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Nach Rücktritt: Robert Reid rechnet mit der FIA ab
Eine Woche nach seinem Rücktritt als Vizepräsident der FIA hat Robert Reid eine Erklärung veröffentlicht, die mehr Licht auf die Probleme hinter den Kulissen wirft
(Motorsport-Total.com) - Vergangene Woche kündigte der ehemalige Rallye-Co-Pilot und FIA-Vizepräsident für Sport, Robert Reid, öffentlich seinen Rücktritt an und sorgte damit für einen Paukenschlag. Nun äußerte er sich auf der Plattform Substack zu den Beweggründen.

© JEP / Motorsport Images
Robert Reid (links) kritisiert die internen Zustände im Weltverband Zoom Download
In seiner veröffentlichten Erklärung dankt er all jenen aus dem Motorsport und den Mitgliedsclubs der FIA, die ihm unterstützende Nachrichten schickten - und betont erneut das, was er als Mangel an Kommunikation und Transparenz von oben empfindet.
"Es ist interessant, aber nicht völlig überraschend, dass viele dieser unterstützenden Nachrichten mit dem Vorbehalt einhergingen, nichts öffentlich sagen zu wollen - aus Angst vor Repressalien. Das unterstreicht einige der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind", schreibt Reid.
"Ich würde niemals von jemandem verlangen, sich in eine Situation zu begeben, die er als unangenehm empfindet - sei es durch einen Unterstützungsbrief oder einen öffentlichen Beitrag mit klarer Zustimmung. Ich halte das nicht für fair. Aus anderen Richtungen war das Schweigen geradezu ohrenbetäubend."
"Wie ich in meiner ersten Erklärung sagte, hatte meine Entscheidung, zurückzutreten, nichts mit Personen oder Politik zu tun. Es ging um Prinzipien. Ich habe dieses Amt mit einem klaren Mandat übernommen: dabei zu helfen, eine transparente, rechenschaftspflichtige und von den Mitgliedern geführte Föderation zu gestalten."
Innerhalb der FIA brodelt es gewaltig
Reids Rücktritt war das jüngste Anzeichen für Spannungen innerhalb der FIA in Bezug auf deren Führung - ein Thema, das durch einen offenen Brief des Vorsitzenden von Motorsport UK, David Richards, im letzten Monat deutlich hervorgehoben wurde.
Während das oft exzentrische Verhalten von FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem und seine scheinbar willkürlichen Erlasse zu Randthemen wie Fahrerschmuck oder Wortwahl der Fahrer die Schlagzeilen dominieren, liegt das Unbehagen tiefer.
Vor der letzten Wahl vor vier Jahren versicherte Sulayem seinen potenziellen Unterstützern, dass er ein Präsident mit zurückhaltender Rolle sein und operative Angelegenheiten einem professionellen Führungsteam überlassen würde. In seinem offenen Brief erklärte David Richards, dass genau dies der Grund war, warum der britische Verband Sulayem dem britischen Kandidaten Graham Stoker vorzog.
Kritiker von Sulayem sagen jedoch, dass sich die Entwicklung in Wirklichkeit hin zu einer Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten bewegt habe - einhergehend mit einem Mangel an Transparenz bei Entscheidungsprozessen.
Dies kulminierte in einem Eklat um die Forderung, vor einer Sitzung des World Motor Sport Council (WMSC) Ende Februar bindende Geheimhaltungsvereinbarungen zu unterzeichnen.
Eines der umstrittensten Themen im Hintergrund ist die Entscheidung der FIA, die Promotion der Rallycross-WM selbst zu übernehmen. Kritiker von Sulayem sehen darin einen klaren Interessenskonflikt - die FIA sollte nicht gleichzeitig Dachverband eines Motorsportzweigs und für dessen kommerzielle Verwertung verantwortlich sein.
Es gibt dafür juristische Präzedenzfälle: 1999 leitete die Wettbewerbskommission der EU eine kartellrechtliche Untersuchung gegen die FIA und das damalige Formel-1-Management unter Max Mosley und Bernie Ecclestone ein. Die EU sah die enge Beziehung dieser beiden Personen und ihrer Institutionen als problematisch an. Tatsächlich war Ecclestone damals Leiter der Vermarktung bei der FIA.
Fotostrecke: Ecclestones Skandale und Skandälchen
Im Laufe seines Berufs- und Privatlebens erwarb sich Bernie Ecclestone den Ruf, jede Krise sowie jeden Skandal unbeschadet zu überstehen und anschließend genauso weiterzumachen wie zuvor. Diese "Tefloneigenschaften" sicherten dem Zampano seine Macht in politischen Zwickmühlen, nach seiner Scheidung, bei allerlei juristischen Problemen und verbalen Entgleisungen. Erstmals wackelte Ecclestone aber nicht als Geschäftsmann, sondern als Rennfahrer. Ein Rückblick auf Skandale und Skandälchen. Fotostrecke
Die EU sah einen klaren Interessenskonflikt zwischen der Regulierungsfunktion der FIA im internationalen Motorsport und ihren kommerziellen Interessen.
Um einen langwierigen und teuren Rechtsstreit zu vermeiden, den sie voraussichtlich verloren hätte, lenkte die FIA ein: Ecclestone trat von seinem Amt zurück und trennte sich von allen kommerziellen Motorsport-Interessen außerhalb der Formel 1, während Mosley umstritten die kommerziellen Rechte der Formel 1 an die FOM "verpachtete".
Bedenken wegen Interessenskonflikten
Die Übernahme der Rallycross-Rechte durch Sulayem dürfte diese Problematik erneut aufwerfen. Darauf beruft sich auch Reid: "Eines der deutlichsten und zugleich beunruhigendsten Beispiele für diesen Zusammenbruch der Standards war die Internalisierung der Rallycross-Weltmeisterschaft", schreibt er.
"Ich habe wiederholt Bedenken geäußert - sowohl hinsichtlich des Governance-Prozesses als auch möglicher rechtlicher Konsequenzen - und erhielt keinerlei Antwort, obwohl ich gewählte Verantwortlichkeiten und treuhänderische Pflichten hatte."
"Schließlich blieb mir nichts anderes übrig, als externen juristischen Rat einzuholen. Erst dann erhielt ich eine Antwort - leider jedoch ohne die Klarheit und Gründlichkeit, die ich mir erhofft hatte. Man sagte mir allgemein, der Governance-Prozess sei in Ordnung und es bestehe kein rechtliches Risiko."
"Aber es wurden keinerlei Beweise oder Erklärungen zur Untermauerung dieser Zusicherungen vorgelegt. Für jemanden, der den Mitgliedern gegenüber rechenschaftspflichtig ist und persönlich haftet, war das schlicht nicht akzeptabel."
Reid stellt auch seine Sichtweise zu dem anderen von Richards angesprochenen Thema klar - der erzwungenen Unterzeichnung von Geheimhaltungsvereinbarungen (NDA) vor einer WMSC-Sitzung. Es ist bekannt, dass die FIA-Führung besorgt über das Ausmaß an Informationen ist, die aus vertraulichen Sitzungen an die Öffentlichkeit gelangen.
"Ein Journalist sagte zu mir, die FIA sollte sich eher fragen, warum Leute Informationen durchstechen - und nicht nur wer es tut. Ich denke, darüber sollte man wirklich nachdenken", sagt Reid dazu und erklärt: "Ich habe die NDA-Änderung nicht abgelehnt."
"Ich habe lediglich um eine kurze Fristverlängerung gebeten, um rechtlichen Rat zu einem komplexen, dem Schweizer Recht unterliegenden Dokument einzuholen, das mit relativ kurzer Frist vorgelegt wurde. Diese Bitte wurde abgelehnt."
Ralf Schumacher: Sulayem ist kein guter Präsident
Sky-Experte Ralf Schumacher wundert sich über die überraschende Trennung und kritisiert den FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem. Weitere Formel-1-Videos
"Infolgedessen wurde ich von der Sitzung des World Motor Sport Council ausgeschlossen - aus meiner Sicht sowohl unfair als auch rechtswidrig. Zehn Tage später wurde mein FIA-E-Mail-Konto ohne Vorankündigung deaktiviert. Mehrere Anfragen nach Hilfe und Erklärung blieben unbeantwortet - bis mir nach einem juristischen Schreiben meines Anwalts mitgeteilt wurde, dass es sich um eine bewusste Entscheidung gehandelt habe."
"Ich habe mich zu Wort gemeldet, als ich das Gefühl hatte, dass grundlegende Prinzipien ausgehöhlt werden. Ich habe dies respektvoll, konstruktiv und stets mit dem Ziel getan, die Integrität unseres Sports zu schützen. Aber das hatte seinen Preis."
"Es wurde deutlich, dass das Ansprechen berechtigter Bedenken nicht immer willkommen ist - und ich habe selbst erlebt, wie das Infragestellen des Status quo eher zu Ausgrenzung als zu Dialog führt. Ich bereue es nicht, mich geäußert zu haben. Aber ich glaube, dass ich dafür unfair behandelt wurde", so Reid.