Mehr Entwicklungszeit für Red Bull: "Geht nicht unbedingt um Quantität"
Red Bull wird im ersten Halbjahr 2025 mehr Entwicklungszeit als Weltmeister McLaren und Ferrari haben - Bemerkbar dürfte sich das aber erst 2026 machen
(Motorsport-Total.com) - "Wir hassen es, Dritter in der WM zu werden", gesteht Red-Bull-Teamchef Christian Horner zwar. Doch dass die Bullen in der Formel-1-Saison 2024 in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft gleich um zwei Positionen abgerutscht sind, könnte nun sogar ein Vorteil sein.
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Denn durch das schlechtere Ergebnis in der vergangenen Saison wird Red Bull durch das Handicap-System mindestens bis Mitte des Jahres 2025 mehr Entwicklungszeit als Weltmeister McLaren und Vizeweltmeister Ferrari zur Verfügung haben.
"Die zusätzliche Windkanalzeit, die damit verbunden ist, ist der einzige Vorteil in einem Jahr, in dem eine so dramatische Regeländerung bevorsteht", weiß auch Horner, der erklärt, dass 2026 die größte Regeländerung in der Formel 1 "seit wahrscheinlich 50 oder 60 Jahren" anstehe.
Zwar betont auch Horner, dass man als Team immer abwägen müsse, wann man seinen Fokus vom aktuellen Auto zum Boliden für das kommende Jahr verlagere. Doch 2025 könnte dieser Spagat wegen der großen Änderungen im Reglement ab 2026 besonders schwer sein.
Horner zieht Parallelen zum WM-Kampf 2021
Horner erklärt: "Wenn man sich in einem engen Kampf befindet, zieht sich die Entwicklung zwangsläufig länger in die Saison hinein, was besonders schwierig ist. Wir haben das von 2021 auf 2022 gesehen, wo es eine große konzeptionelle Änderung der Regeln gab."
2021 kämpften Red Bull und Mercedes bis zum letzten Rennen des Jahres in Abu Dhabi um den WM-Titel. Ferrari dagegen spielte in diesem Duell keine Rolle und konnte sich früh auf die Entwicklung für die Saison 2022 konzentrieren, in der man dann zwei der ersten drei Rennen gewann.
"Je früher man beginnt, desto größer ist natürlich der Vorteil", weiß auch Horner, "aber wenn es in der Meisterschaft eng zugeht und es bis zum Schluss spannend bleibt, wird es für die Teams eine schwierige Abwägung sein, wie sie ihre Ressourcen aufteilen."
Und genau hier könnte Red Bull einen Vorteil haben, denn durch das Handicap-System hat man mindestens bis zum 30. Juni mehr Entwicklungszeit als McLaren und Ferrari zur Verfügung. Dann werden die Ressourcen nach dem dann aktuellen WM-Stand neu verteilt.
Warum Red Bull für die Saison 2025 keinen Vorteil hat
Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur glaubt in diesem Zusammenhang jedoch, dass Red Bull in der Saison 2025 erst einmal noch keinen großen Vorteil haben wird. Denn die neuen Autos entstanden zu einem Großteil bereits 2024 und damit noch unter dem alten Handicap-Schlüssel.
Und da hatte Red Bull noch die geringste Entwicklungszeit aller Teams zur Verfügung. Spürbar dürfte die Verschiebung laut Vasseur daher erst 2026 werden, weil sich seiner Meinung nach die meisten Teams "sehr früh in der Saison" bereits auf das folgende Jahr konzentrieren werden.
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Größter "Verlierer" des Handicap-Systems ist in diesem Fall McLaren, denn durch den WM-Titel 2024 steht seit dem 1. Januar die geringste Entwicklungszeit aller zehn Teams zur Verfügung. McLaren-Teamchef Andrea Stella sieht darin aber kein großes Problem.
"Die Standards in der Formel 1 sind derzeit sehr, sehr hoch. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss man viel in die Entwicklung und die Performance investieren. Das stellt uns vor die Herausforderung, dass wir sagen müssen, wo wir diese Investitionen tätigen", gesteht er zwar.
Er betont jedoch auch: "Ich denke, dass die Teams heutzutage in der Lage sind, zwei Projekte [für 2025 und 2026] gleichzeitig durchzuführen. Ich persönlich glaube also nicht, dass wir viel an Leistung einbüßen, weil wir uns entscheiden müssen, wie wir die Entwicklung ausrichten."
Stella: Effizienz ist wichtiger als reine Entwicklungszeit
Irgendwann im Verlauf der Saison 2025 werde man natürlich eine Entscheidung treffen müssen, ab wann man alles auf 2026 setze. Das hänge dann vor allem davon ab, "wie realistisch die Chancen sind, Rennen zu gewinnen und um die Meisterschaft zu kämpfen."
Oder anders gesagt: Die Teams, bei denen bereits frühzeitig klar ist, dass es 2025 nicht für den WM-Titel reichen wird, werden ihre Entwicklung schon früher komplett auf 2026 umstellen. Doch laut Stella spielt die reine Entwicklungszeit, die man zur Verfügung hat, gar nicht so eine große Rolle.
Wichtig sei nämlich vor allem die Effizienz, erklärt der McLaren-Teamchef. "Es ist nicht so, dass ich, weil ich dreimal so viel Zeit im Windkanal habe, das Auto zwangsläufig auch dreimal so schnell entwickeln kann. Das ist nicht der Fall", stellt Stella klar.
Das habe man auch in der vergangenen Saison 2024 gesehen. "Es gab Entwicklungen, die von einigen Teams an die Strecke gebracht wurden, aber nicht unbedingt zu einem Fortschritt geführt haben. Es geht also nicht unbedingt um Quantität", betont der Italiener.
2025 kommt es also nicht nur darauf an, wer die meiste Entwicklungszeit hat. Es geht vor allem auch darum, wer diese am effektivsten nutzen kann.