Britische Reporterlegende: Stiller Abschied im Fernsehsessel
Murray Walker kommt aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Silverstone und sagt nach 65 Jahren "Goodbye" - Interview mit Lewis Hamilton als letzter Wunsch
(Motorsport-Total.com) - Was wird aus der Fußball-Bundesliga ohne Marcel Reif? Und wer hätte sich Tennis in Wimbledon ohne Gerd Szepanski vorstellen können? Vor einer ähnlichen Frage stehen die britischen Formel-1-Fans, die ihre Reporterlegende Murray Walker nicht einmal mehr als Zaungast erleben werden. Der 92-Jährige fehlt beim Großbritannien-Grand-Prix erstmals seit 65 Jahren im Paddock, verdrückt einige Tränen und hat kaum noch Hoffnung, eines Tages in das Fahrerlager zurückzukehren.
Walker, der bei vielen Piloten Kultstatus genießt, macht gesundheitliche Gründe verantwortlich, dass er am Wochenende zu Hause bleibt. Dem 'Mirror' erklärt er: "Ich bin ein alter Mann, meine Beine sind nicht mehr die gleichen wie früher. Vier Tage bei einem Grand Prix rumzulaufen ist harte Arbeit." Er muss sich das Rennen aus dem Fernsehsessel anschauen. Wohl nicht nur 2016, sondern für immer. "Sag niemals nie, aber ich denke, mein letzter Grand Prix ist passé", so Walker.
Immerhin wird er in einem Fernsehbeitrag auf Channel 4 zu sehen sein. Es geht um ein Interview mit Freddie Hunt, Sohn der Formel-1-Ikone James, die er als Journalist begleitete und später als Co-Kommentator in der Kabine sitzen hatte. "Bis zum letzten Atemzug", so verspricht es Walker, wolle er dem Motorsport treu bleiben, noch einmal Lewis Hamilton seine Fragen stellen. Wehmütig sagt er: "Es war stets meine Leidenschaft. Ich bleibe dran, solange ich einen Fuß vor den anderen setze."
Apropos Hamilton: Für den Weltmeister bricht Walker eine Lanze und verteidigt ihn gegen seine Kritiker. "Die Leute sind unaufrichtig und die Ressentiments haben mit Neid zu tun", sagt er über den Umgang mit dem extravaganten Lebensstil seines Landsmanns. "Er hat genug Talent und ist genug Freigeist, um alles an den Erfolg zu setzen und Rennen zu gewinnen - um dann ins Auto oder den Privatflieger zu steigen, in die USA zum Stelldichein mit Showstars zu jetten, in Colorado Hängegleiter zu fliegen oder in Australien zu surfen. Er lebt ein Leben, das viele gerne hätten."
Murray Walker kommentierte bis 2001 Formel-1-Rennen für die BBC und später für den privaten Sender ITV. Er wurde für seinen enthusiastischen Stil und sein "Walkerisms" bekannt - kleine und große Versprecher im Eifer des Gefechtes. Er war als junger Mann lange beim Militär, absolvierte seine zweite Karriere in der Werbebranche und schloss sich in den Siebzigerjahren dem Zirkus an.