Lewis Hamilton gibt zu: "Ich habe ziemlich viel verpasst"
Der Mercedes-Star erklärt, warum er auf sein Jetset-Leben nicht mehr verzichten will - Als Jugendlicher ordnete er der Formel 1 alles unter, jetzt hat er Nachholbedarf
(Motorsport-Total.com) - Die Geschichte ist bis heute legendär: Als zehnjähriger Naseweis ging Lewis Hamilton bei einer Motorsportgala auf den damaligen McLaren-Teamchef Ron Dennis zu und sagte: "Ich will eines Tages für Ihr Team fahren und Formel-1-Weltmeister werden!" 22 Jahre später steht der Brite kurz vor seinem vierten Titelgewinn in der Königsklasse und ist der globale Superstar der Szene. Längst hat sich der Mercedes-Pilot von einem bloßen Rennfahrer zu einer weltweit bekannten Figur entwickelt, die fasziniert, polarisiert und bisweilen auch provoziert.
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Das "Feierbiest" der Formel 1 will sich den Spaß nicht verderben lassen Zoom Download
Um 2008 der zu diesem Zeitpunkt jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte zu werden, musste Hamilton als Kind und besonders als Jugendlicher viele Entbehrungen auf sich nehmen. Schon als Achtjähriger begann er 1993 mit dem Kartsport und kämpfte sich erfolgreich durch alle Nachwuchsklassen. Die Familie stammte aus einfachen Verhältnissen, Vater Anthony übte zeitweise gleich vier Jobs aus, um die Karriere des Sohnes finanzieren zu können. Der Ehrgeiz war groß, und so ordnete man den Träumen alles andere unter - mit Erfolg.
Der Aufstieg kam rasant: Schon 1998 wurde der junge Lewis ins McLaren-Entwicklungsprogramm aufgenommen, 2001 wechselte er vom Kart- in den Formelsport, 2003 gewann er die britische Formel Renault, 2005 die Formel-3-Euroserie und ein Jahr später war er GP2-Meister. Als 22-Jähriger hatte er seinen ersten großen Traum schließlich verwirklicht - 2007 wurde er bei McLaren-Mercedes Formel-1-Teamkollege von Fernando Alonso. Die Bilder von damals sind erst zehn Jahre alt, doch sie wirken wie aus einer anderen Zeit: Der brave, jungenhafte Engländer mit den raspelkurzen Haaren von damals hat so gut wie nichts mehr gemein mit dem extrovertierten Dreifachweltmeister von heute.
Erst mit Ende zwanzig erkannt, dass es auch andere Dinge gibt
Die Ellenbogen ausfahren konnte Hamilton auch damals auf der Rennstrecke schon, heute eckt er überwiegend mit privaten Eskapaden an: ein Verkehrsunfall mit einem Zwei-Millionen-Euro-Sportwagen in Monaco, Fotos in sozialen Netzwerken von exzessiven Partys mit Wasserpfeife und Tequila, wechselnde Model-Begleitungen bei den Rennen, dazu Tattoos, Ringe und jede Menge Bling-Bling um den Hals. Der 32-Jährige lebt ein Jetset-Leben, schert sich nicht darum, was andere sagen und genieß es in vollen Zügen. Wer ihn einmal beim Festival "Crop Over" auf Barbados gesehen hat, weiß, wo Hamilton in seinem Element ist.
Es scheint nicht nur so, als würde der Formel-1-Superstar seine verpasste Jugend nachholen, es ist tatsächlich so, wie er in einem Interview mit der 'Bild am Sonntag' jetzt unumwunden zugibt: "Ich habe von meiner Schulzeit und von meiner Kindheit ziemlich viel verpasst. Mit 22 bin ich in die Formel 1 gekommen - ich war ein verdammtes Kind! Erst in meinen späten Zwanzigern habe ich realisiert, dass es auch andere Dinge gibt. Aber ich lerne zum Glück schnell", erklärt er sein jetziges Leben. Und mit dem fasziniert er viele seiner Fans genauso wie mit seinen sportlichen Leistungen auf der Rennstrecke.
Die Hunde sind wie Kinder
Deshalb hat er auch gar nicht vor, den Fuß demnächst vom Gas zu nehmen und sein "wildes Leben" zu entschleunigen, wie ihm manche Kritiker immer wieder raten. "Jesus, ich kenne Leute, die sind 30 und in Beziehungen oder verheiratet und haben komplett aufgehört, Spaß zu haben", sagt er fast verächtlich. Sein Abnabelungsprozess von seinen Förderern Dennis, der ihm 2006 sogar eine Afro-Frisur verbot, und Vater Anthony ist längst abgeschlossen, doch es gibt noch eine Menge nachzuholen.
2010 kam es zu einem Bruch mit seinem Vater, der ihn anschließend nicht mehr managte. "Damals begann der Prozess. Mein erstes Tattoo ließ ich mir stechen, als ich noch bei McLaren war. Ich begann Dinge zu tun, die ich tun wollte." Spätestens mit dem Wechsel zum Mercedes-Team zur Formel-1-Saison 2013 erlebten die Fans dann einen neuen Lewis.
Mit seinem Vater Anthony hat er sich inzwischen wieder versöhnt, doch an eigene Kinder verschwendet der Spitzenreiter der Fahrer-WM 2017 noch keinen Gedanken. "Das ist noch lange, lange hin. Erst mal muss man den richtigen Menschen dafür treffen", so der Single und reflektiert: "Wenn du Kinder haben willst, musst du dein bisheriges Leben deutlich einschränken. So weit bin ich noch nicht." Aktuell habe er schon Schwierigkeiten, genügend Zeit für seine beiden Hunde Roscoe und Coco finden, die er deshalb oft zu den Rennen mitnimmt. "Es ist ein bisschen, wie Kinder zu haben. Wobei: Ein Kind ist wahrscheinlich einfacher als zwei Hunde", sagt er lachend.