F1-CEO Domenicali vermisst technische Kontroversen: "Das Salz in der Suppe"
Formel-1-CEO Stefano Domenicali vermisst die großen technischen Kontroversen früherer Jahre - Gleichzeitig spricht er sich Einheitsbauteile aus
(Motorsport-Total.com) - Formel-1-CEO Stefano Domenicali hat angedeutet, dass er sich mehr Streitigkeiten über das technische Reglement der Meisterschaft wünschen würde, und bezeichnete einige Beispiele aus seiner Zeit bei Ferrari als "Würze" des Sports.
In seiner früheren Rolle bei Ferrari - angefangen in der Marketingabteilung, später als Sportdirektor und nach dem Rücktritt von Jean Todt als Teamchef - erlebte Domenicali in den 2000er- und 2010er-Jahren zahlreiche technische Kontroversen.
In einem exklusiven Interview mit Autosport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com, erinnert der Italiener Ferraris etwa an die Doppel-Disqualifikation beim Grand Prix von Malaysia 1999. Damals wurden die Bargeboards des Teams für illegal erklärt, was Mika Häkkinen zunächst den Titel bescherte.
Ferraris Technikdirektor Ross Brawn schien zunächst zuzugeben, dass dem Team ein Fehler unterlaufen war, änderte seine Haltung jedoch im Berufungsverfahren.
Ferrari konnte sich erfolgreich verteidigen, indem es auf Unstimmigkeiten bei der Auslegung einer 5-Millimeter-Toleranz für bestimmte Flächen der Bargeboards hinwies. Die Disqualifikation wurde später von der FIA aufgehoben und Eddie Irvines Sieg wieder anerkannt. Das Titelrennen blieb bis zum letzten Rennen in Suzuka offen.
Domenicali: Früher deutlich größere Grauzonen
Domenicali erwähnt auch einige technische Entwicklungen in den folgenden Jahrzehnten, die titelambitionierten Teams vorübergehende Vorteile verschafften - bis sie verboten wurden. Er deutet an, dass solche Innovationen heutzutage aufgrund strengerer Reglementierungen beim Fahrzeugdesign fehlen würden.
"Ich habe viele dieser Geschichten selbst miterlebt: Malaysia '99, den Doppeldiffusor, FRIC, Massedämpfer, F-Ducts ... sie gehören alle zur Geschichte der Formel 1", sagt Domenicali. "Früher war ich fast jeden Sonntag aktiv in technische und sportliche Regeldiskussionen eingebunden. Damals gab es deutlich größere Grauzonen als heute - aber die Leute wissen immer noch, wie man bis ans Limit geht."
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"Persönlich empfinde ich die heutigen Kontroversen als relativ geringfügig. Ehrlich gesagt, wäre es schön, wieder ein bisschen mehr davon zu haben - sie sind das Salz in der Suppe des Sports", findet der Formel-1-CEO, der erst kürzlich bis 2029 verlängerte.
Formel-1-CEO mahnt zum Umdenken
In Bezug auf den aktuellen Stand der Technik in der Formel 1 vertritt Domenicali die Ansicht, dass es in bestimmten Bereichen sinnvoll wäre, Einheitsbauteile vorzuschreiben - als Beispiel nannte er die Getriebe. Das heutige Publikum sei dafür offener.
"Fans meiner Generation müssen überdenken, was Leistung und technologisches Interesse ausmacht", findet der Italiener. "Der Fokus auf nachhaltige Kraftstoffe ist absolut der richtige Weg. Aber - und das mag provokant klingen - es ergibt keinen Sinn mehr, dass Teams riesige Summen investieren, um eigene Getriebe zu entwickeln."
"Der Leistungsgewinn ist minimal, und Fans sehen darin kein spannendes Entwicklungsfeld mehr. Wir müssen die Bereiche identifizieren, in denen sich Technik und Unterhaltung überschneiden. Viele Dinge, die früher als bahnbrechend galten, rechtfertigen heute keine großen Investitionen mehr. Wir müssen den Mut haben, zu akzeptieren, dass sich das Umfeld verändert hat", appelliert der Formel-1-Boss.