Franz Tost: Lawson wird "in 100 Jahren nicht" so schnell sein wie Tsunoda
Als langjähriger Teamchef von Red Bulls Juniorteam gilt Franz Tost als absoluter Insider: Zur Rochade von Yuki Tsunoda und Liam Lawson hat er eine klare Meinung
(Motorsport-Total.com) - Der starke Einstand von Yuki Tsunoda am ersten Trainingstag in Japan kommt für ihn nicht überraschend: Franz Tost hatte den Japaner bei Racing-Bulls-Vorgänger AlphaTauri drei Jahre lang als Teamchef unter seinen Fittichen - und hält offenbar große Stücke auf den 24-Jährigen.

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Liam Lawson und Yuki Tsunoda haben für Suzuka die Cockpits getauscht Zoom Download
In Bezug auf die Fahrer-Rochade bei Red Bull sagt Tost, der sich Ende 2023 in den Formel-1-Ruhestand verabschiedet hat und für Japan als TV-Experte beim ORF im Einsatz ist: "Ich hätte von Anfang an den Yuki Tsunoda genommen. Das habe ich auch gesagt, das habe ich schon letztes Jahr im Herbst kundgetan. Warum? Der Yuki ist viel schneller als der Lawson."
In Bezug auf den Neuseeländer, der nach nur zwei Rennen bei Red Bull wieder degradiert wurde, schickt Tost dann auch gleich noch eine knallharte Ansage hinterher: "Dem kannst du 100 Jahre geben, der wird nicht so schnell wie der Yuki. Und der Yuki ist erfahrener, also was soll's? Das ist eine ganz einfache Entscheidung."
Tost: "Yuki hat einen unglaublichen Naturspeed"
Zumindest im ersten Training von Suzuka bestätigt sich diese auch beim Blick auf den Zeitenmonitor. Tsunoda fehlt als Sechstplatziertem in der ersten Session nur ein Zehntel auf Teamkollege Max Verstappen. Im zweiten Training wird der Japaner dann von der roten Flagge nach Fernando Alonsos Abflug ausgebremst, muss seinen Versuch auf den weichen Reifen deshalb abbrechen - Rang 18 stellt daher ein verzerrtes Bild dar.
Mit Blick auf den allgemein guten Eindruck am ersten Tag beim Heimspiel des Japaners, findet Tost deshalb: "Es ist auf alle Fälle die Bestätigung, dass man es richtig gemacht hat. Der Yuki hat einen unglaublichen Naturspeed, das sage ich schon seit Jahren. Und er muss jetzt nur, sage ich jetzt mal, das alles richtig umsetzen. Er ist manchmal noch zu emotional im Auto, das war dann auch vielleicht einer der Gründe, wieso sie ihn anstelle von Lawson nicht genommen haben."
Für den Österreicher steht aber fest: "Vom Naturspeed her gehört der Yuki absolut zu den besten Formel-1-Fahrern. Und wenn er das jetzt noch in Konstanz umsetzt, wenn er das jetzt auch im Rennen hinkriegt und wenn er seine Emotionen so halbwegs im Zaum hält, dann wird das sicherlich eine sehr, sehr gute Saison werden für Red Bull Racing und für Yuki Tsunoda."
"Einfach zu langsam": Hartes Urteil über Lawson
Dass man Lawson - auch vor dem Hintergrund, dass dieser die ersten beiden Strecken des Jahres noch nicht kannte, Suzuka aus seiner Zeit in der japanischen Super Formula aber schon - noch mehr Zeit hätte geben sollen, dem kann der Tiroler hingegen nichts abgewinnen: "Die Strecke im Griff haben ist eine Sache, schnell zu sein ist eine andere Sache", unterstreicht Tost erneut: "Die Entscheidung war völlig richtig, den Yuki da jetzt reinzusetzen, weil der Liam einfach zu langsam ist."
Allein: Beim Ex-Team des Österreichers sieht man die Sache beileibe nicht ganz so eindeutig. Zwar erklärt auch Tost-Nachfolger und Racing-Bulls-Teamchef Laurent Mekies in Bezug auf Tsunodas Beförderung in den Red Bull: "Ich bin mir sicher, dass er bereit ist." Der Japaner habe sich schon letztes Jahr gut entwickelt, "und wir waren überzeugt: Wenn er 2025 nochmal so einen Schritt macht, dann sprechen wir über ein sehr hohes Niveau. Genau das hat er geschafft - das verdient also Anerkennung."
Mit Blick auf Rückkehrer Lawson geht Mekies aber nicht mit Tosts Meinung mit, stärkt indes seinem alten und neuen Schützling vielmehr den Rücken: "Liam ist in einer guten Verfassung. Er ist gut gelaunt. Ich werde nicht behaupten, dass er über die Nachricht in der vergangenen Woche glücklich war - das war sicher schwer zu verdauen. Aber schon am nächsten Tag war er in Faenza zur Sitzprobe, und gleich danach zurück im Simulator."
Mekies stärkt Lawson: "Talent ist nicht verschwunden"
Die Stimmung bei Fahrer und Team sei jedenfalls gut, versichert der Franzose: "Er weiß, dass er bei uns eine wichtige Rolle spielt im Kampf ums Mittelfeld. Er weiß auch, dass er sich beweisen muss. Und uns allen ist klar: Sein Talent ist da - es geht jetzt nur darum, die richtigen Bedingungen zu schaffen, um es wieder zur Geltung zu bringen", sagt Mekies.
Dabei räumt der Teamchef ein, dass man "überrascht" gewesen sei, dass Lawson so große Probleme im Red Bull hatte: "Niemand hatte erwartet, dass er bei diesen zwei Rennen am Ende des Feldes stehen würde", erklärt Mekies: "Es war sicher eine sehr schwierige Situation. Aber zu sagen, wir hätten damit gerechnet, wäre gelogen. Dennoch sind wir überzeugt: Sein Talent ist nicht verschwunden. Und jetzt mache wir da weiter, wo wir letztes Jahr aufgehört haben."
Dass die Entscheidung im Dezember pro Lawson ausfiel, verteidigt der Racing-Bulls-Teamchef aber: "Unsere Aufgabe ist es, am Saisonende, manchmal auch früher, ein oder zwei Fahrer vorzuschlagen, die für unser Schwesterteam interessant sein könnten. Letztes Jahr waren wir der Meinung, dass das bei beiden Fahrern der Fall war. Das haben wir Christian [Horner], Helmut [Marko] und der Red-Bull-Familie präsentiert: Zwei Fahrer, die unserer Meinung nach bereit für den nächsten Schritt sind. Die finale Entscheidung liegt dann natürlich komplett bei ihnen."
Bayer verrät: "Yuki sind ein paar Fehler passiert"
Zwischen Lawson und Tsunoda war es entsprechend eine knappe Kiste, am Ende entschied man sich wegen des angeblich größeren Potenzials für den deutlich unerfahreneren Piloten. "[Ein] Risiko war sicherlich da", räumt diesbezüglich auch Racing-Bulls-CEO Peter Bayer ein - und erklärt bei Sky: "Ich glaube, Helmut Marko hat es auch erwähnt: In der Zeit, als die Entscheidung diskutiert wurde, sind dem Yuki ein paar Fehler passiert."
Bayer verrät: "In Mexiko unter anderem, damals beim Qualifying, gab es dann auch ein paar interne Kommunikationsprotokolle mit Ingenieuren zum Beispiel, wo der Yuki dann doch mal wieder die Geduld verloren hatte. Und ich glaube, wenn man zum richtigen Zeitpunkt den falschen Fehler macht, dann kann es schwierig werden."
Die Folge: Lawson erhielt schließlich den Vorzug, Tsunoda musste weiter warten. "Eine einstimmige Entscheidung", unterstreicht Bayer, dass alle Verantwortlichen überzeugt waren, "dass der Liam zu dem Zeitpunkt die richtige Wahl war". In der nachträglichen Betrachtung sehe die Sache natürlich etwas anders aus: "Da war der Druck zu groß und ich glaube, man hat es unterschätzt, was alles auf den jungen Mann einprasselt", so Bayer.
Allgemein mache man sich mit Blick auf die Piloten keine Vorstellung, "wie sich plötzlich der gesamte Fokus verändert: Wenn man zwischen Platz 10 und Platz 20 fährt, dann nimmt gefühlt eigentlich keiner wirklich wahr, was sie da tun. Wenn sie irgendwo in den Top-5 stehen plötzlich, dann sind tatsächlich alle Medien da, alle, die die Telefonnummer besitzen, schreiben plötzlich eine WhatsApp, wünschen viel Glück, haben Erwartungshaltungen", erklärt der Racing-Bulls-CEO.
"Was ich damit sagen möchte: Es ändert sich massiv, je nachdem, wo man steht. Und ich glaube, dass es dem Liam guttun wird, mit den Racing Bulls ein bisschen im Schatten der ganz großen Teams zu fahren", so Bayer, der grundsätzlich hofft, "dass er sich schnell wieder fängt - und mit unserem Auto, das ja an und für sich von der Geschwindigkeit her sehr gut funktioniert, auch da ganz schnell wieder an die Spitze vom Mittelfeld kommt".