McLaren: Warum zwei Nummer-1-Fahrer ein Vor- und kein Nachteil sind
Andrea Stella möchte, was die Fahrerpaarung betrifft, nicht mit Red Bull tauschen, und betont, dass die Paarung Norris-Piastri "viele Möglichkeiten" eröffnet
(Motorsport-Total.com) - McLaren-Teamchef Andrea Stella ist überzeugt davon, dass es ein Vor- und kein Nachteil ist, zwei ungefähr gleichwertige Fahrer zu haben. Während es etwa bei Red Bull mit Max Verstappen eine klare Nummer 1 gibt, begegnen einander Lando Norris und Oscar Piastri auf Augenhöhe. Zwei völlig unterschiedliche Philosophien, ein Grand-Prix-Team zu betreiben.
Stella würde mit seinem Red-Bull-Konterpart Christian Horner aber nicht tauschen wollen: "Ich sehe mir immer noch selbst viele Telemetriedaten an, und dabei fällt mir immer wieder auf, dass sich beide Fahrer gegenseitig pushen und voneinander lernen."
Er nennt den Bahrain-Freitag als konkretes Beispiel: "Wenn man sich das erste Freie Training ansieht, sind sie fast komplementär darin, wo sie schnell oder langsamer sind. Das eröffnet viele Möglichkeiten. Und dann sehe ich eine Synergie. Und diese Synergie hebt das gesamte Niveau an. Für mich ist das der größte Unterschied im Vergleich zur Vergangenheit. Man kann es als reine Fahrzeugleistung sehen. Aber für mich ist es die Kombination aus dem Auto und dem, was die Fahrer aus sich herausholen und wie sie ihr eigenes Niveau anheben."
Beide Ansätze waren in der Geschichte der Formel 1 schon erfolgreich. Michael Schumacher etwa war sowohl bei Benetton wie auch später bei Ferrari die klare Nummer 1 im Team - und hat auf diese Weise sieben Weltmeisterschaften gewonnen. Ab 2014 wiederum kämpften bei Mercedes Lewis Hamilton und Nico Rosberg auf Augenhöhe gegeneinander, und fuhren für das Team einen Erfolg nach dem anderen ein.
"Papaya-Rules" und die Diskussionen darüber
McLaren hat mit den hauseigenen "Papaya-Rules" auch schon negative Erfahrungen gemacht. 2024 in Ungarn etwa, als Norris zuerst beim Boxenstopp am bis dahin führenden Piastri vorbeiging und das Team hinterher entschied, den Undercut-Vorteil "händisch" zu korrigieren und Piastri vorbeizulassen. Norris verweigerte erst rundenlang den Befehl, um dann doch noch einzulenken. Hitzige Diskussionen nach dem Rennen waren die Folge.
Stella "kann nicht ausschließen, dass so etwas passiert". Aber: "Wie ich schon gesagt habe: Zwei extrem konkurrenzfähige Fahrer zu haben, bringt große Vorteile. Ich denke, dieser Vorteil überwiegt auf lange Sicht. Aus meiner Sicht ist es das, was man will."
"Aber es kann immer wieder Situationen geben, in denen einer der beiden Fahrer enttäuscht ist, weil das Team eine Entscheidung treffen musste oder weil sich das Rennen auf eine bestimmte Weise entwickelt hat. Wir sind uns dessen sehr, sehr bewusst. Intern sprechen wir nicht darüber, ob das passiert, sondern wann es passiert. Denn wir wissen, dass das hier ein hartes Geschäft ist. Und sowohl das Team als auch Lando und Oscar wissen das ebenfalls."
Piastri: Besonders im Qualifying näher dran
2025 ist in der McLaren-internen Dynamik auffällig, dass Piastri den Abstand auf Norris im Vergleich zu seinen ersten beiden Jahren in der Formel 1 weiter verringert zu haben scheint. Zwar führt Norris mit 62 Punkten die Fahrer-WM an, während Piastri mit 49 Punkten Dritter ist. Aber insbesondere im Qualifying ist Piastri jetzt normalerweise dran an seinem Teamkollegen. Das war 2024 in vielen Qualifyings noch anders.
"Wir sehen, dass Oscar im Qualifying einfach selbstbewusster ist. Er ist besser darin, alles zusammenzubringen", sagt Stella. "Ich denke, er hat ein größeres Bewusstsein entwickelt. Das kommt mit Erfahrung und mit all den Analysen, die im Winter gemacht wurden. Wir sehen also einen stärkeren Oscar. Wie wir gleichzeitig, wie gewohnt, einen sehr starken Lando sehen."
Auch wenn der punktuell noch Probleme mit dem Fahrverhalten des aktuellen McLaren MCL39 hat. In Melbourne hätte ihn ein Fahrfehler beinahe den Sieg gekostet, zuletzt verspielte er wegen kleinerer Unsauberkeiten die Poleposition in Suzuka. Das Paket Norris-McLaren ist schnell - aber fehleranfälliger als das Paket Hamilton-Mercedes in seinen besten Zeiten war.
"Bei Lando gibt es vor allem eine bestimmte Phase beim Fahren, in der er sich mit dem Auto nicht ganz wohlfühlt", erklärt Stella. "Wir haben mittlerweile ein sehr gutes Verständnis dafür, woran das liegt. Es wäre nicht angebracht, Details zu nennen, aber ich kann sagen, dass wir selbst für dieses Rennen einige Anpassungen am Auto vorgenommen haben."
Was genau das sein soll, lässt Stella offen. Die bei der FIA eingereichte Update-Liste für den Grand Prix von Bahrain weist für McLaren nur ein neues Flügelprofil im Bereich der Bremsbelüftungen aus. Das dient einer Optimierung des Luftstroms und wird vermutlich kaum dazu beitragen, dass das Fahrverhalten des Autos berechenbarer wird. Die Änderungen müssen folgerichtig eher im Set-up-Bereich liegen.
Stella deutet diesbezüglich an: "Wir greifen auf einige Lösungen zurück, von denen wir glauben, dass sie die Vorhersehbarkeit des Autos in Bezug auf Landos Fahrstil verbessern könnten. Insofern ist dieses Wochenende auch aus dieser Perspektive interessant, und wir sind gespannt, was wir daraus lernen."