Freudentanz und Handshake: Weltmeister Rosberg im Rausch
Was lange währt, wird endlich gut: Nico Rosberg ist nach seinem ersten Titelgewinn wie im Rausch - Mit der Zieldurchfahrt gibt es für Crew und Familie kein Halten mehr
(Motorsport-Total.com) - Bis zur letzten Kurve mussten er, das Team, Familie, Freunde und Fans zittern. Seine Ehefrau Vivian hielt sich in der Mercedes-Box mit ihrer Trauzeugin an den Händen, konnte gar nicht mehr auf den Bildschirm schauen. Dann, kurz vor 16 Uhr deutscher Zeit, kam die Erlösung: Nico Rosberg überquert die Ziellinie in Abu Dhabi als Zweiter hinter Lewis Hamilton und krönt sich damit erstmals in seiner Rennfahrerkarriere zum Formel-1-Weltmeister.
Nach zwei Jahren als Vize-Weltmeister hat sich der 31-Jährige seinen Kindheitstraum erfüllt und ist neben Michael Schumacher und Sebastian Vettel nun der dritte Deutsche mit einem Titel in der Königsklasse des Motorsports. Aber nicht nur das: Neben Damon Hill ist er der einzige Weltmeister-Sohn, der selbst einen Titel einfahren konnte. Vater Keke Rosberg hatte es in der Königsklasse 1982 nach ganz oben geschafft.
"Ich bin sehr stolz, dasselbe Kunststück geschafft zu haben wie mein Vater", sagt Rosberg unter Tränen auf dem Abu-Dhabi-Podium. "Er wird in etwa einer halben Stunde auch hierher kommen, denke ich." Denn der 67-Jährige hatte sich das ganze Wochenende über nicht gezeigt, zu groß war wohl die Anspannung. Zum Glück sind Rosberg-Mama Sina und Ehefrau Vivian da weniger kamerascheu.
Sonst wären uns hochemotionale Jubelbilder entgangen. Denn natürlich gab es nach der Zieldurchfahrt kein Halten mehr. Rosbergs Crew stürmte die Boxengasse auf dem Weg ins Parc ferme, während der neue Weltmeister auf seiner Auslaufrunde im Nebel der Donuts verschwand. Da staunte selbst ein erfahrener Ingenieur wie Paddy Lowe nicht schlecht: "Lächerlich viele Donuts waren das. Da hat er einen Weltrekord aufgestellt."
Ehefrau Vivian gab noch auf ihrem Weg zur Podiumszeremonie das erste Interview und war völlig von der Rolle. "Es ist mir vorgekommen wie 200 Jahre. Ich zittere immer noch. Wahnsinn! Unglaublich! Diese Intensität kann man gar nicht beschreiben", so die 31-Jährige, die zugibt: "Ich habe die meiste Zeit mehr weg- statt hingeschaut." Ihr und Töchterchen Alaïa, die im Hotel wartete, widmete Rosberg schließlich seinen WM-Titel.
"Dieser Sieg ist für meine Frau und meine Tochter. Allen anderen werde ich später danken", erklärte der Deutsche sichtlich überwältigt auf dem Treppchen. Das tat er kurz nach dem Rennen etwa auf Twitter und postete ein Video aus Kindertagen, um seinen Eltern für die anhaltende Unterstützung zu danken. Im Paddock platzte indes Mutter Sina vor Stolz: "Jetzt habe ich zwei Weltmeister in der Familie, einen alten und einen neuen."
Sina Rosberg verrät Erfolgsgeheimnis der Familie
Sich selbst hat die 70-Jährige übrigens auch einen Titel verpasst: "In Monaco bin ich als die Goldene Eizelle bekannt. Niki Lauda hat mal zum Keke gesagt, von dir ist das eine. Und da habe ich gesagt, dann bin ich die Goldene Eizelle. Seitdem ist das mein Titel", lacht sie und verrät gleich noch ein Erfolgsgeheimnis der Familie. Dort gibt es eine feste Regel: "Zu Hause haben wir nie über die Formel 1 gesprochen. Da gab's nur Spaghetti."
Das scheint geholfen zu haben. Zumindest wäre es eine Erklärung für Rosbergs anhaltende Ruhe im sich zuspitzenden WM-Kampf mit Hamilton. Nicht nur im Laufe der Saison, sondern auch im finalen Rennen hatte der Deutsche Nerven lassen müssen. Denn Hamiltons Taktik, ihn einzubremsen und so in die Fänge der Gegner zu jagen, schwebte für 55 Runden wie ein Damoklesschwert über dem Titelaspiranten.
So räumt Rosberg unverhohlen ein: "Das war definitiv nicht das angenehmste Rennen, das ich je hatte. Mit Max (Verstappen; Anm. d. R.) zu Beginn und dann den anderen Jungs im Nacken, wirklich nicht sehr angenehm diese letzten Runden. Aber ich bin froh, dass es vorbei ist und jetzt bin ich wie im Rausch." Die Champagnerdusche und ein Freudentänzchen mit seiner Frau und den beiden Trauzeugen kamen da wie gerufen.
Selbst mit WM-Rivale Lewis Hamilton gab es gleich mehrere Handschläge und Umarmungen. Das böse Blut der vergangenen Tage, Wochen, Monate scheint zumindest für diesen Augenblick vergessen. Hatten beide am Donnerstag den Händedruck noch demonstrativ verweigert, musste David Coulthard, der diesmal den Podiumsinterviewer mimte, nicht lange bitten. So bekamen die Fotografen dann doch noch ihr Bild.