Nico Rosbergs Weltmeister-Rezept: Mathe im Schwimmbad
Nico Rosbergs Trainer verrät, mit welchen ungewöhnlichen Methoden mentale Stärke erreicht und wo sogar noch Gewicht eingespart werden konnte
(Motorsport-Total.com) - Formel-1-Piloten mögen auf der Strecke Einzelkämpfer sein. Aber ohne ein funktionierendes Team dahinter kommt kein Rennfahrer zum Erfolg. Zum engeren Kreis der Vertrauten von Weltmeister Nico Rosberg gehörte neben PR-Berater Georg Nolte auch Physiotherapeut Daniel Schlösser. Das Dreier-Gespann trat in den vergangenen Jahren oft in den sozialen Medien und "Dan the Man", wie Schlösser in Mercedeskreisen genannt wird, im Fahrlager meist als Sparringspartner im Ballhochhalten in Erscheinung. Das war aber nur die Spitze eines erfolgreichen Champions-Trainingsplans.
Atemübungen unter Wasser, Memory im Schwimmbad und gezielter Gewichtsverlust haben den Mercedes-Piloten Rosberg 2016 zur Formel-1-Weltmeisterschaft verholfen. "Ich musste ihm nie in den Arsch treten. Eigentlich eher bremsen", verrät Schlösser gegenüber Bild.de über Rosbergs Ehrgeiz außerhalb des Autos. "Bei allem was wir trainiert haben, war immer dieser Wettkampf-Gedanke da." Eine Niederlage beim Tennis oder eine falsch gelöste Rechenaufgabe konnten den 31-jährigen schon mal auf die Palme bringen. Aber was hat das mit Rennvorbereitung zu tun?
"Nico musste sich im Auto immer sehr viele Setup-Details und Einstellungen merken", erklärt Schlösser. "Deshalb haben wir beim Schwimmen zum Beispiel auch Memory gegeneinander gespielt um unter physischer Belastung gleichzeitig das Gedächtnis zu trainieren. Nach zwei Bahnen durfte man zwei Karten aufdecken und so weiter."
Körperlichen Anstrengungen standhalten und dabei mental fit bleiben heißt das Erfolgsrezept für Spitzenpiloten. "Wir haben Schwimmen mit Rechenaufgaben kombiniert", so Schlösser. "Ich hatte mir folgendes überlegt: Nico musste zwei Bahnen a 25 Meter schwimmen. Vor Beginn habe ich ihm eine Rechenaufgabe gestellt, zum Beispiel: 17 mal 18. Nach 50 Metern musste er mir die Antwort sagen. Nico hat für die Strecke trotz rechnen deutlich weniger als zwei Minuten gebraucht. Allerdings haben wir hinterher manchmal diskutiert, wenn seine Antwort knapp daneben war. Er wollte das dann manchmal nicht einsehen", schmunzelt der 40-Jährige.
Auch bei der körperlichen Fitness musste umgedacht werden. Denn in der Königsklasse heißt es nach wie vor: Im Auto zählt jedes Gramm. "Als Faustformel gilt: Ein Kilo weniger Gewicht im Auto bringen etwa drei Hundertstel pro Runde", sagt Rosbergs Trainer. "Etwa das Gewicht, was Nico in der Sommerpause verloren hat." Da können die 67 Kilo auf 1,78 Meter Größe von Rosberg im Vergleich zu den 66 Kilo auf 1,74 Meter Größe von Lewis Hamilton schon einen Unterschied machen. "Die Fahrer haben alle ein Problem: Sie müssen leicht sein, andererseits in allen Bereichen des Körpers enorme Kräfte haben", so Schlösser. "Also geht es darum, Gewicht zu verlieren, aber keine Power."
Fotostrecke: Die Formel-1-Karriere des Nico Rosberg
Die Formel-1-Karriere des Nico Rosberg dauerte elf Jahre und endete auf ihrem Höhepunkt: mit dem WM-Titel 2016 für Mercedes und einer bewegenden Pressekonferenz in Wien. Wir blicken zurück auf 206 Grand-Prix-Starts, 23 Rennsiege, 57 Podiumsplatzierungen und 30 Pole-Positions. Fotostrecke
Wie schwierig dieses Unterfangen ist, zeigt sich in Rosberg umgestellten Trainingsplan: "Der einzige Spielraum waren die Beine. Wir haben das Training umgestellt, sind statt Radfahren öfter laufen gegangen. Wir haben so die Ausdauer erhalten, aber Nico verlor an den Beinen Muskeln und damit auch Gewicht." Auch das gefährliche Spiel mit der Flüssigkeitszufuhr gehört dazu: "Bei Hitzerennen hat Nico Samstag vor der Qualifikation weniger getrunken als sonst - fast einen Liter im Vergleich zu früher. Auch da ging es darum, Gewicht zu sparen."
Für Rosberg hat sich die Quälerei 2016 ausgezahlt. Auch wenn dabei oft Rücksicht auf seinen Gemütszustand genommen werden musste - wie zum Beispiel beim Warmmachen am Ball. "Ich glaube, wenn man alle Sessions zusammennimmt, ist Nico leicht vorne", erklärt Schlösser. "Aber wenn ich ein paarmal hintereinander besser war, wurde Nico auch richtig sauer. Auch das war ein einziger Wettbewerb. Bei den letzten Rennen haben wir es deswegen sogar bleiben lassen. Wenn sich abzeichnete, dass ich am Freitag besser war, hat Nico Fußball Samstag oder Sonntag ausfallen lassen. Er wollte nicht mit einem Negativ-Erlebnis ins Auto steigen."