Andrea Stella: McLaren-Stärke bei wenig Grip ist ein gutes Zeichen
Teamchef Andrea Stella ist froh, dass McLaren sowohl im Qualifying als auch im Rennen konkurrenzfähig ist, und wertet das als positives Zeichen
(Motorsport-Total.com) - McLaren hat das dritte Freie Training zum Grand Prix von Bahrain 2025 dominiert. Oscar Piastri fuhr Bestzeit, und der erste Verfolger der Papaya-Flitzer hatte 0,834 Sekunden Rückstand (Charles Leclerc auf Ferrari). Da staunte selbst Ralf Schumacher am Sky-Mikrofon: "Junge, Junge, sind die McLaren schnell!"
Im Qualifying ein paar Stunden später, als die Sonne über der Sachir-Wüste untergegangen und der Asphalt abgekühlt war, bot sich dann ein ganz anderes Bild. Zwar fuhr Piastri auf Poleposition, aber sein Vorsprung auf Mercedes-Pilot George Russell betrug nur 0,168 Sekunden. Und Lando Norris wurde nach einem Fahrfehler im ersten Sektor Sechster.
Andrea Stella glaubt, dass die Wahrheit eher im Qualifying als im Freien Training liegt, in dem die Hitze brütend war und der Grip extrem gering: "Die Abstände in den Trainings, die für sich genommen nicht allzu viel aussagen, hängen von verschiedenen Faktoren ab: Spritmenge, Motormodus und so weiter", sagt der McLaren-Teamchef.
"Was hier interessant ist: Je rutschiger die Strecke ist, desto größer scheint unser Vorteil zu sein. Normalerweise ist das eine gute Eigenschaft. Aus meiner Erfahrung bedeutet das, dass das Auto über ein hohes Maß an grundlegendem Anpressdruck verfügt. Je weniger Grip der Asphalt bietet, desto wichtiger wird genau diese Art von Anpressdruck."
"Wenn es dann in kühlere Sessions geht, kommt etwas mehr Grip vom Asphalt dazu, außerdem sorgt die dichtere Luft für mehr Abtrieb. In solchen Situationen tendieren die Abstände dazu, kleiner zu werden. Möglicherweise ist das genau der Trend, den wir hier in Bahrain beobachten. Ich werte diese Eigenschaft unseres Autos jedenfalls als Stärke", erklärt Stella.
Denn: Wenn die Bodenhaftung nicht nur durch die Reifen generiert wird, wächst die Bedeutung der Aerodynamik. Und die scheinen die McLaren-Ingenieure beim MCL39 gut hinbekommen zu haben. Dass es dann im Qualifying eng wurde, überrascht Stella trotzdem nicht: "Ich lese einfach nur die Zahlen und schaue auf die Fakten. Die Abstände sind, wie sie sind. Und auch in diesem Fall konnten wir einen kleinen Vorsprung von ein paar Zehnteln gegenüber Platz 2 herausfahren."
Aber: "Ein paar Zehntel können auch bedeuten, dass man bei kleinen Ungenauigkeiten nicht mehr ganz vorne steht. Heute war Oscar nahezu fehlerfrei in seinen Runden, und deshalb steht er auf P1. In Japan haben wir gesehen, dass man sofort die Pole verliert, wenn man ein wenig Performance liegen lässt."
Spannend ist übrigens, dass McLaren nicht nur auf die volle Renndistanz gesehen den besten "Reifenflüsterer" im Feld zu haben scheint, sondern dass das Auto gleichzeitig auch auf die schnelle Einzelrunde im Qualifying funktioniert. Das ist ein Spagat, den in der Vergangenheit nicht alle Teams hinbekommen haben. Selbst der Red Bull war in seinen besten Jahren eher ein Renn- als ein Qualifying-Auto.
"Es stimmt, diese beiden Eigenschaften vereinen sich traditionell nicht im selben Auto", sagt Stella. "Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir bisher beim Reifentemperieren überhaupt wirklich herausgefordert wurden. Und das gilt nicht nur für McLaren, sondern generell. Reifenaufwärmen war bisher kein entscheidender Performance-Faktor."
"Ich wäre überrascht, wenn es hier in Bahrain mit diesem Asphalt und bei diesen Temperaturen Probleme mit dem Reifenaufwärmen gäbe. Ich denke, genau deshalb sehen wir, dass das kein Thema ist - weil es schlicht kein relevanter Faktor ist. Das kann auf anderen Strecken anders sein, aber hier ist das kein Thema."
"Hoffentlich sehen wir im Rennen, dass unser Auto den anderen entscheidenden Faktor - den schonenden Umgang mit den Reifen und das Vermeiden übermäßiger Abnutzung - optimal ausnutzen kann. In Japan war der Reifenverschleiß kein Thema, aber hier sieht es nach einer Strecke mit hohem Verschleiß aus, zumindest basierend auf den Erkenntnissen aus dem Training. Und die Rundenzeiten deuten darauf hin, dass der Verschleiß sogar noch höher sein könnte als im Vorjahr."