verurteilen, mit wichtigen Interessenvertretern, einschließlich Menschenrechtsgruppen wie dem Bahrain Institute for Rights and Democracy, zusammenzuarbeiten", während sie mit Bahrain den längsten Vertrag in der Geschichte geschlossen haben.
Sie fordern die Formel 1 und die FIA auf, eine unabhängige Untersuchung einzuleiten, um die "Angemessenheit und Wirksamkeit ihrer derzeitigen Menschenrechtspolitik oder deren Fehlen" zu bewerten. Außerdem sollten sich beide Parteien "für die sofortige und bedingungslose Freilassung der politischen Gefangenen" einsetzen.
Der Brief schließt mit einem Appell an das Gewissen der Entscheidungsträger: "Multimillionen-Dollar-Profite dürfen nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen."
"Sie haben die Pflicht, mit Ihrer Anwesenheit etwas Positives zu bewirken, was nicht möglich sein wird, solange politische Gefangene in Bahrain hinter Gittern sitzen. Wenn Lewis Hamilton seine Stimme erheben kann, warum können Sie es nicht?"
Sayed Ahmed Alwadaei, Direktor des Bahrain Institute for Rights and Democracy, ergänzt: "Die Abgeordneten haben Recht, wenn sie die Rolle der Formel 1 beim Sportswashing in Bahrain und die Rechtslage in Saudi-Arabien aufdecken."
"Die Führung der Formel 1 kann nicht einfach behaupten, dass ihre Präsenz in diesen Ländern einen positiven Einfluss hat, wenn das Gegenteil bewiesen ist. Die Formel 1 profitiert weiterhin von den brutalen Autokraten am Golf und verdient mehrere Millionen, während die Opfer den Preis dafür zahlen", sagt Alwadaei.
"Wenn Lewis Hamilton in der Lage ist, ob der Ungerechtigkeit seine Stimme zu erheben, setzt er einen moralischen Standard, dem das Formel-1-Management folgen muss."
Fotostrecke: Die Veränderungen im Formel-1-Kalender der vergangenen Jahre
2002: 0 Rennen rein, 0 Rennen raus - Bereits im dritten Jahr in Folge gibt es exakt die gleichen 17 Rennen. Damals endet die Saison übrigens bereits Mitte Oktober in Suzuka - zwei Monate früher als in der Saison 2020. Deutschland hat mit Hockenheim und dem Nürburgring auch noch zwei Grands Prix. Fotostrecke
Der Hauptunterzeichner des Briefes, Lord Scriven, sagt: "Wir fordern sie auf, etwas zu tun, um die Arbeitsweise des Sports in Bezug auf die Menschenrechte zu verbessern. Das sind keine extremen oder radikalen Dinge, sondern Themen, die für jede Sportorganisation mit moralischer Führungsrolle fundamental sind."
Seitens der FIA heißt es "An der Spitze des Motorsports finden Formel-1-Veranstaltungen in einem breiten Spektrum verschiedener Länder und Kulturen auf der ganzen Welt statt."
"Wir glauben, dass das vorderste Ziel des Motorsports und des gesamten Sports in dem Wunsch besteht, die Gemeinsamkeiten zu vergrößern und die Prinzipien der Zusammenarbeit zu pflegen. Die FIA kann sich, wie andere internationale Sportverbände auch, nicht in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates einmischen."
"Diese vom Internationalen Olympischen Komitee hervorgehobene Unabhängigkeit von den Angelegenheiten der Staaten bedeutet jedoch nicht, dass wir gegenüber möglichen Notlagen, die die betroffenen Menschen erleiden, unempfindlich sind."
"Die FIA wird auch weiterhin an Projekten arbeiten, die der Gesellschaft im weiteren Sinne zugutekommen, wobei sie stets im Rahmen ihrer Möglichkeiten als Regulierungsbehörde für den weltweiten Motorsport handelt", so ein Sprecher der FIA.
In einem Interview mit 'The Guardian' sagte Domenicali kürzlich: "Die Formel 1 hat jahrzehntelang hart daran gearbeitet, überall dort, wo sie Rennen fährt, eine positive Kraft zu sein, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Vorteile."
"Sportarten wie die Formel 1 sind einzigartig positioniert, um Grenzen und Kulturen zu überwinden, um Länder und Gemeinschaften zusammenzubringen. (...) Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst und haben unsere Position zu Menschenrechten und anderen Themen allen Partnern und Gastländern deutlich gemacht."