"Verbitterter" Alonso: Verstappen "auf einem Niveau, das wir nicht erreichen"
Fernando Alonso lobt Max Verstappen auffallend oft über den grünen Klee - Experte Johnny Herbert vermutet: Steckt etwa Abneigung gegen Lewis Hamilton dahinter?
(Motorsport-Total.com) - Zugegeben, so ganz neu ist dieses Narrativ vor allem bei Fernando Alonso nicht: Deutlich mehr aus dem Auto rauszuholen als drinsteckt, damit brüstete sich in der Vergangenheit auch der Spanier selbst nicht gerade selten. Allerdings: Aus seiner Bewunderung für Max Verstappen, mit dem er seit jeher ein exzellentes Verhältnis pflegt, hat er auch nie einen Hehl gemacht - und lobt dessen Leistungen mittlerweile sogar noch öfter als seine eigenen...

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Ist in Wahrheit Hamilton der Grund für die Allianz zwischen Alonso und Verstappen? Zoom Download
Zuletzt geschehen mal wieder beim Großen Preis von Japan in Suzuka am vergangenen Wochenende. Darauf angesprochen, legt Alonso in Bahrain in Bezug auf Verstappen gleich nach: "Nun, ich denke, er ist einfach der Beste. Das sage ich ja nicht erst seit gestern, seit einigen Jahren betone ich das bereits", erklärt Alonso - und adelt den Weltmeister: "Er fährt auf einem Niveau, das wir anderen nicht erreichen."
Dabei stellt er klar: "In den letzten 20 Jahren gab es Phasen der Dominanz - großartige Fahrer, großes Talent, starke Teams - aber die Siege wirkten mitunter fast zu einfach. Bei Max hingegen, abgesehen von 2023, war das nicht so", findet Alonso: "2022 war Ferrari stark, auch im letzten Jahr hatte er ernsthafte Konkurrenz. Und dieses Jahr ebenso. Ganz zu schweigen von 2021 mit Lewis..."
Hamilton? Alonso stichelt: "Unterscheidet sich deutlich"
Deshalb steht für den Spanier fest: "Alle Titel, die Max bislang gewonnen hat - vielleicht mit Ausnahme von 2023 - musste er sich auf kämpferische Weise erarbeiten. Und das unterscheidet sich von den letzten beiden Weltmeister-Ären deutlich", sagt Alonso in Bezug auf die Titelsammlungen von Sebastian Vettel (2010-2013) und Lewis Hamilton (2014-2020, mit Ausnahme von Nico Rosbergs Titel im Jahr 2016).
Entsprechend begründet Alonso dann auch seine offensiv zum Ausdruck gebrachte Bewunderung für Red Bulls Verstappen: "Mir gefällt einfach, wenn jemand nicht mit dem besten Auto gewinnt. Und ich glaube, da sind wir uns ja alle einig."
Doch so ganz stimmt das offenbar nicht, denn geht es nach Ex-Formel-1-Pilot Johnny Herbert, haben Alonsos ausschweifende Lobgesänge auf Verstappen mindestens noch einen zweiten Hintergrund: "Ich verstehe, warum Fernando Alonso Max Verstappen so unterstützt, denn Max und Fernando waren nie Teamkollegen. Lewis und Fernando aber schon, und damals bei McLaren 2007 war Fernando als zweimaliger Weltmeister voller Selbstvertrauen und am Gipfel seines Könnens", erinnert Herbert im Gespräch mit PokerFirma.
Herbert: "Hat der Beziehung zwischen beiden geschadet"
"Er hat mit Lewis einen Grünschnabel erwartet, den er leicht schlagen wird - doch so ist es nicht gekommen. Und wie dieser Kampf in jener Saison dann passiert ist, hat der Beziehung zwischen beiden ab diesem Zeitpunkt geschadet, denn Lewis kam einfach mit einem Knall rein und hat Fernando nicht das Feld überlassen", so der Brite, der glaubt: "Deswegen herrscht bei ihm immer noch eine nachhaltige Verbitterung über das, was damals bei McLaren passiert ist."
So gesehen sei es keine Überraschung, dass Alonso sich spätestens seit dem epischen Titelkampf zwischen Hamilton und Verstappen im Jahr 2021 ganz klar mit dem Niederländer solidarisiere, meint Herbert.
Kurios: Der ehemalige Rennfahrer geriet in der in der Vergangenheit selbst schon einmal kräftig mit Alonso aneinander: Nachdem er dem Spanier in seiner Rolle als TV-Experte mangelnde Motivation vorgeworfen hatte, stellte Alonso ihn vor laufender Kamera bloß, konterte: "Du bist kein Weltmeister. Du bist als Kommentator geendet, weil du es nicht zum Champion gebracht hast."
Auch Tsunoda lobt Verstappen: "Wirklich unglaublich"
Allein: In Bezug auf Verstappens Fähigkeiten gehen die Meinungen im Fahrerlager aktuell trotzdem kaum auseinander - nicht zuletzt auch deshalb, weil der Niederländer bei Red Bull einen Teamkollegen nach dem anderen regelrecht zerstört. Seit Japan sitzt nun Yuki Tsunoda auf dem Schleudersitz an der Seite des viermaligen Weltmeisters - und musste mit Rang zwölf in einem Rennen, das sein Stallgefährte gewann, gleich mal eine empfindliche Niederlage einstecken.
Trotz aller Enttäuschung über die eigene Leistung, gab es von Tsunoda auch in Bahrain nochmal Lob für die von Verstappen - vor allem vor dem Hintergrund, dass der Japaner in Suzuka wegen seiner geringen Erfahrung im RB21 und der mehrfach unterbrochenen Trainings viel vom Set-up des Weltmeisters übernahm. Tsunoda beeindruckt: "Max' Set-up hilft dabei [das Heck zu stabilisieren], aber ich spüre schon im Simulator ganz klar, wie schwierig das zu fahren ist. Es ist wirklich unglaublich, wie er das meistert."
Mit Blick auf seine eigene Lernkurve findet der Japaner: "Was mein Gefühl im Auto angeht, ist es noch zu früh, um zu sagen, ob ich mich wirklich wohlfühle oder nicht. Ich glaube aber, dass ich mit einer Fahrzeugbalance umgehen kann, mit der viele Fahrer bislang Schwierigkeiten hatten", erklärt Tsunoda in Bezug auf Verstappens Red-Bull-Abstimmung, dass er damit "überraschenderweise recht gut" klarkomme.
In Bahrain hat er nun die nächste Chance, sich dem Niveau des Niederländers zumindest anzunähern - und Alonso damit vielleicht doch eines Besseren zu belehren...