Nach Brasilien-Schock: Was Lando Norris aus der Saison 2024 lernen kann
Wie McLaren-Fahrer Lando Norris mit der neuen WM-Situation umgeht und welche Lektionen er aus der Saison 2024 mit in das nächste Formel-1-Jahr nehmen will
(Motorsport-Total.com) - Jetzt werde es "schwierig", Max Verstappen vom erneuten WM-Titelgewinn in der Formel 1 abzuhalten, sagt Lando Norris vor dem Grand Prix in Las Vegas (alle Einheiten hier im Formel-1-Liveticker verfolgen!). Doch obwohl sein Rückstand zuletzt in Brasilien um 15 Punkte angewachsen ist, habe sich "nicht viel verändert", meint der McLaren-Fahrer: "Ich weiß, wo ich stehe. Und wahrscheinlich habe ich jetzt noch weniger zu verlieren."
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Lando Norris bei seiner Ankunft im Formel-1-Fahrerlager in Las Vegas 2024 Zoom Download
Was aber nicht über den Rückschlag der vergangenen Wochen hinwegtäuschen könne, räumt Norris ein. Der Blick auf den WM-Zwischenstand nach Brasilien habe ihn geschmerzt: "Das war hart, weil das war der erste Moment, an dem ich mir eingestehen musste, dass es realistisch schwierig wird, Erster zu werden."
Einen Vorwurf macht sich Norris aber nicht. Er und sein Team hätten gute Form bewiesen. "Wir haben uns Stück für Stück rangekämpft, weil es schwierig ist, viele Punkte auf Max gutzumachen. Er hatte einfach keine schlechten Rennen", sagt Norris.
"Dann sind die Dinge [in Brasilien] nicht für uns gelaufen. Und jetzt hängen meine Titelhoffnungen vom bisher größten Abstand in diesem Jahr ab. Deshalb hatte ich eine harte erste Woche nach Brasilien, auch wenn das meine Herangehensweise nicht ändert."
"Ich bin es richtig angegangen, schon an den vergangenen Wochenenden. Ich hatte eine gute Leistung. Ich selbst muss also nichts verändern. Aber vielleicht kann ich es jetzt etwas mehr genießen."
Norris mit dem Rücken zur Wand in Las Vegas
Denn schon am Wochenende in Las Vegas könnte es auch rechnerisch durch sein: Verstappen hat die Chance, beim dritten USA-Rennen des Jahres alles klarzumachen.
Ob er den Eindruck habe, im Schach zu stehen, wird Norris daher gefragt. Antwort: "Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber wahrscheinlich stehe ich im Schach, ja. Aber ich kann da rauskommen und kämpfen. Das werde ich tun, aber irgendwann weißt du, es geht nicht in deine Richtung. Aber sag niemals nie: Es ist erst vorbei, wenn es wirklich vorbei ist."
Um Verstappen vom fast sicheren Titelgewinn abzuhalten brauche es jedoch "viel Glück", meint Norris. "Ich müsste drei Rennen gewinnen und Max möglichst dreimal nicht ins Ziel kommen. Also ja: Ich stehe im Schach und stehe ganz allein da. Max dagegen hat noch all seine Bauern und kann mich angreifen. Mehr weiß ich nicht [über Schach]."
Bleibt es bei der Stallregie bei McLaren?
Aber wirklich isoliert war Norris im Titelkampf nie: In den jüngsten Rennen hatte er mit Oscar Piastri einen Helfer an seiner Seite, der ihm zum Beispiel im Brasilien-Sprint eine bessere Position ermöglichte. Stichwort: Stallregie bei McLaren. Und so lautet jetzt die Frage: Bleibt es dabei? Oder lässt McLaren seine Fahrer wieder frei fahren?
Norris reagiert irritiert auf das Thema Teamorder und geht sofort in eine Verteidigungshaltung über: "Das hatte ja keine Auswirkung auf die Punkte [in der Konstrukteurswertung]. Ich finde, ein paar Leute versuchen hier etwas zu konstruieren. Wir haben ja nie etwas getan, was dem Team geschadet hätte. Den Eindruck scheinen aber ein paar Leute gekriegt zu haben."
"Wir haben nur Positionen getauscht, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Ich hatte einen Vorteil dadurch, weil ich in den Titelkampf involviert war. Das ist das Spiel, das wir halt auch spielen müssen. Genauso habe ich Oscar manchmal geholfen, zum Beispiel bei seinem Sieg in Baku."
McLaren habe also immer genau das getan, was Teamchef Andrea Stella vorgegeben habe, nämlich: "Wir tun nichts, was unser Teamergebnis verschlechtern würde", so formuliert es Norris. Nachsatz: "Daran ändert sich nichts."
Welche Lektionen Norris in der Saison 2024 gelernt hat
Aber ändert Norris vielleicht etwas an seiner Herangehensweise für die Formel-1-Saison 2025? Auch damit wurde der McLaren-Fahrer in der Pressekonferenz vor dem Las-Vegas-Grand-Prix konfrontiert: mit der Frage, was er 2024 gelernt habe.
Die Antwort kommt postwendend: "Dass ich habe, was es braucht. Wir hatten erstmals in den jüngsten sechs Jahren die Gelegenheit, ganz vorne zu fahren. Das war also unsere erste Chance. Meine erste Chance, zu sehen, wo ich stehe."
Norris gibt an, er sei zu Saisonbeginn "definitiv nicht auf dem Niveau" gewesen, das er hätte haben sollen. "Aber seit der Sommerpause habe ich eine sehr gute Leistung erbracht, glaube ich. Da waren einige meiner besten Leistungen dabei. Damit bin ich sehr zufrieden, ganz ehrlich."
Es gäbe "nicht viel", das er "anders machen" würde. "Es braucht aber trotzdem ein paar Änderungen, ich muss mich weiter steigern. Das ist klar", sagt Norris. "Ich bin nicht vollkommen zufrieden mit meiner Leistung. Aber erstmals kann ich voller Zuversicht sagen: Ich habe, was es braucht, um im Titelkampf mitzumischen. Was nicht heißt, dass ich perfekt wäre, aber ich weiß, ich habe es drauf."
Er gehe daher mit einer "ganz anderen Einstellung" in die Saison 2025, nachdem er 2024 "nicht völlig bereit" gewesen sei für den Titelkampf. Andererseits habe es "niemand sonst" geschafft, Red Bull und Verstappen unter Druck zu setzen. Er könne sich daher zugutehalten, es zumindest probiert zu haben, meint Norris.
"Zumal Max wahrscheinlich einer der besten Formel-1-Fahrer überhaupt ist. Ich denke nicht, dass wir nochmal einen besseren Fahrer sehen. Das ist meine Meinung. Und um gegen ein solches Kaliber zu bestehen, braucht es etwas mehr als das, was ich dieses Jahr geleistet habe. Aber seit der Sommerpause war ich nahe dran. Und das wird nächstes Jahr ziemlich nah dran sein, um kämpfen zu können."
Norris: Niederlagen gehören dazu
Sofern es Norris gelingt, die vermutlich eintretende Niederlage in diesem Jahr abzuhaken. Das falle ihm nach dem Brasilien-Grand-Prix natürlich schwierig. "Wenn so ein Rennen früher im Jahr kommt, dann nimmt man es hin und schaut, was weiter vor sich geht. So aber war es praktisch ein entscheidender Moment in der Meisterschaft. Und jetzt ist es fast gelaufen", sagt Norris.
Dann fällt ein entscheidender Satz: "Es ist schon demoralisierend, wenn du so große Hoffnungen hast, die aber auf einen Schlag zerstört werden. Aber damit muss man umgehen. So ist das Leben. So ist die Formel 1. So ist der Motorsport. Ich beschwere mich nicht. Mal ist das Glück auf deiner Seite, mal auf der anderen. Mir ist das egal."
Bleibt die Frage, was Norris und McLaren in Las Vegas erreichen können. Norris: "2023 hatte ich hier nicht mein bestes Rennen, so viel steht fest. Oscar aber hatte eine gute Pace und das Auto verhielt sich ziemlich ordentlich im Rennen. Ich schätze, es läuft also auf das hinaus, was wir bisher gesehen haben: einen guten Kampf zwischen Red Bull, Ferrari, uns und Mercedes. Das ist alles, was ich erwarte."