Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Fernando Alonso
Ereilt Altstar Fernando Alonso bei Aston Martin schon wieder das McLaren-Schicksal, dass er weg ist, bevor das Team den sportlichen Durchbruch schafft?
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

© LAT Images
Fernando Alonso hat ein Händchen dafür, zur falschen Zeit am richtigen Ort zu sein Zoom Download
es gibt heute Morgen, am Montag nach dem Grand Prix von China 2025, einige Kolumnen, die ich schreiben könnte. Zum Beispiel die über Liam Lawson, dessen sofortiger Rauswurf bei Red Bull noch am Sonntag von Ralf Schumacher bei Sky verkündet wurde, live im deutschen Fernsehen. Oder die über Jack Doohan, dessen Chef Flavio Briatore angesichts engmaschiger Supervision ("I control you every millimeter") nicht entgangen sein dürfte, dass Shanghai wenig dazu beigetragen hat, Doohans Position im Team zu festigen.
Oder auch die über Lewis Hamilton (ja, schon wieder), dessen Rennsonntag viel weniger berauschend lief als der Sprint-Samstag. Mit (ja, schon wieder) irritierenden Konversationen am Boxenfunk. Zum Beispiel jener, als Renningenieur Riccardo Adami zuerst irgendwas von "... 59" funkte, dann den Abstand zu Verstappen durchgab (3,3 Sekunden), präzise instruierte, dass man "100 Meter Lift & Coast" benötige, vielleicht bald 200, man das aber Hamiltons Instinkt im Cockpit überlasse.
Eigentlich recht präzise Angaben, sollte man meinen, doch für Hamilton offenbar nicht präzise genug. "Gebt mir ein bisschen Feedback, Jungs, kommt schon! Ich benötige Feedback, wo ich [Zeit] verliere, gebt mir einfach ..." Woraufhin es wie aus der Pistole geschossen kam: "Ausgang Kurve 13 könnte besser sein." Doch das war nicht das, was Hamilton hören wollte: "Ja, das habt ihr mir schon gesagt."
Alonso & Hamilton: Gar nicht so weit auseinander
Immerhin kann sich Hamilton nach der Doppel-Disqualifikation für Ferrari damit trösten, im F1-Sprint am Samstag sein erstes Rennen auf Ferrari gewonnen zu haben. Sphären, von denen ein anderer meilenweit entfernt ist: Fernando Alonso.
In der historischen Erinnerung war Alonso schon ein alter Hase (und zweimaliger Weltmeister), als Hamilton 2007 als Formel-1-Rookie sein Teamkollege bei McLaren wurde. Dabei liegen die beiden aus heutiger Perspektive gar nicht so weit auseinander: Alonso wird im Juli 44, und Hamilton ist inzwischen auch über 40. Beide befinden sich im Spätherbst ihrer Karriere - wobei bei Alonso schon die ersten Schneeflocken fallen.
Nach zwei Rennwochenenden gibt es in der WM-Tabelle sechs Fahrer, die noch nicht angeschrieben haben. Alonso ist einer davon, als nur einer von zwei Nicht-Rookies (oder "Halbrookies") neben Gabriel Bortoleto, Jack Doohan, Isack Hadjar und Liam Lawson. Ein Kunststück, das sonst nur Pierre Gasly von Alonsos Ex-Team Alpine gelungen ist.
Als Alonso im Zuge von Sebastian Vettels Rücktritt im spektakulären Transfersommer 2022 die Entscheidung traf, auf Alpine zu pfeifen und sein (vielleicht letztes?) Glück mit Aston Martin zu versuchen, schien er zunächst einen Volltreffer zu landen. Achtmal fuhr er in der ersten Saison in British Racing Green aufs Podium - öfter als jeder andere Fahrer, der keinen Red Bull hatte.
Wird wieder nichts aus dem "Happy Place"?
Das war jene Saison, in der Dan Fallows bei Aston Martin das Auto baute. Fallows verließ Red Bull im Juni 2021 und begann seine Arbeit für Lawrence Stroll im April 2022, und als der 2023er-Aston verblüffende Ähnlichkeiten mit Adrian Neweys RB19 aufwies, unkten viele, dass Fallows wohl Anleihen bei seinem Ex-Arbeitgeber genommen hatte, die für eine nachhaltige Konservierung der Formkurve etwas zu dünn sein könnten.
Alonso, damals in einer recht öffentlich zur Schau gestellten Beziehung mit der österreichischen TV-Journalistin Andrea Schlager, schien am Ende seiner langen und imposanten Karriere doch noch seinen "Happy Place" gefunden zu haben, und angesichts der Aufrüstung des Teams, die hinter den Kulissen vorangetrieben wurde, schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, wann er endlich um den dritten WM-Titel fahren würde, auf den er nun schon seit fast 20 Jahren wartet.
Zwei Jahre später sieht das ganz anders aus, denn Aston Martin fährt in der Formel 1 viel weiter hinterher als damals. Und auch wenn mit Kalibern wie Adrian Newey und Andy Cowell alle Weichen auf Erfolg gestellt sind, wird sich der nicht über Nacht einstellen. Nicht ganz ausgeschlossen, dass es laufen wird wie damals bei McLaren, wo der sportliche Durchbruch erst gelang, als Alonso schon weg war.
Erntet Verstappen irgendwann Alonsos Saat?
Lawrence Stroll lässt keinen Zweifel dran, dass er sein Projekt auf Biegen und Brechen zum Erfolg führen will - "whatever it takes", wie man das heutzutage wohl formulieren würde. Und das "Whatever it takes" ist angesichts des Aktienkurses von Aston Martin Lagonda, der sich in den vergangenen Jahren zum Flop entwickelt hat, wirklich sehr, sehr viel Geld.
Stroll sen. soll trotzdem dazu bereit sein, mit Partnern wie Aramco, einem der reichsten Konzerne der Welt, eine Fantasiesumme in der Region von einer Milliarde Euro aufzustellen, um Max Verstappen zu Aston Martin zu holen, über den ihm wahrscheinlich Adrian Newey eingeflüstert hat, dass er zweifellos der beste und schnellste Fahrer in der Formel 1 ist.
Und auch wenn Verstappen nach den wenig befriedigenden Grands Prix in Melbourne und Shanghai nach außen den Eindruck erweckt, als könne ihn das alles nicht aus der Bahn werfen, braucht es keine allzu lebendige Fantasie, um sich vorzustellen, dass er angesichts solcher Angebote irgendwann schwach werden und eine neue Herausforderung annehmen könnte.
Nur: Wenn Verstappen wirklich kommen sollte, könnten Alonsos Tage bei Aston Martin gezählt sein. Denn seinen eigenen Sohn Lance wird Stroll sen. wohl nur dann rausschmeißen, sollte der sich freiwillig dazu entscheiden, doch lieber Tennislehrer zu werden. Und selbst wenn Lance sich redlich bemüht, seine Freude am Job als Formel-1-Fahrer vor der Öffentlichkeit zu verbergen, wird er meinem Gefühl nach einen Teufel tun, das Projekt zu verlassen, bevor er nicht gesehen hat, ob das nicht doch noch was werden kann, wenn 2026/27 erstmals die gebündelten Kräfte von Newey, Cowell und dem modernsten Windkanal des Grand-Prix-Sports durchschlagen.
Alonso: Älter, als es Michael Schumacher Ende 2012 war
Noch ist es nicht so weit. Aber irgendwie scheint es die Geschichte von Fernando Alonsos Karriere zu sein, immer zur falschen Zeit für die richtigen Teams zu fahren. Denn sollte es wirklich so kommen (was Stand heute, wichtig, nicht mehr als die wilde Fantasie eines "Tastaturkriegers" ist, wie es Oliver Oakes bezeichnen würde), bleibt nicht mehr wahnsinnig viel Zeit, sich nochmal ein neues Team zu suchen, das zumindest entfernte Chancen auf durchschlagenden Erfolg hat.
Wenn die Saison 2026 beginnt, wird Alonso 44 Jahre alt sein. Michael Schumacher war 43, als er Ende 2012 nur halb freiwillig den Helm an den Nagel gehängt hat. Und selbst über "Schumi" sagten damals einige, er fahre nicht mehr auf dem Niveau seiner allerbesten Tage.
Alonso wirkt wie einer, an dem Zeit spurlos vorübergeht. Vielleicht hat er noch ein, zwei, vielleicht sogar drei gute Jahre in der Formel 1. Aber irgendwann wird auch er nicht mehr gegen die Gesetze der Biologie ankämpfen können. Und selbst wenn es ihm wider Erwarten doch gelingen sollte: Glaubt dann noch jemand an ihn und seine Fähigkeit, mit Mitte 40 auf dem Niveau der Jungen zu fahren, und würde ihm noch jemand ein Cockpit in einem absoluten Topteam geben?
Euer
Christian Nimmervoll
Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.