Lewis Hamilton: Hatte mich schon damit abgefunden, nie mehr Ferrari zu fahren
Lewis Hamilton hat es doch noch gewagt: Sein später Weg zu Ferrari, die wichtigsten Momente, und warum er dem "größten Traum" in Rot nicht widerstehen konnte
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton und Ferrari, das ist die neue Traumehe in der Formel 1 und ein Thema, das auch über die Grenzen des Motorsports hinaus Wellen schlägt. Im großen Interview mit dem Time Magazine hat der Rekordweltmeister nun über weitere Hintergründe zu seinem Wechsel nach Maranello ausgepackt - unter anderem, dass es schon 2018 Gespräche mit dem frisch ernannten Ferrari-Präsidenten John Elkann über eine Zukunft in Rot gab.
Doch sportlich lief es für Hamilton bei den Silberpfeilen damals wie am Schnürchen: Bis 2020 gewann er vier WM-Titel in Serie, während die Scuderia sich leistungsmäßig eher in einer Abwärtsspirale befand, wodurch ein Wechsel unattraktiv wurde. "Wenn ich wirklich ehrlich bin: Ich hatte den Fakt akzeptiert, dass ich wahrscheinlich nie für Ferrari fahren werde. Ich war okay damit", verrät Hamilton nun.
Dann folgte jedoch die legendäre Saison 2021 mit ihrem kontroversen Saisonfinale in Abu Dhabi, an dessen Ende Hamilton ohne seinem achten WM-Titel dastand - und wegen der Vorkommnisse sogar kurzzeitig einen Rücktritt in Erwägung zog. Zwar entschied sich der Brite zum Weitermachen, doch Mercedes' ehemalige Dominanz war verpufft - unter neuem Reglement fuhren die Silberpfeile nur noch hinterher.
Trotzdem verlängerte der Brite Mitte 2023 seinen Vertrag mit Mercedes um zwei Jahre, allerdings mit der Hintertür, bereits nach der Hälfte der Zeit aus dem Vertrag raus zu können. Davon bekam schließlich auch Fred Vasseur Wind - Hamiltons ehemaliger Förderer bei ART in der GP2 hatte mittlerweile das Zepter als Teamchef in Maranello übernommen - und klopfte wenig später beim Briten an ...
Hamilton über Anruf von Vasseur: "Heilige Scheiße!"
Wie so oft um die Weihnachtszeit, ist Hamilton gerade in seinem Winterdomizil in Colorado, als das Telefon klingelt: "Ich erinnere mich noch, dass ich nach dem Telefonat fast am Zittern war. Ich dachte nur: Oh Gott!", erinnert sich Hamilton an den ersten Kontakt und die Geburtsstunde der Idee, im hohen Rennfahreralter doch noch in Maranello zu landen.
Doch die Entscheidung ist trotzdem keine leichte, wie der Brite versichert: "Ich dachte mir: Heilige Scheiße! Ich habe buchstäblich gerade erst mit Mercedes verlängert." Sein Leben lang war Hamilton nur mit Mercedes-Unterstützung unterwegs gewesen, schon zu Kartzeiten. Für ihn gibt es entsprechend viel abzuwägen, doch je länger dieser Prozess in den folgenden Tagen dauert, desto mehr tendiert er zu Ferrari.
Dabei wächst das Gefühl, dass es "das Richtige" für ihn sein könnte, er denkt er an seine Kindheit zurück, seine Träume: "Es ist eine Zeit, um die Zukunft neu zu gestalten, auch neu zu gestalten, worum es beim Träumen geht", sagt Hamilton und fasst schließlich einen Entschluss: "Ich gehe zu Ferrari, Mann, das ist der größte Traum."
Trotz Ferrari-Wechsel: "Kein böses Blut" mit Mercedes
Doch dafür muss Hamilton alte Brücken abbrechen: Erst folgt das berühmte Gespräch mit Toto Wolff in der Küche des Mercedes-Teamchefs, anschließend teilt Hamilton es auch seinem Team mit, Leuten, mit denen er jahrelang eng zusammengearbeitet hat. Zu seinem Glück erntet er viel Verständnis: "Es gibt kein böses Blut, absolut nicht. Wir haben so viele Meisterschaften zusammen gewonnen", sagt Hamilton.
Und auch er gewinnt endlich wieder: In Silverstone feiert Hamilton nach langer Durststrecke 2024 einen viel umjubelten Heimsieg, quasi der perfekte Ausstand bei Mercedes - wenngleich in Spa, nach der Disqualifikation von Teamkollege George Russell, zumindest auf dem Papier noch ein zweiter folgt.
Um die Zukunft seines Ex-Teams, die das erst 18-jährige Supertalent Andrea Kimi Antonelli zu seinem Nachfolger ernennen, macht sich Hamilton jedenfalls keine Sorgen: "Sie haben all die Zutaten, um mehr Weltmeisterschaften zu gewinnen, und das werden sie auch, daran habe ich gar keine Zweifel", erklärt der 40-Jährige.
Bei aller Freundschaft, fortan sind die Silberpfeile aber trotzdem Konkurrenz für ihn, denn in Maranello hat Hamilton nun eine neue Heimat gefunden. So richtig bewusst wird ihm das, als er das erste Mal in seinem Overall in den Spiegel schaut: "Ich bin in Rot, whoa!", grinst Hamilton - und findet: "Der Anzug sieht so gut an mir aus."