Body-Check: Das steckt hinter den Tattoos von Hamilton und Ricciardo
Von Rapper Tupac bis zum Adler von Austin: Lewis Hamilton und Daniel Ricciardo erklären die Bedeutung ihrer Tattoos und wie der Körperkult zur Obsession wurde
(Motorsport-Total.com) - Während der Tattoo-Trend im Fußballsport bereits in den 1990er-Jahren Einzug erhielt, dauert es in der Formel 1 deutlich länger: Erst Lewis Hamilton, dessen Körper von zahlreichen Tätowierungen geschmückt ist, machte den Körperkult in der Königsklasse des Motorsports salonfähig. Inzwischen haben auch Aussteiger Fernando Alonso, Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo, der nunmehrige Sauber-Pilot Kimi Räikkönen und Haas-"Bad Boy" Kevin Magnussen nachgezogen.
Doch während Räikkönen und Alonso auf simple Motive setzen, behält man vor allem bei Hamilton wegen der zahlreichen Symbole kaum noch den Überblick. Welche Bedeutung verstecken sich also hinter dem Körperschmuck des fünfmaligen Weltmeisters?
Das auffälligste Symbol ist das den gesamten Rücken zierende Kreuz. Dass Hamilton gläubig ist, ist kein Geheimnis, doch es gibt noch eine andere Bedeutung: "Die Idee dazu stammt von Tupac, der mein Lieblings-Rapper war", verweist der Brite auf den 1996 erschossenen Hip-Hop-Star Tupac Shakur, der ebenfalls ein Kreuz auf dem Rücken trug. Doch Hamilton hat das Motiv weiterentwickelt: "Rundherum sind Engelsflügel." Außerdem prangt über dem Kreuz der Schriftzug "Still I Rise", der auch seinen Helm ziert.
Sakrale Symbole bei Hamilton dominant
Hamilton erinnert sich noch gut an den Tag, als die Tätowierung gestochen wurde: "Das hat zehn Stunden gedauert, und ich habe es in einem Aufwasch machen lassen. Seitdem liebe ich meinen Rücken." Das stellte Hamilton auch beim Saisonfinale in Abu Dhabi unter Beweis, als er während der Siegerehrung seinen Oberkörper freimachte und seinen Rücken zur Schau stellte.
Hamiltons Glaube spielt auch noch bei weiteren Tattoos eine tragende Rolle: Auf dem Hals steht "God is Love", auf dem rechten Arm erkennt man einen Schutzengel, das Herz Jesu und das Bild einer Skulptur der heiligen Maria mit dem Jesuskind. "Gott ist das wichtigste in meinem Leben", stellt Hamilton klar.
Keine Angst vor der eigenen Stärke
Orientierung gibt ihm aber auch ein riesiger Kompass, der unter seiner Brust zu sehen ist. Darüber findet sich das Zitat "Powerful beyond Measure" der US-amerikanischen Schriftstellerin Marianne Williamson. "Das ganze Zitat lautet: 'Our deepest fear is not that we are inadequate. Our deepest fear is that we are powerful beyond measure", erklärt Hamilton.
Die größte Angst sei also nicht, dass wir nicht genügen, sondern, dass wir unvorstellbar viel Kraft haben. "Da geht es um die eigene Ermächtigung, um die eigene Stärke, die Familie und den eigenen Wert", erklärt der Mercedes-Superstar. Dazu passt auch das Bild eines Löwenkopfes, das auf der linken Schulter zu sehen ist. "Ich finde es wirklich cool - und es zeigt zu meinem Herzen", sagt Hamilton, für den der Löwe das beeindruckendste Tier darstellt: "Er ist wild, aggressiv und leidenschaftlich. Er ist der Anführer seines Rudels und der König des Dschungels."
Auch auf der rechten Schulter findet sich ein Tier: der Adler. Der Hintergrund ist auf seine Kindheit zurückzuführen: "Als ich zehn war, hat mich ein Freund Adlerauge genannt, weil ich Dinge aus der Distanz so gut gesehen habe."
Auch Vater und Tante bei Hamilton verewigt
Hamilton verweist mit seinen Tätowierungen noch einige weitere Male auf seine Wurzeln. Auf dem linken Oberarm sieht man einen Mann, der ein Kleinkind in die Luft wirft. Eine Würdigung seines Vaters Anthony Hamilton, der ihn seit Kindheitstagen unterstützt, offenbart der Rennfahrer. "Als ich vier Jahre alt war, hat er mich in die Luft geworfen, wie man das mit Kindern so macht. Das war ein spezieller Augenblick, denn er ist eigentlich sehr ernst und hart. Aber in diesem Moment war er am glücklichsten, da gab es kein Business, keine Disziplin, das war wahre Liebe."
Trotz der eisernen Disziplin, die sein Vater von ihm stets einforderte, stellt Hamilton aber klar: "Was ich mache, mache ich nicht für meinen Vater. Er ist einfach ein toller Vater, zu dem ich aufschaue." Seine Tante hat Hamilton ebenfalls auf seinem Körper verewigt - in Form einer Rose unter der rechten Achsel. "Sie ist vor fünf Jahren an Krebs gestorben", sagt Hamilton. Das Tattoo sei noch nicht fertig: "Ihr Name fehlt noch."
Hamiltons Kindheit: Kart-Narbe und Adlerauge
Das ist allerdings nicht die einzige Rose, die Hamilton trägt. Die Tätowierung auf der linken Hand ist aber deutlich kleiner ausgefallen. "Als ich acht war, habe ich mir da eine Narbe zugezogen, weil ich beim Fahren mit meiner Hand unter das Go-Kart kam", erzählt Hamilton. "Da half auch der Handschuh nichts. An dieser Stelle habe ich mir eine Rose tätowieren lassen."
Unter der linken Achsel finden sich drei chinesische Schriftzeichen. Was es damit auf sich hat? Es handelt sich um eine Würdigung seiner Fans in Schanghai: "Sie sind so leidenschaftlich, folgen uns überall hin, machen Geschenke. Sie sind wirklich großzügig. Als ich dort war, wollte ich also ein chinesisches Zeichen machen lassen. Ich habe mich für den Begriff 'Warrior' entschieden, weil ich das Gefühl habe, einer zu sein. Darunter steht Liebe."
Ist Hamiltons Tattoo-Kult damit schon zu Ende? Wohl kaum! Erst kürzlich ließ er sich ein Bild seines Idols Muhammad Ali auf die Wade stechen. Seine Mutter wolle er auch noch verewigen lassen - und seine beiden geliebten Bulldogen Roscoe und Coco. Dennoch warnt er: "Es ist richtig, sich kein Tattoo stechen zu lassen, wenn man sich für kein Motiv entscheiden kann. Man sollte sich Zeit lassen, ehe man seine Geschichte erzählen kann, die einen zu dem gemacht hat, der man ist."
Ricciardo: Tattoos trotz Angst vor Nadeln
Woher er selbst den Bezug zu Tattoos habe? "Meine Schwester war mit einem Tattoo-Künstler verlobt, sie haben dann auch geheiratet. Ich war also schon mit Tattoos konfrontiert, als ich erst zehn Jahre alt war", erklärt er. Beim seinem Kollegen Ricciardo kam die Inspiration nicht über die Familie, sondern über seine Vorbilder: "Ich habe mich für Punkrock, Motocross und Extremsport begeistert - und viele dieser Kerle hatten klassische Tattoo-Motive."
Dennoch dauerte es bis ins Jahr 2013, bis sich der langjährige Red-Bull-Pilot überwinden konnte. "Da ich Angst vor Nadeln habe und die Schmerzen nicht mag, habe ich immer gesagt, dass ich das nie tun würde. Dann war es aber doch soweit, als ich drauf und dran war, das Red-Bull-Cockpit zu kriegen. Mir war klar, dass das mein Leben verändern würde. Also wollte ich mir ein Motiv stechen lassen, dass mir vom Stil her gefällt, aber auch etwas über meinen Lebensweg aussagt."
Ricciardo ließ sich das Bild eines Segelschiffs und eines Leuchtturms stechen. "Das Schiff segelt um die Welt, und der Leuchtturm steht für meine Heimat", erklärt der nunmehrige Renault-Pilot. "Trotz der vielen Reisen bedeuten mir meine Familie und meine Freunde sehr viel."
Ricciardos Lebensmotto als Tattoo
Im Zentrum eines weiteren Tattoos steht der Spruch: "No Regrets, only Memories". "Damit will ich sagen, dass ich mich für diesen Weg entschlossen habe, dass ich es ernst meine und ihn bis zum Ende gehe, aber etwas mitnehmen will - und zwar Erinnerungen, außerdem will ich diese Erfahrung genießen."
Inzwischen trägt Ricciardo acht Tätowierungen, darunter das Motiv "Girl Racer" und den Schriftzug "Mum and Papa". "Viele Leute mögen diese beiden Tattoos", fällt dem "Aussie" gegenüber 'AFP' auf. Seine Eltern seien ursprünglich aber weniger begeistert gewesen. "Sie mögen nicht alle Tattoos, aber dieses Eine müssen sie mögen", grinst er.
Zumal die Zeit der Rebellion ohnehin längst vorbei sei: "In der Kindheit sind einem die Eltern ja sehr nahe, aber dann will man weg von zuhause und verbringt Zeit mit seinen Freunden. Ab einem gewissen Alter will man aber wieder mehr Zeit mit ihnen verbringen. Ich sehe meine Eltern ja nicht so oft, aber jedes Mal, wenn es so weit ist, freue ich mich sehr. Daher wollte ich etwas machen lassen, das mit ihnen zu tun hat." Zu seiner Überraschung gefalle seiner Mutter aber auch die Startnummer 3, die sich Ricciardo auf den kleinen Finger der rechten Hand tätowieren ließ.
So wurde der Körperkult zur Obsession
Sein Umgang mit dem Körperkult habe sich im Laufe der Zeit etwas verändert, gesteht er: "Nach dem ersten großen Tattoo dachte ich ja, dass ich mir nie mehr eines stechen lassen würde, aber das blieb nicht lange so. Ich kann einfach nicht aufhören und werde sicher noch mehr machen lassen. Man wird auch immer entspannter, denn beim ersten musste alles perfekt sein. Inzwischen bespreche ich mit dem Künstler nur noch meine Idee und vertraue ihm, dass es gut wird, weil ich ja seinen Stil kenne."
Und so hält er auf Reisen stets die Augen offen nach neuen Künstlern, die seinen Geschmack treffen. "In Austin habe ich mir einen Adler stechen lassen", erzählt er. "Der bedeutet mir zwar nicht wahnsinnig viel, aber es geht um die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe. Ich liebe die Stadt und fand es lustig, mir dort etwas Amerikanisches machen zu lassen." Auch in seiner Heimatstadt Perth, in San Francisco, in Kanada und in Großbritannien ließ Ricciardo die Tätowierer Hand anlegen.
Ricciardo mag's dezenter als Hamilton
Ob er inzwischen seine Angst abgelegt habe? "Wenn man es hinter sich hat, dann will man mehr, auch wenn die Schmerzen richtig schlimm waren", erklärt er, warum es ihn nun nicht mehr so viel Überwindung koste. "Man fühlt sich gut, weil man gerade etwas Schwieriges durchgestanden hat."
Während Hamilton seine Tätowierungen gerne öffentlich zur Schau stellt, sieht dies Ricciardo laut eigenen Angaben zwiespältig: "Als ich mein erstes machen ließ, wechselte ich gerade zu einem großen Team. Ich wollte also nicht den Eindruck machen, dass ich jetzt ein anderer bin. Inzwischen ist es aber bereits seltsam, wenn man kein Tattoo hat. Ich fühle mich wohl in meiner Haut und mit meinem Status in der Formel 1 - und daher sage ich: Die Leute, die sie sehen wollen, werden sie sowieso sehen. Und sie zu verbergen, ist sogar noch stressiger."