• 01. Januar 2022 · 07:48 Uhr

"Wir sind ziemlich verrückt danach": Einblicke in den Schachclub der Formel 1

Zum Zeitvertreib auf Reisen oder zur Entspannung an Rennwochenenden haben einige Formel-1-Fahrer das Schachspiel für sich entdeckt

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 weiß nur zu gut, wie sehr sich eine Netflix-Serie auf den Bekanntheitsgrad auswirken kann. Durch den Erfolg von "Drive to Survive" erlebte sie einen Boom und war plötzlich auch Menschen ein Begriff, die sich vorher nicht für den Rennsport interessiert hatten.

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Carlos Sainz und Charles Leclerc liefern sich spannende Duelle im Schach Zoom Download

Aber sie ist nicht der einzige Sport oder Zeitvertreib, der durch Netflix einen solchen Aufschwung erlebt. Im Oktober 2020 wurde "The Queen's Gambit" auf dem Streamingportal ein Hit. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Roman von 1983 über ein weibliches Schachwunder, gespielt von Anya Taylor-Joy, die zur besten Spielerin der Welt aufsteigt.

Dies führte zu einem massiven Anstieg des Interesses an Schach. Laut der 'New York Times' berichteten Einzelhändler, dass die Verkäufe von Schachbrettern um bis zu 1.000 Prozent gestiegen sind. Die Zahl der Neuanmeldungen bei chess.com, einer der weltweit größten Online-Schachwebseiten, war plötzlich siebenmal höher war als vorher.

Charles Leclerc liebte Schach seit Kindertagen

Aber nicht nur die breite Öffentlichkeit hat sich 2021 verstärkt für das Schachspiel interessiert. Auch einige Formel-1-Fahrer haben das Strategiespiel mit den 32 Figuren zum Zeitvertreib oder zur Entspannung für sich entdeckt. Allen voran die beiden Ferrari-Piloten Charles Leclerc und Carlos Sainz.

Sainz und Leclerc haben nicht nur auf der Strecke als Teamkollegen brilliert und Ferrari zum dritten Platz in der Konstrukteurswertung verholfen, sondern sind auch abseits der Strecke gute Kumpel geworden. Das hat der Atmosphäre in Maranello eine jugendliche, frische Note verliehen.

Leclerc hat sich schon immer für Schach interessiert, aber als er und Sainz in den ruhigen Phasen zu Beginn der Saison nach einer Beschäftigung suchten, wurde daraus schnell ein Wettbewerb.

Teamkollege weckt die Leidenschaft bei Sainz

"Ich habe mich eigentlich schon immer dafür interessiert, ich mochte Schach schon als Kind", sagt Leclerc der englischsprachigen Ausgabe von 'Motorsport.com'. "Ich glaube, es war während der ganzen Medientage zu Beginn des Jahres, als wir nicht wussten, was wir tun sollten. Ich habe Schach gespielt, er sah mich und sagte: 'Ich lade mir das runter'."

"In der ersten Zeit des Jahres waren wir ziemlich verrückt danach. Wir haben gegeneinander gespielt und wollten gar nicht mehr aufhören", erzählt Leclerc. Dabei war es vor allem für Sainz eine völlig neue Leidenschaft.

"Er liebt das Schachspielen mit Charles", sagt sein ehemaliger McLaren-Teamkollege Lando Norris. "Ich glaube, ich habe ihn in der ersten Partie geschlagen - dann habe ich einfach aufgegeben! Ich könnte mich irren, er würde wahrscheinlich sagen, ich lüge... Er hat stundenlang gespielt, er und Charles. Ich wusste vorher gar nicht, dass er das spielt."

Sogar wärhend Regenpausen wird gespielt

Auf den Flügen zwischen den Rennen bis hin zu den Sitzungen im Auto und sogar während der langen Regenpause beim Großen Preis von Belgien haben Leclerc und Sainz an ihren Smartphones gehangen und mit einer App gegeneinander gespielt.

Und es überrascht nicht, dass sie sich dabei einen unglaublichen Wettbewerb geliefert haben. In einem Video für 'Autosport' debattierten Leclerc und Sainz darüber Anfang des Jahres, wer besser im Schachspiel ist und wer mehr Spiele gewinnt.

"Heute haben wir im Flugzeug gespielt, und es stand 2:2", sagt Sainz zu Leclerc. "Und du wolltest das letzte [Spiel] nicht spielen. Also wenn überhaupt... Ich hatte die Oberhand."

"Nein, nein", erwidert Leclerc. "Erinnerst du dich an Spa?" Sainz hingegen behauptet, er habe verloren, weil er sich so sehr auf das Rennen konzentriert habe.

"Abends ist er beim Schach richtig gut", sagt Leclerc über seinen Teamkollegen. "Wenn wir nach 21 Uhr von den Rennen nach Hause kommen, ist er sehr gut. Aber von morgens bis abends bin ich viel besser."

Aber Leclerc und Sainz sind nicht die einzigen Fahrer, die sich in diesem Jahr intensiv mit Schach beschäftigt haben. Zwischen den Trainingssitzungen und den verschiedenen Verpflichtungen bei Haas an den Rennwochenenden gibt es mit Mick Schumacher einen weiterer Fahrer, der in jeder freien Minute beim Spiel zu finden ist.

Wie Mick Schumacher zum Schachspielen kam

Ein Schachbrett gehört mittlerweile zum Standard Schumachers Gepäck. Er nimmt es zu jedem Rennen mit und hat so die Möglichkeit, sich jederzeit hinzusetzen, zu spielen und zu entspannen. Schumacher spielt in der Regel mit Kai Schnapka, einem Physiotherapeuten, der gegen Ende seiner Formel-1-Karriere mit Michael Schumacher gearbeitet hat, bevor er in den Nachwuchskategorien Mick betreute.

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Auch Mick Schumacher ist regelmäßig am Schachbrett zu finden Zoom Download

Schumacher hat auch einige Spiele mit Timo Glock gespielt, muss aber noch gegen die Ferrari-Fahrer antreten. Zum Schachspiel ist Schumacher dabei mehr oder weniger durch Zufall gekommen. "Wir haben zu Hause ein Schachbrett und haben immer wieder mal gespielt. Aber nie richtig", sagt er der englischsprachigen Ausgabe von 'Motorsport.com'.

"Kai und ich haben sehr viel Backgammon gespielt. Aber einmal haben wir unser Backgammon-Brett vergessen, und das einzige, was wir hatten, war Schach. Also haben wir angefangen Schach zu spielen", so Schumacher. "Eine zeitlang haben wir sowohl Schach als auch Backgammon gespielt, aber mittlerweile spielen wir nur noch Schach. Das macht Spaß, ich schlage ihn ständig."

Schumacher: Schach gut für die mentale Vorbereitung

Im Laufe des Jahres hat sich Schumacher im Schachspiel deutlich gesteigert. "Anfang des Jahres habe ich die meiste Zeit verloren", sagt er. "Dann habe ich das Spiel aus irgendeinem Grund etwas besser verstanden und habe angefangen, meistens zu gewinnen."

Die Art der mentalen Verbesserung ist genau der Vorteil, den Schumacher in dem Spiel sieht sieht. Bereits im Mai sprach er in einem Interview mit unserem Schwestermagazin 'GP Racing' über den Nutzen solcher Spiele.

"Ich habe das Gefühl, dass diese Spiele den Fokus zurückbringen, denn man muss immer mit dem Kopf bei der Sache sein", sagte Schumacher. "An einem Wochenende möchte ich immer mental bereit sein für jede Herausforderung, die kommt."

In der nächsten Saison mit 23 Rennen werden die Fahrer länger als je zuvor unterwegs sein. Das bedeutet mehr Flüge und mehr Zeit an den Rennstrecken, die sie zwischen ihren Renneinsätzen füllen müssen - und für den inoffiziellen, aber wachsenden Schachclub der Formel 1 vielleicht ein paar mehr Mitglieder.

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