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Wie die Rückkehr der V10-Motoren zum Exitszenario für Audi werden könnte
Ändern nach der Formel 1 und der FIA jetzt auch die großen Werke ihre ablehnende Haltung zum V10? Und vor allem: Was würde das für Audi bedeuten?
(Motorsport-Total.com) - Der romantische Traum vieler Formel-1-Traditionalisten, eines Tages wieder mit kreischend lauten V10-Saugmotoren Grand-Prix-Sport zu erleben, ist in den vergangenen Wochen näher gerückt. Denn während Red-Bull-Teamchef Christian Horner schon lange mit der Idee liebäugelt, die bei vielen Fans ungeliebten V6-Hybrid-Turbos auszumustern, deren Soundkulisse bei weitem nicht so beeindruckend ist wie die der Motoren früherer Generationen, signalisieren jetzt auch andere einflussreiche Player der Formel 1 zumindest Offenheit, den V10-Gedanken zu denken.

© Audi
Die Entscheider bei Audi: CEO Gernot Döllner, COO Jürgen Rittersberger und Formel-1-Chef Mattia Binotto Zoom Download
Selbst Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der V10-Fantasien in der Vergangenheit als "opportunistisch" abgetan hat, sagt jetzt: "Wir bei Mercedes-Benz sind grundsätzlich offen, ob das in Zukunft ein Achtzylinder oder ein Zehnzylinder ist, ein Saugmotor oder ein Turbo, mit Energierückgewinnung oder ohne, egal welche Größe. Wir müssen da wirklich offen bleiben."
Ralf Schumacher, das ist kein Geheimnis, ist sowieso "immer begeistert, wenn ich die alten Videos sehe oder auch mal in einem markiert werde. [...] Da kriegt man Gänsehaut", sagt er in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. "Wenn das Feld losgefahren ist, hat die Erde gezittert. Und diese Emotionen, auf die kann die Formel 1 nicht verzichten."
Wie auf Instagram alles angefangen hat ...
Dem vorangegangen sind überraschende Signale von den mächtigsten Männern in der Formel 1, die sich einen V10 plötzlich doch wieder vorstellen können. Zuerst deutete Formel-1-CEO Stefano Domenicali bereits im August 2024 an, dass man "zu Motoren zurückkehren könnte, die viel leichter sind und vielleicht einen guten Sound haben". Und dann postete FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem im Februar 2025 auf Instragram, dass die Formel 1 "auch den röhrenden Klang eines V10-Motors, der mit nachhaltigem Kraftstoff betrieben wird, in Betracht ziehen" sollte.
Als die FIA dann beim Grand Prix von China auch noch zu einem Medienbriefing mit Nikolas Tombazis, dem Leiter der Einsitzer-Kommission des Verbands, einberief, und dort überwiegend über das V10-Comeback gesprochen wurde und dass sich die FIA ein solches inzwischen vorstellen kann, war klar, dass die Diskussion inzwischen doch mehr ist als eine romantische Spinnerei von Christian Horner.
Jetzt ist ausgerechnet Horner derjenige, der offenbar am wenigsten daran glauben mag, dass das mit dem V10-Comeback wirklich klappen könnte. "Cinderella hat das Gebäude längst verlassen", winkt er ab und unterstreicht, dass ihn eine Umsetzung des kühnen Plans inzwischen "sehr überraschen" würde: "Es ist schon sehr spät in diesem Spiel. Es gibt eine Governance, einen Prozess, bestehende Regeln. Und bei den Motoren wurde bereits ein verbindliches Commitment eingegangen."
Denn: Für den Zeitraum von 2026 bis 2030 haben die Gremien der Formel 1 beschlossen, am aktuellen Konzept des V6-Hybrid-Turbo festzuhalten - mit einigen Änderungen. So wird die Elektrokomponente auf ungefähr 50 Prozent der Systemleistung erweitert, die Verbrennerkomponente analog dazu reduziert. Die teure MGU-H, die der Energierückgewinnung dient, wird abgeschafft. Und in den Tank kommen nur noch (nahezu) CO2-neutrale E-Fuels.
Red Bull: Entscheidung muss möglichst rasch fallen
Die Roadmap zum V10, so wurde das im Paddock in Shanghai getuschelt, könnte so aussehen, dass 2026 und 2027 wie geplant mit veränderten V6-Hybrid-Turbos gefahren wird, um dann 2028 V10-Saugmotoren einzuführen, die mit CO2-neutralen E-Fuels betrieben werden und ganz ohne elektrische Komponente auskommen sollen. Ein ambitionierter Plan, wenn man bedenkt, dass die Motorenentwicklung technisch sehr viel komplexer ist und längerer Vorlaufzeiten bedarf als die Entwicklung im Chassisbereich.
Sollten die Weichen tatsächlich so gestellt werden, brauche es "lieber früher als später einen klaren Plan", fordert Horner. Denn nach nur zwei Jahren mit den neuen Powerunits neue V10-Saugmotoren einzuführen, ist für jeden Motorenhersteller ein ambitioniertes Projekt. Für solche wie Red Bull Powertrains, die nicht in die technologischen Strukturen eines großen Automobilherstellers eingebunden sind, wahrscheinlich am allermeisten.
Sollten die 2026er-Motoren nach nur zwei Jahren wieder eingemottet werden, wie das aktuell von manchen diskutiert wird, wäre das im Verhältnis zur Laufzeit wahrscheinlich die teuerste Antriebsgeneration aller Zeiten. Eine mittlere Katastrophe für Audi, den deutschen Automobilhersteller, der aktuell das Sauber-Team besitzt und 2026 mit einem Audi-Werksteam in die Formel 1 einzusteigen plant.
Audi: Offizielles Statement deutet ablehnende Haltung an
Als erster der 2026 in der Formel 1 engagierten Automobilhersteller hat Audi auf Anfrage ein offizielles Statement zu der Diskussion abgegeben. Dieses lautet: "Die bevorstehenden Regeländerungen, einschließlich der neuen Hybridmotoren-Vorschriften ab der Saison 2026, waren ein entscheidender Faktor für Audis Einstieg in die Formel 1. Diese Antriebsregelungen spiegeln dieselben technologischen Fortschritte wider, die auch die Innovationen in Audis Straßenfahrzeugen vorantreiben."
Verständlich: Audi hat im Konzern einen Milliardenetat für die Formel 1 freigegeben - einerseits für den Erwerb des Sauber-Teams, andererseits für den Aufbau der nötigen Infrastruktur, und natürlich auch für die Entwicklung eines V6-Hybrid-Turbos. Dieser hat bereits 2024 auf dem Prüfstand die ersten vollen Renndistanzen zurückgelegt. Sollte der V6-Hybrid-Turbo 2028 wieder beerdigt werden, hätte (nicht nur) Audi ein kleines Vermögen für (fast) nichts ausgegeben.
Rein hypothetisch gedacht gäbe es, sollten die V10-Pläne ab 2028 wirklich realisiert werden, nur zwei denkbare Szenarien. Erstens: Audi pocht auf die bestehenden Vereinbarungen und verklagt die Formel 1 und die FIA auf finanziellen Schadenersatz. Oder, wie ein hochrangiger Manager eines Formel-1-Teams spekuliert: "Ich glaube, das würde Audi vielleicht sogar ganz gelegen kommen." Nämlich als Ausstiegszenario.
Dahinter steckt folgende These: Audi-CEO Gernot Döllner hat das Formel-1-Programm von seinem Vorgänger Markus Duesmann und dessen Vorstand für Forschung und Entwicklung, Oliver Hoffmann, übernommen. Anders als Duesman gilt Döllner nicht als glühender Anhänger der Idee Formel 1, sondern als Pragmatiker. Er stellte die Formel-1-Pläne zu Beginn seiner Amtszeit intern auf den Prüfstand. Und entschied letztendlich, diese doch umzusetzen.
Doch die konzerninternen Stimmen, die den Formel-1-Einstieg nie für eine gute Idee gehalten haben, sind nie ganz verstimmt. Und bekommen gerade Oberwasser. Erstens, weil das Sauber-Team auch in der Saison 2025 hoffnungslos hinterherfährt. Wie dieses Team 2026 die Marke Audi respektabel auf der globalen Bühne repräsentieren soll, wird von einigen kritisch hinterfragt. Und zweitens, weil der Konzern sparen muss. Bis 2027 werden 6.000 Stellen abgebaut, danach 1.500 weitere bis 2029. Insgesamt ist die Rede von einer Milliarde Euro pro Jahr.
Beim Formel-1-Programm den Stecker zu ziehen, hätte bisher wahrscheinlich eine Vertragsstrafe wegen Nichteinhaltung der getroffenen Vereinbarungen nach sich gezogen (Stichwort Concorde-Agreement). Doch wenn es die Formel-1-Seite ist, die vertragsbrüchig wird, weil das vereinbarte Motorenreglement früher als eigentlich festgelegt über den Haufen geworfen wird, könnte Audi a) prüfen, ob man die Formel 1 und die FIA auf Schadenersatz klagen könnte - oder b) eine einvernehmliche Lösung vorschlagen, in Form eines Rückzugs von den Formel-1-Plänen ohne Vertragsstrafe.
Und ohne Gesichtsverlust. Würde man jetzt aussteigen, obwohl seitens der Formel 1 alle vereinbarten Rahmenbedingungen eingehalten werden, wäre das öffentlich nur schwer zu argumentieren. Wenn aber die Formel 1 den V10 einführt, kann sich Audi hinstellen und glaubwürdig behaupten: "Sorry, Freunde - wir wären sehr gern gekommen, aber nicht so." Denn ein V10-Saugmotor ist unmöglich kompatibel mit den Bedingungen, die der Volkswagen-Konzern einst für einen Formel-1-Einstieg einer seiner Marken gestellt hat.
Audi könnte dann das Sauber-Team zum Beispiel an die Qatar Investment Authority (QIA) verkaufen, die ohnehin seit Ende 2024 als Shareholder an Bord ist. Oder zumindest weitere Anteile nach Katar abstoßen, um zwar mit der Marke in der Formel 1 präsent zu bleiben, aber die finanzielle Last nicht weitgehend allein schultern zu müssen. So ähnlich, wie Mercedes das mit den Partnern Toto Wolff und INEOS praktiziert.
Angesichts der gestiegenen Bewertungen der Formel-1-Teams wäre ein (Teil-)Verkauf womöglich sogar mit Gewinn möglich, und mit dem eingenommenen Geld könnte man zumindest Teile des bereits getätigten Investments kompensieren. Und Döllner hätte nicht das Problem, den Arbeitnehmervertretungen erklären zu müssen, wie es sein kann, dass auf der einen Seite Milliardenbeträge in die Formel 1 investiert werden, während auf der anderen Seite tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen müssen.
Ralf Schumacher fordert "Gladiatoren auf der Rennstrecke"
Ob mit oder ohne Audi: Ralf Schumacher hält den V10 "aus drei Gründen für eine gute Idee". Erstens: "Das Thema Emotion. Ich glaube, dieser V10-Sound ist einfach sehr wichtig für Motorsport." Zweitens: "Wir haben mittlerweile synthetische Kraftstoffe. Das heißt, man kann in der Formel 1 CO2-neutral fahren." Und drittens: "Die Sicherheit. Das fängt mit dem Gewicht an. Die Autos werden immer schneller und schwerer." Fliegt heutzutage jemand mit hoher Geschwindigkeit in die Mauer, erfolgt der Einschlag mit viel höherer Energie.
"Wir wollen Spannung, wir wollen Hochleistungssport sehen, quasi Gladiatoren auf der Rennstrecke. Und ich glaube, das kann man auch so noch verkaufen", ist Schumacher überzeugt. Er plädiert dafür, dass eine V10-Formel bei den Zuschauern besser ankommen und auch leichter verstanden werden würde. Und er findet: "Emotion im Motorsport ist Design, schöne breite Autos, tolle breite Reifen. Und eben auch der Sound. Das ist einfach so."
Eine Meinung, der Toto Wolff durchaus etwas abgewinnen kann: "Wir sind alle Racer. Wir mögen die Motoren der Vergangenheit", sagt er. "Gleichzeitig muss man aber die richtige Balance finden zwischen dem, was uns Dinosauriern gefällt, diesen laut schreienden Motoren, und der Fanbasis und dem Publikum an der Strecke. Und vielleicht hat sich letzteres ein Stück weit verschoben - weg von den reinen Benzinbrüdern, hin zu einem jüngeren Publikum, zu Familien, die zur Strecke kommen und die die damalige Zeit gar nicht erlebt haben."
"All das muss man sich als Fragen stellen: Was sind die Ziele für eine zukünftige Regeländerung in ein paar Jahren? Und dann sollten wir das auf Basis von Daten analysieren und zu einer Entscheidung kommen, die dem Sport am meisten dient. Denn das ist der wichtigste gemeinsame Nenner zwischen der FIA, der Formel 1 und den Teams: dass wir das bestmögliche Produkt für unsere Fans bieten wollen."