Von Mercedes zu Williams: Wenn der Druck entspannt
Williams' Technischer Direktor Paddy Lowe spricht über seinen Gesichtsausdruck und die verschiedenen Stresslevel bei Top- und Mittelfeldteams
(Motorsport-Total.com) - Von Paddy Lowe hat man schon in den vergangenen Jahren verschiedene Gesichtsausdrücke kennengelernt: Den fröhlichen, weil es bei Mercedes nun einmal viel zu feiern gab; aber auch den verkniffenen, weil er als Technischer Direktor dafür Sorge trug, dass diese Feiern auch zu Stande kamen. Seit dieser Saison kann sich der Ingenieur weniger beobachtet in der Boxengasse bewegen. Seine Rückkehr zu Williams lässt ihn gelöster wirken.
"Man hat mir schon gesagt, dass ich entspannter wirke als in den vergangenen Monaten", sagt er. "Ich weiß nicht, woher das kommt. Wenn man an der Spitze der Startaufstellung kämpft, dann wird von einem erwartet, dass man jedes Rennen gewinnt. Wenn man dann mal eines nicht gewinnt, dass fangen die Leute an, Fragen zu stellen und gehen von einem Desaster aus. Das erzeugt dann natürliche einen gewissen Druck. Ich denke aber, dass ich mit Druck immer gut umgehen konnte."
In Lowes Gesicht kann man auch die Erfahrung aus 30 Jahren Formel 1 ablesen. Bei Williams wurde er schon in den 1980er-Jahren angelernt, in den 1990ern arbeitete er sich bei McLaren hoch und seit 2013 gehörte er zu den Vätern des Erfolgs bei Mercedes. Dass dabei viel Druck entstand, war zuletzt beim Saisonfinale 2016 zu merken.
Aus dem Fokus der Spitzenreiter
Es war seine Stimme, die Lewis Hamilton dazu ermahnte, Nico Rosberg nicht mehr einzubremsen - eine Anweisung, die vom dreimaligen Weltmeister einfach ignoriert und von einem Millionenpublikum diskutiert wurde. Nach drei Jahren im absoluten Fokus der Königsklassen-Aufmerksamkeit trennten man sich dann im gegenseitigen Einverständnis, wie es so schön in PR-Sprache heißt.
Für Lowe hatte sich eine Tür in die Vergangenheit geöffnet. Bei Williams wurde er mit offenen Armen empfangen. Wie sehr sich der 55-Jährige Brite in Grove zuhause fühlt, war in der vergangenen Woche in Silverstone zu beobachten.
Bei den Feierlichkeiten zum 40. Formel-1-Jubiläum des Teams streifte Lowe andächtig durch die Reihen der alten Boliden. Mit alten Kollegen plauderte über vergangenen Zeiten - zum Beispiel darüber, wie er beim legendären Silverstone-Rennen 1992 als einziger wusste, dass es an Nigel Mansells FW14B ein Getriebeproblem gab und für sich allein bangte, dass es der Lokalheld über die Ziellinie schaffen würde.
Jetzt will er mit seiner alten Familie an längst vergangene Erfolgszeiten anknüpfen. "In meinem neuen Job stehe ich auch unter Druck - aber es ist eine andere Art", betont er dabei. "Wir haben eine Menge Arbeit zu erledigen und noch einen weiten Weg vor uns. Wir machen einen Schritt nach dem anderen um voranzukommen. Diese andere Art von Stress spiegelt sich vielleicht in meinem Gesicht wieder. Ich genieße es jedenfalls. Ich habe meine Arbeit in jedem Kontext genossen."