Kultjournalist schlägt wieder zu: Hamilton, Vettel und Fair Play
Walter Koster aus Saarbrücken spannte die Formel-1-Stars mit einer Frage in der Pressekonferenz auf die Folter, brachte sie aber mit Scharfsinn ins Schwitzen
(Motorsport-Total.com) - "Walter Koster, Saarbrücker Zeitung": Wenn ein Journalisten-Haudegen in den Formel-1-Pressekonferenzen zum Mikrofon greift und seinen Namen nennt, sollten alle Zuhörer die Ohren spitzen - und Zeit mitbringen. Der 68-Jährige ist im Medienzentrum dafür bekannt, die längsten Fragen zu stellen. Es sind aber häufig die raffiniertesten. Beim Saisonfinale 2017 in Abu Dhabi schlug Koster - eigentlich Rentner, aber mit der Königsklasse noch auf Reisen - wieder zu. Im Verhör: Lewis Hamilton zum Thema Fair Play im Motorsport.
Kosters Frage ungekürzt: "Lewis, in wenigen Wochen werden Sie die WM-Trophäe erhalten, aber es gibt noch andere Preise - etwa Neuling des Jahres, Persönlichkeit des Jahres und Aktion des Jahres. Jetzt bekommt Mercedes obendrein und zum ersten Mal einen Preis für den schnellsten Boxenstopp. Gibt es nicht genügend Preise? Oder können sie sich weitere vorstellen? Zum Beispiel einen Fair-Play-Award? Für eine besonders kameradschaftliche Aktion? Oder wird in der Formel 1 nicht kollegial gehandelt? Wie ist ihre Meinung? Wie sieht Sebastians und Ricciardos Meinung aus?"
Auch wenn die Fahrer auf dem Podium schmunzelten: Hamilton und wahrscheinlich auch Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo war sofort klar, was Koster mit seiner Frage bezweckte. Erstens ging es ihm um den Rammstoß des Ferrari-Stars in Aserbaidschan. Zweitens um Hamiltons Teamplay zugunsten Valtteri Bottas' in Ungarn. Viel Kontroverse und Gelegenheit, mit einem markanten Kommentar aufhorchen zu lassen - und Koster seine Schlagzeile für die nächste Ausgabe zu liefern.
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Einen Gegner absichtlich zu rammen, wie es Sebastian Vettel beim Aserbaidschan-Grand-Prix 2017 nach Ansicht der Sportkommissare mit Lewis Hamilton machte, ist ein heftiges Foul. Doch die Formel-1-Geschichte trieb noch heftigere und skurrilere Blüten. Wir haben die Top 10 der größten Unsportlichkeiten in einer Fotostrecke zusammengestellt. Fotostrecke
Hamilton spielte auf Zeit statt zu antworten: "Das ist eine gute Frage", sagte er und wich aus. "Es gibt wirklich viele Preise. Haben Sie das Gefühl, es sollten mehr sein? Ich bin nicht derjenige, dem man diese Frage stellen sollte." Vettel allerdings nahm die Vorlage dankend an: "Ich sollte für die Aktion des Jahres und als Persönlichkeit des Jahres ausgezeichnet werden. Was war das Letzte? Fair Play? Fair Play vielleicht nicht, aber die anderen beiden für Baku!" Schallendes Gelächter im Saal.
Hamilton hatte noch - mehr oder weniger ernsthaft - beizutragen, dass er sich einen Pokal wünsche, wie er bei Spaß-Golfturnieren in Großbritannien an den schlechtesten Sportler vergeben wird: einen Clown, aber bitte nicht für das Schlusslicht des Feldes. Dann fiel ihm noch ein: "Es sollte den Journalisten des Jahres geben!" Oder wie Vettel es kurz darauf ausdrückte: "Die Frage des Jahres." Subtext: Walter Koster würde abräumen. Und wäre nicht zum ersten Mal kräftig dekoriert worden.
Schon vor zwei Jahren sorgte er mit einer (ausführlichen) Frage nach dem Spaßfaktor, den die neueren Strecken liefern, für Schmunzeln, aber auch für Rumgedruckse der Piloten. In der vergangenen Saison entlockte der stolze "Nordsaarländer" Hamilton und Rosberg die einzig spannende Aussage ihrer Titelkampf-Pressekonferenz, als es um den Tausch der Crews ging. Die Ankündigung des Briten, der schon damals eine "gute Frage" erkannte, eines Tages in einem Buch die Wahrheit zu offenbaren, steht noch.
Schluss ist mit den investigativen Fragen übrigens lange nicht: Walter Koster plant, dem Tross (zumindest bei ausgewählten Grands Prix) treu zu bleiben. Solange bis das Ferrari-Team sein 1000. Rennen bestreitet. Aktuell steht die Scuderia bei 951 Teilnahmen. Nach Lage der Dinge verhört er also bis 2020 die Stars auf dem Podium. Mal sehen, welchen Diplomaten sich Koster demnächst zur Brust nimmt.